Die Tricks der Verpackungs-Industrie: Warum wir Dinge kaufen, obwohl wir sie nicht brauchen Von Johanna Kelch Kategorien: Konsum Stand: 25. Juli 2018, 15:15 Uhr Fotos: Johanna Kelch; www.ritter-sport.de; ja Was wir kaufen, entscheiden wir unterbewusst und emotional. Wir erklären, warum man oft nicht mit den Dingen aus dem Laden kommt, wegen der man ursprünglich rein ist – und was das mit deren Verpackung zu tun hat. Ob wir etwas kaufen oder nicht, wird im Gehirn in unter einer Sekunde entschieden. Die Verpackung der Produkte beeinflusst diese Entscheidung maßgeblich – und führt dazu, dass wir Produkte kaufen, obwohl sie nichts mit unseren Bedürfnissen zu tun haben. Die Verpackung als Werbefläche An der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig beschäftigt sich Professor Eugen Herzau schon seit Jahrzehnten mit Verpackungen. “Verpackungen wurden lange Zeit als stiller Verkäufer bezeichnet”, sagt Herzau. “Inzwischen muss man sagen: Verpackungen sind schreiende Verkäufer.” Denn das Design dient zu 60 Prozent als Entscheidungskriterium für den Kauf. Das eigentliche Produkt sieht der Konsument in den meisten Fällen erst, nachdem er es bezahlt hat. Daher muss die Verpackung vorher Werbung machen: für Inhalt und Marke. Das schafft sie durch besondere Formen, Farben oder Effekte wie Licht oder Gerüche. Bio-Siegel aktiviert Wohlfühlzentrum im Gehirn Besonders schöne, aufwendig gestaltete oder biologisch wertvoll erscheinende Elemente an Verpackungen aktivieren im Gehirn das Belohnungszentrum. So haben Forscher an der Universität Bonn und Greifswald in einer Studie herausgefunden, dass das Bio-Siegel im Gehirn das Areal stimuliert, welches Wohlbefinden bei uns auslöst. Auch deshalb kaufen wir gerne Bio-Produkte – aber natürlich nicht nur: Bio-Produkte sind besser für die Umwelt, die Tiere und die eigene Gesundheit, aus diesen Gründen entscheiden wir uns bewusst für den Kauf. Allerdings ist es von Person zu Person unterschiedlich, von welchen Merkmalen und welchen Produktgruppen sie angesprochen werden. Professor Hans Demanowski von der Beuth-Hochschule in Berlin ist der Meinung, dass es keine Formel dafür gibt, wie man Käufer durch Verpackungen manipulieren kann. Greenwashing und das Wörtchen „bar“ “Der eine ist mehr Öko, der andere mehr Billig”, so Demanowski, der ebenfalls Verpackungstechniker ist. “Die eine universelle Verpackung, die uns alle anspricht, gibt es nicht.” Allerdings werden von der Verpackungsindustrie Milieu-Studien betrieben, die ein sehr genaues Bild abgeben, was welche Gruppe gerne mag und was sie zum Kauf anregt. “Das sogenannte Greenwashing ist eine sehr beliebte Strategie von Unternehmen”, so Demanowski. So wird zum Beispiel durch das Einsetzen der Farbe “Grün” Umweltfreundlichkeit vermittelt, denn mit Grün wird Natur assoziiert. Ein Beispiel für dieses Green-Washing ist zum Beispiel das McDonalds-Logo. Das bekannte goldene M war lange Zeit auf einem roten Hintergrund abgebildet, seit ein paar Jahren ist der grün. Eine weitere Greenwashing-Strategie des Verpackungsmarketings ist die Verwendung des Wortes „bar“. Bei Worten wie abbaubar oder recycelbar “sollte man misstrauisch werden“, so Demanowski. Sie vermitteln biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien, die tatsächlich aber gar nicht ökologisch abgebaut werden. Ähnliches gilt für recycelbare Verpackungen: Auch diese landen meist im Restmüll und werden verbrannt – und nicht recycelt. Auch wenn etwas kompostierbar ist, heißt das noch nicht, dass es auch kompostiert wird. (Foto: © Utopia) JA! und „Du hast die Wahl“ Neben den ganzen Bio-Produkten gibt es einen großen Absatzmarkt für Billig-Produkte. “Die Ja!-Produkte von Rewe sprechen sehr viele Menschen an”, meint der Berliner Professor. “Die Eigenmarke suggeriert Vertrauen.” Genauso wie die Supermarktkette Lidl, die mit “Du hast die Wahl” in den Augen von Demanowski eine gute Marketingstrategie verfolgt. “Diese Eigenmarken vermitteln: Es ist gut, egal wie teuer es ist.” Und da es nicht teuer ist und trotzdem gut schmeckt oder gut aussieht, werden diese Produkte immer wieder gekauft. Eigenmarken der Supermärkte sind häufig absichtlich „billig“ gestaltet. (Foto: ja) Die Verpackung als Entscheidungshelfer Da die meisten Menschen im Alltag wenig Zeit fürs Einkaufen haben, nehmen sie auffällige Verpackungen gerne an – denn sie helfen bei der Entscheidung für ein Produkt. „Der Käufer steht im Supermarkt und hat eine Auswahl von 20 verschiedenen Pizzen. Da entscheidet man visuell, weil man keine anderen Referenzen hat”, so Herzau. Daher entspricht die Abbildung auf der Verpackung auch nicht immer ganz der Wahrheit: “Würden Sie eine Tiefkühlpizza kaufen, wenn auf der Verpackung genau das Bild abgedruckt ist, wie die Pizza in Echt aussieht?” Verpackungsingenieur Eugen Herzau schüttelt den Kopf: “Niemand würde so ein Produkt kaufen: grau, wenig belegt, unappetitlich.” Die Pizza, die auf der Verpackung abgebildet ist, hat häufig wenig Ähnlichkeit, mit der tatsächlichen Verpackung. (Foto: Johanna Kelch) Produkte werden also so anregend wie möglich dargestellt. Die Hersteller sind nur verpflichtet “Serviervorschlag” auf die Verpackung zu schreiben. “Sonst sind die Käufer enttäuscht, dass die Pizza nicht so aussieht wie auf dem Bild”. So fällst du nicht auf die Marketinstrategien rein Eine gut gestaltete Verpackung ist nur in geringem Maß Täuschung oder Manipulation. Viel mehr ist sie eine Marketingstrategie, die hilft, dass Produkte auf dem übervollen Markt gekauft werden. Wer auf diese Strategie nicht hereinfallen will, sollte sich Zeit nehmen beim Einkaufen. Oder, so Eugen Herzau aus Leipzig, in anderen Läden als den großen Supermärkten einkaufen. “Wer an den Frischetheken Produkte wie Käse oder Obst kauft, braucht keine schöne Verpackung. Denn er sieht, wie das Essen aussieht und muss nicht durch eine äußere Hülle bestochen werden”, meint der Ingenieur. Wer nicht auf die Verpackungstricks reinfallen möchte, kauft am besten unverpackt ein. (Foto: © Robert Kneschke - stock.adobe.com) Besonders auf Wochenmärkten sind die Produkte aus der Region nicht nur frisch, sondern auch wenig bis gar nicht verpackt. Achte auch hier auf das Bio-Siegel, das auf den kleinen -Kennzeichnungs-Schildern des Obst und Gemüses vermerkt ist. In vielen größeren Städten gibt es zudem Unverpackt-Läden, die nur verpackungsfreie Produkte anbieten (Hier findest du Unverpackt-Läden in deiner Nähe). Mit Gläsern, Vorratsdosen und Stoffbeuteln bepackt, kann man sich dort alles besorgen: von Reis und Nudeln, über Mehl bis hin zu Shampoo und Seife. Bei Produkten mit Bio-Siegel gilt: Bio und Öko ist nur, was mindestens das EU-, oder das deutsche Bio-Siegel trägt (Mehr Infos: Wann Bio wirklich Bio ist). Sind diese Siegel nicht abgebildet, besteht die Gefahr eine „Bio-Mogelpackung“ in den Einkaufswagen zu packen. Die Begriffe „aus kontrolliertem Anbau“, „umweltschonend“ und „unbehandelt“ sind nicht geschützt und sagen damit nichts aus. 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