In den meisten Smartphones werden die Konfliktrohstoffe Zinn, Gold, Tantal und Wolfram verwendet. Smartphone-Hersteller Fairphone hat nun für alle vier eine transparente Liefer- und Produktionskette entwickelt.
Die meisten Smartphone-Nutzer wissen nicht, woher eigentlich die Rohstoffe stammen, aus denen ihre Handys (und übrigens auch PCs und andere Elektronik) gebaut werden. Es sind viele: „Ein gewöhnliches Smartphone enthält 40 verschiedene Materialien aus den entferntesten Ecken der Welt“, so Laura Gerritsen, zuständig für Impact & Development bei Fairphone. „Die Probleme in den Liefer- und Produktionsketten heutiger Unterhaltungselektronik beginnen schon beim Bergbau der grundlegenden Mineralien.“
Konfliktrohstoffe: Zinn, Gold, Tantal, Wolfram
Zum Beispiel bei der Gewinnung von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold. Das sind besonders problematische Mineralien, Konfliktrohstoffe genannt. Die Arbeitsbedingungen bei ihrer Gewinnung (überwiegend in Afrika) sind oft unzumutbar, teils müssen Kinder in den Minen arbeiten. Die Förderung nimmt selten Rücksicht auf Umweltverschmutzung und vor allem finanziert sie in vielen Fällen lokale Rebellengruppen und Warlords – verbunden mit Folter, Vergewaltigungen und der Rekrutierung von Kindersoldaten. Siehe auch den Beitrag Handys: Krieg und Verwüstung in der Hosentasche.
Immerhin nehmen die Länder der Ersten Welt das Problem inzwischen zur Kenntnis. In den USA zwingt der sogenannte Dodd-Frank-Act börsennotierte Unternehmen dazu, über Rohstoffe Auskunft zu geben, die aus der Republik Kongo und ähnlichen Ländern bezogen werden. In der EU einigte man sich vor Kurzem darauf, dass man den Handel mit Konfliktrohstoffen regulieren sollte. Die EU-Bemühungen gelten allerdings als halbherzig, weil nur Betriebe reguliert werden, die die vier genannten Konfliktmineralien importieren, abbauen oder schmelzen: „Die Mehrheit der europäischen Unternehmen – etwa aus der Automobil- und Elektroindustrie – werden damit völlig aus ihrer Verantwortung entlassen“, heisst es dazu in einer Meldung des Arbeitskreises Rohstoffe von Germanwatch.
Oder anders: Der Gesetzgeber drückt sich. Dabei importiert die EU laut Umweltdialog 16 Prozent der weltweit gehandelten Konfliktmineralien Zinn, Wolfram, Tantal und Gold, zusätzlich importieren wir enorme Mengen der Konfliktrohstoffe indirekt – in Form von Laptops und Smartphones.
Rohstoffe fairer, sozialer, ökologischer beziehen
Fairphone hatte bereits bei einer Reihe von Konfliktmineralien bessere Wege gefunden, die Rohstoffe zu beziehen und dabei zugleich bessere Bergbaupraktiken und Einkünfte von lokalen Gemeinschaften zu fördern. Durch die Zusammenarbeit mit Initiativen wie etwa der Conflict Free Tin Initiative (CFTI) und „Solutions for Hope“ konnte das niederländische Unternehmen beim Fairphone 1 beginnen, Zinn und Tantal von geprüften konfliktfreien Minen in der Region von Süd Kivu und Katanga (Kongo) zu beziehen. Beim zweiten Handy konnte man seit Beginn dieses Jahres faires Gold in die Liefer- und Produktionskette des Fairphone 2 integrieren.
Mit Wolfram kommt bei Fairphone im Juni 2016 das vierte der durch den Dodd-Frank-Act definierten Konfliktmineralien hinzu. Über eine Zusammenarbeit mit dem österreichischen Spezialisten Wolfram Bergbau und Hütten AG bezieht Fairphone es aus einer konfliktfreien Mine in Ruanda. Geplant ist, dass das konfliktfrei gewonnene Wolfram ab August im Vibrationsmechanismus des Fairphone 2 enthalten sein wird.
Wenn das Wolfram die Mine in Ruanda verlässt, wird es nach Österreich transportiert, dort gesintert, dann weiter nach China gesendet, wo der Vibrationsmechanismus des Fairphone 2 gefertigt wird. Anders als bei den handwerklich geprägten Zinn- und Tantalminen in der Demokratischen Republik Kongo lassen sich bei der semi-industriellen Wolframförderung in Ruanda Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen erreichen, sagt Fairphone.
Wolfram Bergbau wurde erfolgreich vom Conflict-Free Smelter Programm im April 2014 geprüft und im April 2015 erneut zertifiziert. Das Mineral Wolfram bezieht das Unternehmen von der New Bugarama Mining Company in Ruanda. Diese Wolframmine befindet sich im Norden von Ruanda in der Nähe der Stadt Kidao; sie beschäftigt je nach Auftragslage zwischen 700 und 1200 lokale Minenarbeiter und ist damit eine zentrale Einkommensquelle der lokalen Bevölkerung.
Fairphone zeigt Apple und Samsung, was möglich wäre
Das Fairphone startete 2010, um mehr Bewusstsein für die Förderung der Konfliktrohstoffe und für die Zustände in der Elektronikherstellung zu schaffen und diese auch zu verbessern. Das Anliegen des Unternehmens mit inzwischen 50 Mitarbeitern ist, beispielhaft zu zeigen, was bei der Elektronikproduktion möglich wäre, wenn sich Unternehmen wie Apple oder Samsung (und natürlich: wir Kunden) nur endlich darum kümmern würden.
Utopia meint: Zinn, Gold, Tantal und Wolfram sind nicht alles. Doch Fairphone zeigt weiten Teilen der Elektronikbranche einmal mehr, dass die Herkunft konfliktfreier Mineralien zuverlässig dokumentierbar ist – wenn man es nur will. Käufer eines zugegeben recht teuren Fairphone 2 sollten wissen: Sie kaufen nicht nur ein Smartphone, sie unterstützen die ersten Schritte für einen nachhaltigen Wandel in der Elektronikbranche.
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