Die Frischhaltefolie an der Kühltheke sorgt für Plastikmüll – doch womit kann man sie ersetzen? Ein schwäbisches Start-up setzt auf Wachspapier. Wir haben uns das „Bee-Paper“ genauer angesehen.
„Ich habe eine Weltneuheit für euch“, ruft uns Steffen Krötz auf der Biofach 2019 in Nürnberg zu. Ein gelbliches, raues Stück Papier? Ja, aber eines, das die Supermärkte revolutionieren soll, so der Vertriebsleiter, den wir schon von der umweltschonenden Papiertüte Tütle kennen.
Bee-Paper: ab Mitte Juni an Fleisch- und Wursttheken
Ab Mitte Juni 2019 soll das Bee-Paper in verschiedenen lokalen Biomärkten eingesetzt werden – und zwar an der Fleisch- und Käsetheke. Mit dem gelblichen Papier will man Frischwaren verpacken. Anders als Alu- oder Plastikfolie ist das Bienenpapier aber zu 100 Prozent biologisch abbaubar. Übrigens: Auch McDonalds testet derzeit eine Variante des Bee-Papers in einer Berliner Testfiliale.
Hergestellt wird Bee-Paper aus Grasfasern und Zellstoff, aber ohne chemische Zusatzstoffe und mit deutlich weniger Wasser als Papier. Die papierähnlichen Bögen erhalten bei der Produktion eine dünne Wachsschicht, mit der Lebensmittel frisch gehalten werden sollen. Gleichzeitig ist diese Schicht dünn genug, um das Kompostieren nicht wesentlich zu verzögern: Man kann das Bee-Paper also sowohl auf dem Kompost werfen als auch in den Bio-Müll – ohne dass wie bei Bio-Plastik Rückstände zurückbleiben.
Darum ist Bee-Paper besser als Plastikfolie
Moment: Wachstücher, in die man Lebensmittel einwickelt, gibt es doch schon lange? Wo ist da die Weltneuheit?
Neu ist, dass das Bee-Paper nicht nur aus Holzzellstoff, sondern zu 30 bis 40 Prozent auch aus Grasfasern besteht. Die Grasfasern herzustellen soll 97 Prozent weniger Energie und 99 Prozent weniger Wasser verbrauchen als die Produktion von normalem Papier. Den ungebleichten Holz-Zellstoff bezieht das Unternehmen nicht aus Deutschland. Die Emissionen, die beim Transport entstehen, gleicht es jedoch durch Baumpflanzungen über Plant-for-the-Planet aus.
Zum anderen konnten Krötz und seine Kollegen die Produktionskosten so weit senken, dass sich das Bee-Paper auch für den Großhandel rechnet: Ein Bogen kostet im Moment weniger als fünf Cent, aber natürlich immer noch mehr als Verbundverpackungen aus Papier oder Plastik, wie sie an Frischetheken üblich sind.
Wie sein Kunststoff-Pendant verlängert das Bee-Paper die Haltbarkeit der Lebensmittel, die darin verpackt werden. Der Effekt sei Krötz zufolge vergleichbar mit Plastik, gleichzeitig sei das Material aber atmungsaktiv, was dazu führe, dass z.B. eingepackter Käse nicht so leicht schimmle.
Nicht Forscher entwickelten das Produkt
Wie sie auf die Idee gekommen seien? Krötz lacht: Die Idee für das Bee-Paper stamme von dem damals 13-jährigen Hannes Stengel.
Die Idee des Jungen: Wenn es Wachs schafft, einen Bienenstock nahezu keimfrei zu halten, müsse dies auch bei Lebensmitteln funktionieren. Der Jugendliche entwickelte daraufhin verschiedene Prototypen und wandte sich für passendes Papier an die Tütle-Hersteller.
Was schließlich entstand, glich eher dem Mehrweg-Wachspapier, wie es für den privaten Gebrauch bereits zu haben ist – doch das Tütle-Team entwickelte die Idee weiter. Vier Jahre später geht das Bee-Paper nun in Produktion. Hannes denkt inzwischen über ein Biologie-Studium nach, anscheinend haben es ihm die Bienen angetan.
Genug Bienenwachs? Bedenken der Deutschen Umwelthilfe
Wird Bee-Paper also bald die Plastikfolie im deutschen Einzelhandel ersetzen? Laut Philipp Sommer, dem stellvertretenden Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft der deutschen Umwelthilfe, ist das eher unwahrscheinlich. Die Bienenwachs-Produktion in Deutschland reiche schon jetzt nicht aus, um den bestehenden Bedarf zu decken. Für Krötz‘ Unternehmen würde es also schwierig, größere Mengen Bienenpapier mit ökologischem Bienenwachs aus Deutschland herzustellen.
Das streitet Krötz auch gar nicht ab – auch Bienenwachs ohne nachweisbare Rückstände sei nicht einfach zu bekommen. Er hofft, dass sich das durch Aktionen wie das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ bald ändert.
Vergleicht man die Ökobilanz von Bee-Paper und Plastikfolie, sieht Philipp Sommer von der Umwelthilfe weitere Probleme: Erstens benötige das Wachspapier mehr Material als Frischhaltefolie, zweitens lasse sich Bee-Paper nur auf dem Kompost entsorgen und nicht wie Plastikfolie recyceln.
Der Vertriebsleiter von Bee-Paper hat ebenfalls gute Argumente parat. Er zweifelt zu Recht daran, dass viele Menschen die Plastik- und Papierbestandteile der Verbundverpackungen, die derzeit an Frischetheken üblich sind, auch wirklich korrekt trennen. So lande der Plastikbestandteil der Verpackung ohnehin im Restmüll und würde nicht recycelt, sondern allenfalls thermisch wiederverwertet. Beim Bee-Paper hingegen falle gar kein Müll an.
Noch eine gute Idee: Die Baumsparkarte
Das Unternehmen hinter Bee-Paper unterstützt auch eine klassische Alternative zur Plastikfolie: die Frischhaltebox. Diese ist – hier stimmen Krötz und der Experte der deutschen Umwelthilfe überein – die nachhaltigste Möglichkeit, Frischwaren vom Supermarkt nach Hause zu transportieren.
Damit mehr Menschen ihre eigene Box zum Einkaufen mitnehmen, haben Krötz und seine Kollegen die „Baumsparkarte“ entwickelt. Wer bei teilnehmenden Filialen Wurst, Käse, Gemüse oder einen Becher Kaffee verpackungsfrei einkauft, kann Stempel sammeln. Für zehn Stempel wird ein Baum gepflanzt. „So konnten bereits mehrere tausend Bäume gepflanzt und viele Tonnen Verpackungsmüll eingespart werden“, erklärt der Vertriebsleiter.
Weniger Plastik im Supermarkt: Idee mit Potential
Utopia meint: Bee-Paper versucht, die Mengen an Kunststoffmüll im Supermarkt zu reduzieren. Und das ist sehr wichtig – schließlich entstehen alleine in Deutschland jährlich enorme Plastikmüllmengen. Das Produkt kann Frischhaltefolie aus Plastik in seiner jetzigen Masse jedoch noch nicht ersetzen.
Trotzdem zeigt Bee-Paper: Auch ein komplett kompostierbares Naturprodukt schafft es, Hygienestandards einzuhalten und Lebensmittel länger haltbar zu machen. Dass es ab dem Sommer erste Bio- und Supermärkte wagen, Plastikfolie an der Kühltheke zu ersetzen, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.
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