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Rassismus-Eklat bei Rossmann: Erst die Kassiererin, dann die Polizei

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Foto: © Rossmann

Rassismus ist auch in Deutschland ein Problem, das zeigt ein Vorfall von vergangener Woche einmal mehr: In Berlin wurde eine Schwarze Frau in einer Rossmann-Filiale erst von einer Kassiererin rassistisch beleidigt – anschließend kam die Polizei hinzu und drohte ihr.

Eigentlich war es ein normaler Einkauf in einem Drogeriemarkt – bis Vanessa H. mit ihrem Sohn an der Kasse stand. Sie zahlte ihre Rechnung von 14,20 Euro mit der Karte, anschließend forderte die Kassiererin sie dazu auf, ihren Ausweis zu zeigen.

Da sie ihren Ausweis nicht sofort fand, gab Vanessa H. der Kassiererin zuerst ihre Versichertenkarte, auf der nur ihr erster Vorname Berênïcé steht – und der zweite Name „Vanessa“ fehlt. Kurz darauf übergab sie der Rossmann-Angestellten auch ihren Ausweis. Auf dem Ausweis sind beide Vornamen vermerkt.

Rossmann-Mitarbeiterin: „Jetzt kommen Sie mit der Rassismus-Karte“

Vanessa H. schildert in einem – inzwischen gelöschten – Facebook-Video, was anschließend geschah: Die Kassiererin beschuldigte Vanessa H. demnach, dass die Karte ihr gar nicht gehöre und sie „Kartenmissbrauch“ begangen habe. H. erwiderte, dass auf der Karte ihr Name stehe – derselbe Name wie auf ihrem Ausweis. Die Kassiererin habe dann gesagt, dass eine Schwarze wie sie eine solche Karte nicht haben könne. Es kam zum Streit und Vanessa H. sagte, dass diese Aussage rassistisch sei.

Als die Vorgesetzte der Kassiererin hinzukam, ging die Auseinandersetzung weiter: Auch sie beschuldigte Vanessa H., nicht Inhaberin der Karte zu sein. Außerdem sagte sie: „Jetzt kommen Sie mit der Rassismus-Karte an.“

Drohungen von der Polizei

Vanessa H. wollte sich die Beleidigungen nicht gefallen lassen, weshalb sie die Polizei rief. Als diese eintraf, sagte einer der Polizisten jedoch: „Sind Sie sich sicher, dass Sie nicht gelogen haben?“ Der Polizist erklärte anschließend zwar, dass er sich Videoaufnahmen aus der Filiale angesehen habe und H. tatsächlich falsch behandelt wurde. „Aber Sie sind selber schuld, sie hätten nicht die Versichertenkarte zeigen sollen.“

Vanessa H. bestand darauf, bei der Polizei eine Anzeige gegen die Kassiererinnen aufzugeben. Die Reaktion des Polizisten laut H.: „Sie wissen aber schon, wenn Sie jetzt eine Anzeige machen und das ist eine Falschaussage – weil ich weiß, dass es nicht stimmt, was Sie sagen – dann werden Sie jetzt festgenommen.“

In diesem Twitter-Video berichtet Vanessa H. von dem Vorfall:

„Verstehen Sie die deutsche Sprache?“

Der Polizist erklärte, er könne Lippen lesen und habe in den Videoaufnahmen keine rassistischen Beleidigungen erkennen können. Außerdem soll der Polizist gesagt haben: „Verstehen Sie überhaupt die deutsche Sprache? Es kann grammatikalisch überhaupt nicht sein, dass sie [die Kassiererin, Anmerkung der Redaktion] es gesagt hat.“ Umstehende Zeug*innen bestätigten dem Polizisten, dass Vanessa H. die Wahrheit gesagt hatte. „Aber es hat ihn nicht interessiert.“

Auch das Verhalten des Polizisten wollte sich Vanessa H. nicht gefallen lassen. Sie fragte ihn nach seinem Namen und seiner Dienstnummer, um sich über ihn zu beschweren. Er weigerte sich jedoch, diese Informationen preiszugeben. Außerdem warf er der Frau vor, dass sie ihn beleidige.

