Im Mai wurde bekannt, dass sich in Schlachthöfen bundesweit mehr als 1.000 Angestellte mit dem Coronavirus infiziert haben. Jetzt wurde ein neuer Massenausbrauch in einem Betrieb festgestellt. Eines wird dadurch noch deutlicher: Die Fleischwirtschaft beutet auch Menschen radikal aus.
Die Firma „Müller Fleisch“ in Birkenfeld bei Pforzheim, ein Schlachthof in Bad Bramsted und „Westfleisch“ in Coesfeld: Das sind nur drei Beispiele von Schlachtbetrieben, bei denen im Mai hunderte Mitarbeiter*innen mit dem Coronavirus infiziert waren. Die meisten Betroffenen waren Leiharbeiter*innen, oft aus Osteuropa.
Einige der betroffenen Firmen wurden zeitweise geschlossen, andere Betriebe führten Corona-Tests bei ihren Angestellten durch. Viele Politiker*innen forderten außerdem eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Besonders viel hat sich offenbar aber nicht getan: Im größten deutschen Schlachtbetrieb „Tönnies“ in Rheda-Wiedenbrück wurden 657 neue Corona-Infektionen bestätigt. Allerdings wurden bislang noch nicht alle Tests ausgewertet, die Zahl kann also vermutlich noch steigen. Der Landkreis Gütersloh schließt nun alle Schulen und Kitas. 7.000 Tönnies-Mitarbeiter*innen müssen in Quarantäne.
Neun Personen in einer Dreizimmerwohnung
Aber wieso verbreitet sich das Virus ausgerechnet in Schlachthöfen so stark? „Das ist das traurige Resultat eines kranken Systems“, sagt die „Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten“ (NGG). Die Organisation kritisiert schon länger, wie die die Fleischindustrie mit ihren Angestellten umgeht.
Um Kosten zu sparen, stellen Schlachtbetriebe einen Teil ihrer Arbeiter*innen nicht fest an. Stattdessen beauftragen sie Subunternehmen, die ihnen Arbeitskräfte aus dem Ausland vermitteln. In der Regel sind es Arbeitsmigrant*innen aus Osteuropa, allen voran Rumänien und Bulgarien. Das Ganze funktioniert über Werk- oder Leihverträge.
Während die Arbeiter*innen bei den Schlachthöfen beschäftigt sind, wohnen sie in Sammelunterkünften. Zeit online berichtet von bis zu neun Personen in einer Dreizimmerwohnung – ideale Bedingungen für ein hochansteckendes Virus.
Der Preisdruck bei Fleisch ist hoch
Kein Wunder also, dass sich so viele Beschäftigte in Schlachtbetrieben mit dem Coronavirus infiziert haben. Sie sind wegen der harten körperlichen Arbeit ausgelaugt und damit ohnehin besonders anfällig. Ist erst einmal jemand infiziert, kann sich die Krankheit in den beengten Verhältnissen schnell verbreiten.
„Die Corona-Fälle sind trauriges Resultat des extremen Preisdrucks beim Fleisch. Diese Krise macht deutlich, wie überfällig es ist, auf Stopp zu drücken und den ruinösen Preiskampf beim Fleisch zu beenden“, sagt die NGG. Sie fordert strengere Kontrollen und Regeln für Schlachthof-Unterkünfte – und dass die Arbeiter*innen besser vor Ausbeutung geschützt werden.
„Du bist kein Mensch für sie“
Nicht nur die Unterkünfte sind problematisch, der Status als Werk- oder Leiharbeiter*innen bringt noch mehr Nachteile mit sich: Der Arbeitsplatz ist nicht sicher, die Beschäftigen leben in ständiger Angst vor Kündigung. Außerdem erhalten sie oft nur den Mindestlohn – für körperlich und psychisch extrem belastende Arbeiten. Vielen wird außerdem Geld für Arbeitsmittel und die Unterkunft vom Lohn abgezogen.
„Du arbeitest dort wie ein Sklave auf der Plantage“, berichtete ein Arbeiter aus der Republik Moldau dem WDR. „Du bist kein Mensch für sie. Für sie ist das wichtigste, dass du arbeitest und ihnen Geld bringst […] Wenn du nicht so schnell arbeiten kannst, dann war es das, du bist gefeuert.“
Utopia meint: Über katastrophale Bedingungen in Viehbetrieben und Schlachthöfen wird immer wieder berichtet – meist geht es dabei um Tierquälerei. Die vielen Corona-Infektionen in Schlachtbetrieben bringen ans Licht, wie auch Menschen in solchen Anlagen ausgebeutet werden. Damit die Supermärkte Hackfleisch für ein paar Cent anbieten können, werden menschenunwürdige und gesundheitsschädliche Zustände für die Beschäftigten in Kauf genommen. Ein Grund mehr, auf Fleisch zu verzichten, oder den Fleischkonsum zumindest zu reduzieren.
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