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Forscher sind sicher: Vor allem eine Sache müssen wir tun, um den Klimawandel zu stoppen

Bergwaldprojekt
Foto: CC0 / Pixabay / Antranias

Ein Schweizer Forscherteam hat herausgefunden: Um das Klimaziel von 1,5 Grad einzuhalten, müssen wir vor allem eines tun: Bäume pflanzen. Ihren Berechnungen zufolge könnten neue Wälder zwei Drittel unserer CO2-Emissionen binden.

Indem wir Bäume pflanzen, können wir CO2 binden – das ist nichts neues. Laut einer Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich können Bäume dem Klimawandel aber effektiver entgegenwirken als bisher gedacht.

Denn: Auf der Erde hätte noch einmal ein Drittel der derzeitigen Waldfläche Platz. Dadurch würden auch Städte oder Agrarflächen nicht beeinträchtigt, schrieben die Forscher im Fachmagazin „Science„. Das wären immerhin 900 Millionen Hektar zusätzliche Waldfläche und entspräche einem Gebiet in der Größe der USA.

Bäume könnten 205 Gigatonnen Kohlenstoff binden

Diese Bäume wären laut Bericht in der Lage, 205 Gigatonnen Kohlenstoff aufzunehmen – das entspricht etwa zwei Drittel der klimaschädlichen Kohlenstoff-Emissionen, die der Mensch in den letzten 250 Jahren verursacht hat.

In ihrem Bericht erklären die Forscher auch, wo genau man die Bäume pflanzen könne: Es handelt sich dabei um Gebiete, die „sich für Wälder und Waldgebiete von Natur aus eignen würden.“ Dazu zählen vor allem Ökosysteme, die der Mensch in der Vergangenheit zerstört hat.

Besonders in Russland gäbe es viele solcher Flächen. Doch auch in den USA, in Kanada, Australien, Brasilien und China wollen die Forscher großflächig neue Wälder anlegen. Auf der Website der Hochschule kann man zudem für jede Region berechnen, wie viele Bäume dort gepflanzt werden und wie viel Kohlenstoff diese binden könnten.

1,5-Grad-Ziel „zweifellos erreichbar“

Durch die Aufforstung sei auch das 1,5-Grad-Ziel des Weltklimarats (IPCC) „zweifellos erreichbar“, heißt es in der Studie. Zusätzlich müsse man aber weitere CO2-Emissionen begrenzen, zum Beispiel bei der Energiegewinnung und beim Transport.

„Wir alle wussten, dass die Wiederherstellung von Wäldern eine Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen kann, aber wir wussten nicht wirklich, wie groß die Auswirkungen sind“, so Prof. Thomas Crowther der ETH Zürich. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass die Wiederherstellung von Wäldern die derzeit beste Lösung für den Klimawandel ist.“

Mögliche Pflanzflächen schrumpfen

„Wir müssten aber schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder reifen und ihr Potenzial als natürliche CO2-Speicher ausschöpfen“, so Studienleiter Tom Crowther. Denn bis ein Baum große Mengen an CO2 gespeichert hat, dauert es einige Jahre. Außerdem würden die Gebiete, in denen man neue Wälder pflanzen könnte, jedes Jahr kleiner. Das hat mehrere Gründe: Zum einen werden durch den Klimawandel immer mehr Gebiete ausgetrocknet. Zum anderen versiegelt der Mensch immer mehr Gebiete, um z.B. neue Wohnflächen zu bauen.

Gleichzeitig zweifelt die Studie Berechnungen an, die davon ausgingen, dass die Baumbedeckung durch den Klimawandel wachsen würde. Das sei nur in nördlichen Wälder, etwa in Sibirien, der Fall – diese Gebiete sind nur zu 30-40 Prozent von Bäumen bedeckt. Gleichzeitig gingen tropische Wälder mit einer Baumdichte von 90 bis 100 Prozent verloren.

Bäume pflanzen fürs Klima: Das sagen andere Forscher

Laut Prof. Dr. Felix Creutzig vom Berliner Klima-Forschungszentrum Mercator sollten sich auch Länder engagieren, in denen sich keine Aufforstungsgebiete befinden. Ihm zufolge können wir bestehende Wälder schützen, indem wir zum Beispiel weniger Fleisch essen. Denn für Mastfutter wie Soja werden regelmäßig tropische Wälder gerodet.

Christian Körner von der Universität Basel riet schon 2017 dazu, langlebige Hölzer zu pflanzen. Schnell wachsende Hölzer würden dem Forscher zufolge weniger Kohlenstoff speichern. Außerdem hätten sie eine kürzere Lebensspanne und würden das CO2 schneller wieder an die Atmosphäre abgeben.

Jana Ballenthien, Fachreferentin Wald der Umweltschutzorganisation Robin Wood, sieht die Studienergebnisse kritisch. Im Interview mit der TAZ erklärte sie, dass neue Bäume die massive Rodung alter Wälder nicht ausgleichen können. Zudem bräuchten neue Wälder ihr zufolge über hundert Jahre, bevor sie so viel CO2 und Feuchtigkeit speichern könnten wie alte Bäume. „Wir müssen unseren Konsum drastisch reduzieren, wir müssen mehr Recycling betreiben und wir müssen alte Wälder erhalten und schützen,“ mahnte Ballenthien. „Man kann nicht erwarten, dass ‚der Wald‘ und sein Holz als nachhaltiger Rohstoff einfach alle Probleme löst.“

Utopia meint: Die Studie der ETH liefert gute Anreize: Sie zeigt, dass es viele Flächen gibt, die man aufforsten könnte, um CO2 zu binden. Doch das heißt nicht, dass wir nur ein paar Bäume pflanzen müssen, um den Klimawandel zu stoppen.  Es gibt viele Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt: Damit die Rechnung aufgeht, müssten wir zum Beispiel aufhören, bestehende Wälder abzuholzen, um Nahrung anzubauen oder Holz für z.B. die Papierproduktion zu gewinnen. Außerdem ist unklar, ob es in den angegebenen Gebieten wirklich genug Nährstoffe und artgerechte Lebensbedingungen für so eine große Anzahl von Bäumen gibt. Auch ist ungewiß, wie sich so viel zusätzliche Waldfläche auf das globale Klima auswirken würde.

Schon 2017 befand das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK): „Der Anbau von Pflanzen und das Speichern des von ihnen aus der Atmosphäre aufgenommenen CO2 ist kein brauchbares Mittel zur Stabilisierung unseres Klimas, wenn fossile Brennstoffe einfach unvermindert weiter verfeuert werden“. Es gäbe keine Alternative zur drastischen Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen und zum Beenden der Nutzung fossiler Brennstoffe.

Die Aufforstung kann ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel sein. Doch nur diese eine Maßnahme kann das Problem nicht lösen. Stattdessen müssen wir weiter erneuerbare Energien fördern und daran arbeiten, weniger Treibhausgase auszustoßen. Und weniger klimaschädliche Lebensmittel wie Fleisch konsumieren. Wie auch du das Klima schützen kannst, erfährst du hier: 15 Tipps gegen den Klimawandel, die jeder kann

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