Die Kunststoffverpackung von Obst und Gemüse muss weg! Ein innovativer Ansatz ist eine essbare Schutzschicht, die die Früchte länger frisch halten soll. Der pflanzliche „Frische-Safe“ wird von vielen Supermärkten praktiziert.
In Deutschland werfen wir Unmengen an Lebensmitteln weg, rund 11 Tonnen jährlich. Für den Großteil (55%) der Lebensmittelabfälle sind die privaten Haushalte verantwortlich, durchschnittlich wirft jede:r Verbraucher:in 78 Kilo Lebensmittel im Jahr in den Müll. Aber auch im Handel fallen große Berge von Obst und Gemüse an, die entsorgt werden müssen.
Ein zweites Problem, mit dem der Handel kämpft: Immer mehr Kund:innen lehnen die Kunststoffverpackungen von Obst und Gemüse ab. Prinzipiell absolut begrüßenswert. Aber nicht allen Produkten bekommt die fehlende Plastikhülle.
Supermärkte testen essbare Verpackung
Einige große Supermärkte praktizieren inzwischen eine innovative Lösung, die beide Probleme angeht: Eine essbare Schutzschicht soll die empfindliche Ware länger frisch halten – ganz ohne Kunststoffverpackung. Lebensmittelhändler bieten beispielsweise Avocados oder Orangen mit einer „zweiten Haut“, einer essbaren Ummantelung an.
Avocados länger haltbar durch Schutzschicht
Vor allem bei empfindlichen Avocados ist die Schutzschicht hilfreich. Das Avocado-Phänomen wird jede:r Liebhaber:in der grünen Frucht kennen: Beim Kauf ist die Avocado oft noch hart und unreif, nach einer Zeit des Nachreifens bekommt sie plötzlich braune Stellen. Die kurze Zeit der optimalen Reife haben wir verpasst. Dank Schutzschicht reift die Frucht langsamer und behält länger ihren Geschmack.
Coating: Essbare und geschmacksneutrale zweite Haut
Beim sogenannten Coating wird auf Obst und Gemüse eine hauchdünne Schutzschicht aufgetragen. Der Clou dabei: Die Schicht wird aus den Samen, dem Fruchtfleisch oder den Schalen von Obst und Gemüse gewonnen, ist also rein pflanzlich und gesundheitlich völlig unbedenklich. Die Schicht ist geschmacksneutral, farb- und geruchlos und kann einfach mitgegessen werden.
Die Ummantelung sorgt dafür, dass weniger Sauerstoff in das Innere gelangt und gleichzeitig weniger Feuchtigkeit entweicht. Dank Coating wird die Zellatmung reduziert, die Produkte halten länger frisch.
Der Edeka-Verbund arbeitet dabei mit dem US-Unternehmen Apeel Sciences zusammen. Die pflanzliche Schutzschicht von ApeelSciences besteht nach Unternehmensangaben aus rein pflanzlichen Fetten – sogenannten Lipiden und Glycerolipiden.
Orangen, Mandarinen und Avocados mit der essbaren Schutzschicht erkennst du an dem Sticker mit dem Apeel-Logo.
Rewe arbeitet mit Schutzhülle auf Fruchtzucker-Basis
Auch Rewe und Penny sind in Sachen Coating aktiv: Im Januar brachten die beiden Märkte marokkanische Avocados mit Schutzhülle auf Fruchtzucker-Basis in einige hundert Filialen.
Der Kooperationspartner der Rewe-Group ist der britische Hersteller AgriCoat NatureSeal. Tests hätten gezeigt, „dass die Haltbarkeit von Avocados im Idealfall auf acht Tage verdoppelt werden kann“, so die Rewe-Group in einer Mitteilung. Weitere Früchte sollen folgen: „Wir sehen auch bei anderen ausgewählten Früchten die Chance, die Haltbarkeit signifikant zu verlängern – zum Beispiel bei Limetten, sonstigen Zitrusfrüchten oder auch Kernobst. Denkbar wären auch Paprika, Schlangengurken oder Passionsfrucht.“ Ein Test mit Äpfeln ist bereits geplant.
Coating bald auch für Erdbeeren und Tomaten?
Bei Früchten, die je nach Jahreszeit einen weiten Transportweg haben und die nicht lange haltbar sind – beispielsweise Erdbeeren, Tomaten, Gurken oder Trauben aus anderen EU-Ländern – wäre die Schutzschicht ein noch größerer Gewinn. In der EU ist das Verfahren bislang allerdings nur für Avocados und Zitrusfrüchte zugelassen – also für Früchte, deren Schale nicht mitverzehrt wird. Die USA sind einen Schritt weiter, hier gibt es auch schon Apeel-Früchte, bei denen die Schale mitgegessen wird. An dem Antrag auf eine EU-Zulassung arbeitet das Unternehmen bereits.
Fazit: Wenn sich die innovative Methode bewährt und die Kund:innen sie akzeptieren, könnten die Obst- und Gemüseregale in Supermärkten und Discountern künftig deutlich plastikfreier sein. Das würde für weniger umweltschädliche Verpackungen und weniger Lebensmittelmüll sorgen. Wünschenswert wäre, dass dabei auch verstärkt Bio-Lebensmittel berücksichtigt werden.
Das Verfahren ist dennoch nicht mehr als ein guter Ansatz, um die Müllmenge zu reduzieren. Bei unserer individuellen Kaufentscheidung sollten wir nicht nur die Verpackung anschauen, sondern auch Qualität, Klimabilanz und die Produktion der Lebensmittel. Früchte, die einen langen Transportweg hinter sich haben, sind allermeist nicht gut für die Umwelt. Bei Avocados ist die Umweltbilanz besonders schlecht.
Und bei Bio-Lebensmitteln ist Coating meist nicht zugelassen.
Unser Tipp: Kaufe nach Möglichkeit saisonal, regional und bio ein – und zwar am besten unverpackt auf Wochenmärkten oder in verpackungsfreien Supermärkten.
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