Nicht nur große Konzerne wie VW manipulieren Diesel-Abgaseinrichtungen – sondern auch mehrere Millionen Autofahrer. Mit ein paar Tricks schalten sie Mechanismen wie die Abgasreinigung aus, mit fatalen Folgen für die Luftqualität.
VW und andere Autobauer haben ihre Dieselautos jahrelang so manipuliert, dass die Fahrzeuge die gesetzlichen Grenzwerte für Abgaswerte nur im Prüflabor einhalten, auf der Straße aber deutlich mehr Schadstoffe ausstoßen. Wie Recherchen von ARD Plusminus nun zeigen, schummeln aber auch „gewöhnliche“ Fahrzeughalter – und zwar im großen Stil.
Der Grund: Mechanismen wie Partikelfilter oder Abgasreiniger verursachen zusätzliche Kosten, die sich viele Autofahrer sparen wollen. Der Verband der Technischen Überwachungsvereine gehe davon aus, dass bis zu 4,5 Millionen Fahrzeuge in Deutschland defekte oder manipulierte Abgasanlagen haben, berichtet ARD Plusminus.
Der neue Abgasskandal
Diesel-Autos lassen sich an verschiedenen Stellen manipulieren: Bei PKWs wird zum Beispiel gerne an der sogenannten „Abgas-Rückführung“ (AGR) geschummelt. Die AGR reduziert den Stickoxid-Ausstoß, indem sie einen Teil der Abgase wieder kontrolliert in den Motor zurückleitet.
Dabei steigt allerdings der Spritverbrauch – um sich den zusätzlichen Sprit zu sparen, lassen manche PKW-Halter die AGR stilllegen. Das funktioniert über die Software des Motorsteuergeräts oder über eine Blinddichtung. Die AGR abzuschalten ist eigentlich illegal, trotzdem bieten Firmen deutschlandweit diesen „Service“ an. Der Effekt der Stilllegung: Die Stickoxid-Emissionen steigen um das Fünf- bis Zehnfache.
Bei Taxis und LKWs ist Schummeln lukrativ
Ein weiterer Trick um Geld zu sparen: den Partikelfilter ausbauen. Dabei ist der Partikelfilter besonders wichtig, laut ARD Plusminus eliminiert er 99 Prozent der gesundheitsgefährdenden Partikel aus den Abgasen. Wenn der Filter voll ist, muss er allerdings ausgetauscht werden – das kann bis zu 1000 Euro kosten. Vor allem bei Taxis sei es deswegen nicht unüblich, dass der Partikelfilter einfach abgeschaltet wird.
Besonders lukrativ sind Diesel-Manipulationen außerdem bei LKWs: Hier wird gerne die Abgas-Reinigung stillgelegt. Die Abgas-Reinigung benötigt eine bestimmte Flüssigkeit namens „Adblue“, die nicht gerade günstig ist. Mit einem illegalen Gerät (dem Adblue-Emulator) lässt sich die Abgrasreinigung unkompliziert abschalten.
Gerade für Spediteure lohnt sich das: Laut ARD Plusminus können sie durch die Manipulation mehrere tausend Euro pro LKW einsparen. Die Fahrzeuge werden jedoch zu „regelrechten Dreckschleudern“. Die Stickoxide, die sonst durch das Adblue reduziert würden, gehen ins Freie.
Wieso lassen sich Diesel-Autos überhaupt manipulieren?
Dafür dass die Manipulationen eigentlich illegal sind, lassen sie sich erstaunlich leicht umsetzen. Einen Adblue-Emulator gibt es online zum Beispiel bei E-bay schon ab 20 Euro zu kaufen, inklusive einer Anleitung zum Selbereinbauen. Die Abgasrückführung abschalten zu lassen kostet etwa 200 Euro, eine Blinddichtung kann man für wenige Euro beim Hersteller kaufen.
Bislang können manipulierte Diesel-Autos außerdem weitgehend unbehelligt im Straßenverkehr fahren – es finden nämlich kaum Kontrollen statt. ARD Plusminus zufolge gibt es bislang erst wenige Experten bei der Polizei und im Bundesamt für Güterverkehr.
Manipulation an Abgaseinrichtungen ist „Volkssport“ geworden
Die nötige Expertise hätte eigentlich der TÜV – die Prüforganisation könnte Manipulationen am Fahrzeug oder in der Software leicht erkennen. Allerdings wird in der TÜV-Hauptuntersuchung gar nicht erst nach Manipulationen gesucht, dafür fehlen die gesetzlichen Vorgaben. Wenn doch einmal ein Verstoß entdeckt wird, ist die Strafe relativ gering.
Das Fazit von ARD Plusminus: „Manipulationen an Abgaseinrichtungen sind regelrecht zum Volkssport geworden.“ Da ist es nicht verwunderlich, dass die Luft in fast allen deutschen Großstädten teils besorgniserregend hohe Schadstoffkonzentrationen aufweist.
Die ganze Sendung von ARD Plusminus: Manipulation: Wie saubere Autos zu Drecksschleudern werden (Mediathek)
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