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Der Irrsinn der Kassenbonpflicht in einem Bild: Bäcker protestiert gegen „schwachsinniges“ Gesetz

Bäcker Kassenbons Protest
Foto: Facebook / Bäckerei Tenk-Bomkamp

Ab dem 1. Januar 2020 soll unter anderem in Bäckereien die Kassenbonpflicht gelten. Ein Bäckermeister aus dem Münsterland hält das für ökologischen Irrsinn – und leistet mit einer Foto-Prostestaktion kreativ Widerstand.

Ein weißer Haufen türmt sich vor der Verkaufstheke: ausgedruckte Kassenbons, die kein Kunde mitnehmen wollte. Neben dem Müll von nur zwei Arbeitstagen wirkt die Menge der angebotenen Backwaren fast schon kümmerlich.

Das Foto stammt von der Bäckerei Tenk-Bomkamp aus Südlohn im Münsterland. Bäckermeister Michael Tenk dokumentierte damit eine Protestaktion, die er in seinem Laden gestartet hatte: Alle übrig gebliebenen Kassenzettel wanderten auf den Boden vor dem Tresen – ungefähr 500 Stück. Ein deutliches Zeugnis der Müllberge, die Bäckereien ab nächstem Jahr gezwungenermaßen produzieren müssen.

Jährlich fünf Milliarden zusätzliche Kassenzettel

Denn ab dem 1. Januar 2020 tritt die Belegausgabepflicht in Kraft. Das bedeutet, dass auch kleine Läden und Bäckereien standardmäßig einen Kassenzettel aushändigen müssen – auch wenn kaum ein Kunde einen Beleg für seine 70-Cent-Brezel einfordert. Von der Gesetzesänderung erhofft man sich mehr Transparenz und weniger Steuerhinterziehung durch Datenmanipulation.

Der Preis dafür ist allerdings enorm hoch: jede Menge zusätzlicher Abfall, der zudem kein einfaches Papier ist, sondern gesundheitlich bedenkliches Thermopapier. Nach vorsichtigen Schätzungen würden durch die Bonpflicht allein im Bäckerhandwerk jährlich fünf Milliarden zusätzliche Kassenzettel anfallen. Das entspricht dem 25-fachen Erdumfang oder der zweieinhalbfachen Wegstrecke Erde-Mond.

Lies auch: Dürfen Kassenbons, Kassenzettel, Automatenbelege ins Altpapier?

Bäckermeister Tenk richtet deutliche Worte an die Politik

Bäckermeister Tenk brachte seinen Unmut über die neue Regelung nicht nur dadurch zum Ausdruck, dass er die gesammelten Kassenbons liegen ließ. Er veröffentlichte das Foto auch bei Facebook und richtete deutliche Worte an die Politik: „Guten Morgen Politiker des Landes& des Bundes, gestern und heute morgen liefen unsere Bondrucker, das hier wurde liegen gelassen. Sondermüll. Eigentlich wollte ich morgen die Aktion fortsetzen, aber ich möchte meinen Kindern eine nicht noch schlechtere Erde hinterlassen“, heißt es im Post.

Hier kannst du den Beitrag bei Facebook sehen (evtl. musst du zuerst die Ansicht aktivieren).

Inzwischen wurde der Beitrag fast 1.500 Mal geteilt (Stand: 27.11.), auch der „Stern“ berichtete über die Protestaktion des seit 11 Jahren bestehenden Bäckereibetriebs. Im Gespräch mit dem Stern nannte Tenk Gründe, weshalb er das neue Gesetz „schwachsinnig“ findet: Neben dem ökologischen Irrsinn, da es sich bei den Bonbons um mit Chemie beschichtetes Spezialpapier handelt, denkt er auch an die zusätzlichen Kosten für Bonrollen und an die Gesundheit seiner Mitarbeiter: „Die Gesundheitsbelastung für die Verkäufer steigt, wenn sie statt drei 150 Bons am Tag in die Hand nehmen.“

„Das ist reaktionär und in Zeiten von Fridays for future nicht zeitgemäß“

Mit seiner Kritik ist Tenk keineswegs allein. So kommentierte Daniel Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, in einer Pressemitteilung: „Wir reden über Umweltschutz und diskutieren über die Reduktion von Coffee-to-go-Bechern, schaffen dann aber auf der anderen Seite Müllberge aus beschichtetem Papier. Das ist reaktionär und in Zeiten von Fridays for future nicht zeitgemäß.“

Und Präsident Michael Wippler erklärte: „Der Anteil der Kunden, die einen Bon brauchen, liegt unter drei Prozent. In Zeiten, in denen unsere Betriebe und die Gesellschaft zunehmend auf Nachhaltigkeit und Abfallvermeidung achten, ist es geradezu unsinnig, wenn für den Kauf von ein paar Brötchen ein Kassenzettel gedruckt werden muss.“

David gegen Goliath: Der Bäcker hat Jens Spahn eingeladen

Nach der Aktion schrieb Tenk auf seiner Facebookseite, er habe Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingeladen und sei „gespannt, ob er kommt.“ Auch mit anderen Politikern seines Wahlkreises suche er das Gespräch, so der Stern. Konkret fordert der Bäckermeister Ausnahmeregelungen für Bäcker, Kioske, Eisdielen und ähnliche Ladenbesitzer.

Denn bislang ist durch die Gesetzesregelung als Alternative nur ein elektronischer Beleg (zum Beispiel per E-Mail) vorgesehen. Für jede Kugel Eis und jede Apfeltasche eine solche elektronische Rechnung auszustellen, ist allerdings auch nicht wirklich praktisch – und ein solches System muss bestimmte gesetzliche Auflagen erfüllen. Inwiefern es bei der Kassenbonpflicht Ausnahmen geben wird, ist noch nicht abschließend geklärt.

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