Das sagen Rossmann und die Polizei

Sowohl Rossmann als auch die Polizei haben sich zu dem Vorfall geäußert. Rossmann erklärte dem Tagesspiegel: „Wir bedauern sehr, was unsere Kundin in unserer Filiale in Berlin erlebt hat. Aktuell arbeiten wir den Vorfall intern auf, um daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.“ Rossmann habe Vanessa H. bereits kontaktiert, außerdem sollen die Mitarbeiter*innen des Unternehmens für Alltagsrassismus sensibilisiert werden.

Die Polizei veröffentlichte ein Statement auf Twitter. „Wenn sich der Vorfall so abgespielt hat, dann steht ein strafbares oder disziplinarwürdiges Verhalten unseres Kollegen im Raum.“.

Utopia meint: Die Geschehnisse in der Rossmann-Filiale sind exemplarisch dafür, mit welchen Vorurteilen und rassistischen Einstellungen Schwarze Menschen in Deutschland immer wieder konfrontiert sind. Betrachtet man den Vorfall genauer, offenbart er Rassismus auf zahlreichen Ebenen:

  1. Es fängt damit an, dass Vanessa H. bei einer regulären Kartenzahlung ihren Ausweis zeigen musste. Nach ihren Angaben wurden die anderen (weißen) Kund*innen nicht dazu aufgefordert. Wieso also Vanessa H.? Noch dazu bei einer Rechnung von nur 14,20 Euro? Die Rossmann-Mitarbeiterin hatte offenbar einen Verdacht, dass etwas mit Vanessa H.‘s Karte nicht stimmt. Grund für diesen Verdacht war allein die Hautfarbe von Vanessa H.
  2. Vanessa H. wird anschließend offenkundig rassistisch beleidigt – von mehreren Personen.
  3. Als Vanessa H. die rassistischen Anfeindungen bei der Polizei meldet, glaubt ihr einer der Polizisten nicht. Nicht nur das: Er sagt ihr, sie sei selbst schuld an dem Vorfall. Die Verantwortung für das rassistische Verhalten der Täterin (hier die Kassiererin) liegt also nicht mehr bei der Täterin, sondern beim Opfer.
  4. Der Polizist geht noch darüber hinaus: Er beschuldigt sie, zu lügen und droht ihr mit einer Gefängnisstrafe. Hier findet eine klassische Täter*innen-Opfer-Umkehr statt: Auf einmal muss Vanessa H. sich selbst rechtfertigen und beweisen, dass sie kein Verbrechen begangen hat. Um das Fehlverhalten der Kassiererin geht es gar nicht mehr.
  5. Der Linken-Politiker Hakan Taş hat ein Foto der Strafanzeige veröffentlicht, die die Polizisten im Auftrag von Vanessa H. aufgenommen haben. In der Anzeige ist nur von „Beleidigung“ die Rede – und nicht von einer rassistischen Beleidigung. In den Kriminal- und Polizeistatistiken wird dieser Vorfall also nur als reguläre Beleidigung aufgenommen und nicht als Rassismus. So werden rassistische Übergriffe auf Schwarze Menschen unsichtbar.

Rassistische Übergriffe und Beleidigungen passieren in Deutschland täglich – in den meisten Fällen, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon mitbekommt. Wir alle können etwas dagegen tun: Black Lives Matter: 7 Dinge, die wir jetzt gegen Rassismus tun müssen

Update (17.6.) : Rossmann hat sich inzwischen auch über Instagram und Facebook geäußert. Die Drogeriekette versucht den Vorfall damit zu erklären, dass auf H.’s Unterschrift auf ihrer Karte fehlte und die Kassiererin deswegen nach dem Ausweis fragte. Die Aussage, dass „eine Schwarze keine Geldkarte haben könne“, rechtfertigt diese Erklärung aber nicht, ebenso wenig die Drohungen des Polizisten.

Rossmann richtet daher eine Entschuldigung an Vanessa H.: Der Rossmann Geschäftsführung und allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit denen wir gesprochen haben, tut es sehr leid, dass Vanessa H. in ihrer Würde beeinträchtigt wurde.“ Außerdem zieht Rossmann Konsequenzen: „Vanessa H. hat zweifelsohne Zivilcourage bewiesen und bereits Positives bewirkt: Wir werden unser gesamtes Rossmann-Team noch intensiver dafür sensibilisieren, jeder Form des Rassismus in Zukunft engagiert entgegenzutreten.“

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