Utopia Image

Volkskrankheit Kreidezähne: Jedes siebte Kind betroffen, Tendenz steigend

Das Rätsel um die Kreidezähne
Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Beim Zähneputzen tun deinem Kind die Zähne weh? Sie sind fleckig und wirken rau? Das könnten Kreidezähne sein. Zahnärzt:innen warnen vor der neuen „Volkskrankheit“, inzwischen ist etwa jedes siebte Kind betroffen. Was die Wissenschaft dazu weiß.

Kreidezähne sind unangenehm: Beim Essen, Trinken oder Zähneputzen schmerzen die Zähne, auch bei sehr warmen oder kalten Getränken tun sie weh. Außerdem sehen sie unschön aus: Sie haben Furchen und sind teilweise weißlich, gelblich oder sogar bräunlich verfärbt. Klassischerweise sind ein bis vier der ersten bleibenden Backenzähne betroffen, also die Zähne, die im Alter von etwa sechs Jahren durchbrechen. Teilweise kommen Kreidezähne auch zusätzlich bei Schneidezähnen (Inzisiven) vor. Fachleute sprechen von einer Molaren Inzisiven Hypomineralisation, kurz MIH. Der Zahnschmelz hat an manchen Stellen weniger Minerale als gewöhnlich.

Wie viele Kinder sind betroffen? 

Weltweit sind laut der Übersichtsstudie ‚Global burden of molar incisor hypomineralization‘ von 2018 schätzungsweise 13 bis 14 Prozent der Kinder betroffen. Dafür wurde 99 Studien mit mehr als 113.000 Teilnehmern aus 43 Ländern ausgewertet. 

Die 5. Deutsche Mundgesundheitsstudie von 2016 hatte dagegen eine deutlich höhere Zahl ergeben. Damals hieß es, dass 28,7 Prozent der Zwölfjährigen mindestens einen hypomineralisierten Zahn mit einer MIH haben. Warum die Zahlen so hoch waren, wisse man nicht, sagt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ), Katrin Bekes. Mit Spannung würden die neuen Daten aus der 6. Mundgesundheitsstudie Anfang nächsten Jahres erwartet. 

Die „Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ (DGZMK) spricht von einer neuen Volkskrankheit. Die Kreidezähne sind nicht nur unästhetisch und schmerzhaft, durch die raue Oberfläche sind sie auch besonders kariesanfällig.

Kreidezähne Zähne
So sehen Kreidezähne aus. (Foto: © DGZMK )

Was ist die Ursache von Kreidezähnen?

Kreidezähne entstehen, weil die Mineralisation des Zahnschmelzes gestört ist. Woran das liegt, ist noch nicht ganz klar. Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung scheinen Umwelttoxine wie zum Beispiel Bisphenol A (BPA) zu spielen, die unter anderem mit der Nahrung aufgenommen werden. Denkbar als Ursache sind laut Mediziner:innen außerdem Probleme im letzten Monat der Schwangerschaft, Frühgeburten, Kinderkrankheiten wie Bronchitis, Lungen- oder Mittelohrentzündungen oder Antibiotikagaben.

Die betroffenen Zähne kommen meist erst um das sechste Lebensjahr oder später, und erst dann kann die Diagnose gestellt werden – dies erschwere die Ursachenforschung, erklärt Katrin Bekes. 

Zusammenhang mit Antibiotika-Einnahme

Eine Ursache für Kreidezähne, die diskutiert wird, ist die Einnahme von Antibiotika. So erklärte die Krankenkasse Barmer in ihrem Zahnreport, dass Kreidezähne durch die Einnahme von Antibiotika verursacht oder zumindest begünstigt werden. Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse, meint dazu: „Die Verordnung von Antibiotika steht in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Auftreten von Kreidezähnen. Allerdings ist noch unklar, wie dieses Zusammenwirken genau funktioniert. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich.“

Antibiotika nehmen wir ein, um schwere Krankheiten zu bekämpfen – oft gibt es dazu keine Alternative. Sie sind aber nur eine der möglichen Ursachen für Kreidezähne. Mit anderen Stoffen, die ebenfalls zu der Zahnkrankheit führen können, kommen Kinder und Erwachsene zudem im Alltag wesentlich mehr in Berührung – obwohl das nicht sein müsste. Zu diesen zählt zum Beispiel BPA.

BPA verändert den Hormonhaushalt

BPA gehört zu den weltweit am häufigsten verwendeten synthetischen Chemikalien. Das Problem: Es wirkt wie eine Art hormoneller Schadstoff, da er eine östrogen-ähnliche Wirkung hat und den Hormonhaushalt verändert.

BPA lässt sich im Alltag extrem schwer vermeiden – es steckt in Verpackungen, Plastikgeschirr, Plastikschnullern, Konserven- und Getränkedosen. Beim Menschen fand man in Untersuchungen BPA im Blut, Urin, Fruchtwasser, Gebärmuttergewebe.

Weitere Ursache aufgedeckt

Weitere Erkenntnisse zu Kreidezähnen deckten Michael Hubbard von der University of Melbourne und seine Kolleg:innen auf. Sie untersuchten die Zahnschmelzbildung und fanden heraus, dass das Protein Amelogenin von den schmelzbildenden Zellen produziert wird und die noch kleinen Mineralkristalle im Schmelz bildet. Wenn der Zahnschmelz aushärtet, baut ein Enzym das Protein Amelogenin ab. Das ermöglicht ein Wachstum der mineralischen Kristalle.

Bei Kreidezähnen funktioniert der Abbau nicht, wie er sollte. So enthalten die weichen, verfärbten Stellen an Kreidezähnen drei- bis 15-mal mehr Protein als für fertigen, ausgehärteten Zahnschmelz normal, wie die Forscher:innen herausfanden. Bei der Mineralisation des Schmelzes wurde das Protein offenbar nicht ausreichend abgebaut. Die überschüssigen Proteine führen dazu, dass der Zahnschmelz nicht mineralisiert werden und der Zahnschmelz nicht aushärten kann.

Serumprotein verhindert Mineralisierung

Doch wie kommt es dazu, dass die Proteine nicht abgebaut werden? Die Forscher:innen fanden in betroffenen Stellen im Zahn das Serumprotein Albumin – ein Molekül, das in intaktem Zahnschmelz nicht vorkommt. Dieses imitiert Amelogenin, indem es sich an die unreifen Zahnschmelzkristalle anlagert, und es verhindert dadurch die Mineralisierung, wie sie sonst durch Amelogenin erfolgt.

Für bessere Zähne: Was lässt sich gegen Kreidezähne tun?

Betroffene Kinder sollten regelmäßig zur Zahnärztin oder zum Zahnarzt gehen, empfiehlt Bekes. Eine professionelle zahnärztliche Betreuung sowie eine gute Mundhygiene seien unerlässlich. Um Karies vorzubeugen, werde zweimal tägliches Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta empfohlen. „Studien belegen, dass Kinder mit Kreidezähnen ein höheres Risiko haben, Karies zu bekommen.“

Mit Material der dpa.

Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

War dieser Artikel interessant?

Vielen Dank für deine Stimme!

Verwandte Themen: