Weil Siemens in den Bau eines Kohlekraftwerks in Australien involviert ist, hat sich ein Klimaaktivist am Donnerstag an die Firmenzentrale in München geklebt. Schon nach kurzer Zeit war die Aktion vorbei – und dennoch ein Erfolg.
Thomas Nier kniet auf dem Boden in der Eingangshalle der Siemens-Zentrale in München, seine rechte Hand lehnt an einer Glasfassade. Mit der linken Hand hält er sich ein Handy ans Ohr und erklärt: „Ich wollte sie darüber informieren, dass ich mich gerade in der Siemens Hauptzentrale an eine Scheibe geklebt habe – aus Protest.“ Am anderen Ende der Leitung ist die Polizei.
Der 37-Jährige Thomas Nier ist Aktivist bei der Klimaschutzbewegung Extinction Rebellion. Am Donnerstag hat er sich gegen 16 Uhr mit Sekundenkleber von innen an die Glasfassade des Siemens-Firmensitzes in der Münchner Altstadt geklebt. Mit einer Kamera hielt er die Aktion fest und streamte sie live ins Netz. Sein Ziel: Aufmerksamkeit für die Umweltzerstörung schaffen, die auch von Konzernen in Deutschland ausgeht.
Aufmerksamkeit für Umweltzerstörung
Siemens beteilige sich an einem der größten Kohleabbauprojekte der Welt im Galilee-Bassin in Australien. Der indische Konzern Adani will dort ein Kohlebergwerk erschließen. Siemens stelle Technik dafür bereit. „Das Abbaugebiet dort ist fast so groß wie die Hauptinsel von Großbritannien,“ erklärte Nier in seinem Video. „Und die wollen dort in den nächsten 60 Jahren Kohle abbauen.“
Der Konzern lege nach außen hin immer viel Wert auf Nachhaltigkeit, „aber die Taten weichen von den Worten ab“, findet Nier. Mit seiner Aktion wolle er zeigen, wie deutsche Unternehmen im Ausland Profit aus der Zerstörung der Umwelt schlagen. Zudem solidarisiere er sich mit Klimaaktivist*innen in Australien. Am Dienstag habe sich ein Aktivist in Melbourne auch aus Protest an eine Scheibe geklebt.
„Diese Art von Protest wurde heute legitimiert“
Drei Stunden dauerte die Aktion insgesamt. Besonders großes Aufsehen konnte Nier nicht erregen, alle hätten sehr besonnen reagiert, niemand habe den Aktivisten aufgefordert, zu gehen. Auch die Polizei sei nicht erschienen, trotz seines Anrufs. „Weil Siemens sich nicht beschwert hat“, vermutet Nier.
Am Ende löste sich der Kleber, mit dem Niers Hand an der Scheibe befestigt war, von selbst. Sein Resümee im Video: „Diese Art von Protest wurde heute legitimiert. Dann können wir ja nochmal wieder kommen.“ Der Aktivist verbucht die Aktion offenbar als Erfolg: „Wir haben wohl für einen ganz guten Medienwirbel gesorgt. Menschen haben das Thema jetzt auf dem Schirm, die vorher noch nichts dazu gehört hatten.“
Siemens nimmt seine Verantwortung nicht ernst genug
Siemens äußerte sich noch am Donnerstag in einem Statement zu dem Protest. Darin bestätigte der Konzern den Auftrag für ein Signalsystem für das Eisenbahnnetz der australischen Mine erhalten zu haben. Diese erfülle strenge Umweltauflagen und habe sämtliche Auflagen der australischen Behörden eingehalten. Siemens zeigte zwar Verständnis für das Interesse und den Einsatz der Aktivisten, erklärte aber auch, dass man im Kampf gegen den Klimawandel einen „deutlich breiteren Ansatz“ verfolge.
Thomas Nier reicht diese Antwort nicht aus. „Nur weil es legal ist, heißt das nicht, dass es legitim ist. Das ist ein großer Unterschied“, sagt er uns am Telefon. „Unternehmen können sich nicht nur darauf berufen, dass sie nicht gegen Gesetze verstoßen.“
Utopia meint: Mit seiner etwas ungewöhnlichen Aktion hat der Aktivist Aufmerksamkeit auf die Geschäfte von Siemens gelenkt – und insofern sein Ziel erreicht. Zwar gibt es gibt es auch in München Unternehmen, die Klima- und Umweltzerstörung noch eindeutiger vorantreiben. Dennoch hat der Protest auch bei Siemens seine Berechtigung: Die lasche Reaktion, mit der Siemens die Öffentlichkeit abzuspeisen versucht, zeigt, dass der Konzern seine Verantwortung für den Planeten längst nicht ernst genug nimmt.
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