„Meat the Family“ heißt eine neue Sendung im britischen Fernsehen. Dabei sollen fleischliebende Familien drei Wochen lang ein Farmtier adoptieren – und müssen dann eine schwere Entscheidung treffen. Das drastische Format trifft damit einen Nerv.
Den Hund knuddeln und abends ein Schnitzel auf den Tisch bringen, für das ein Schwein sterben musste: Viele Fleischesser leben mit diesem Widerspruch – und haben normalerweise wenig Kontakt zu sogenannten Nutztieren.
Für vier fleischliebende Familien soll sich das nun ändern: In der Sendung „Meat the Family“ des britischen TV-Senders Channel 4 werden sie Teil eines brisanten Experiments.
Familien adoptieren das Tier, das sie am liebsten essen
In den ersten Folgen bekommen die Familien jeweils ein Tier zugeteilt, das sie besonders gern und oft verzehren: ein Lamm, ein Schwein, ein Hühnchen oder ein Kalb. Drei Wochen lang adoptieren sie den Schützling, bauen zu ihm eine enge Bindung auf und erfahren viel Neues über die Tierart.
Am Ende müssen die Teilnehmer eine folgenschwere Entscheidung fällen: Entweder sie verzichten für immer auf Fleisch – und ermöglichen „ihrem“ Tier zugleich ein Leben auf einem Gnadenhof („animal sanctuary“). Oder ihr neues Familienmitglied wird geschlachtet und sie müssen es anschließend kochen und essen.
Ein „schockierendes Ultimatum“ – und wichtige ethische Fragen
„Es ist eines der schockierendsten Ultimaten, die jemals im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Werde Vegetarier oder wir töten dein Haustier“, schreibt der britische „Guardian“. Neben der drastischen Zuspitzung am Ende verspricht Channel 4 aber auch ein paar „herzerwärmende Momente“. Und der Sender scheint mit dem Format nicht nur die Sensationslust befriedigen zu wollen, sondern auch in die Tiefe zu gehen.
Die zentralen Fragen: Warum werden manche Tiere zu Familienmitgliedern, während andere gegessen werden? Wie viel wissen wir über die Tiere, die auf unserem Teller landen? Die Folgen sollen das Verhalten und die Intelligenz von Tieren thematisieren. Außerdem beleuchten sie, wie die Landwirtschaft arbeitet, um den enormen Bedarf an Fleisch zu decken, und welche Folgen die Fleischindustrie für die Umwelt hat.
„Von Umweltaktivismus bis zu veganen Würstchen: Die Debatte um Fleischessen und Tierwohl ist so bedeutend wie nie zuvor“, sagt Nicola Brown von Channel 4. Tierqual-Skandale in der Landwirtschaft oder auch die enormen Auswirkungen der Fleischproduktion auf das Klima machen das Thema der Sendung hochrelevant. Aber ist die Herangehensweise des TV-Experiments die richtige?
„Die Kategorien von Nutz- und Haustier lösen sich gerade auf“
Der Ansatz erinnert an Aktionen der Tierschutzorganisation Peta, die zum Beispiel in der Fußgängerzone Hunde grillt – um Passanten auf dieselbe Problematik aufmerksam zu machen: Wir essen Schweine, aber keine Hunde, obwohl beide sehr intelligent und sensibel sind. Dass wir zwischen Haustier und Nutztier unterscheiden, ist vor allem kulturell geprägt.
Das muss aber nicht so bleiben: „Die Kategorien von Nutz- und Haustier lösen sich gerade auf – und zwar in Echtzeit“, sagt der Soziologe Marcel Sebastian, der an der Universität Hamburg im Bereich der Human-Animal Studies arbeitet, in einem Interview mit dem „Fluter“, einem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung. Sebastian ist sich sicher, dass das Wohlwollen in der Gesellschaft gegenüber Nutztieren steigt – und damit auch die Tierrechte künftig ausgeweitet werden.
Ein öffentlichkeitswirksames „Ganz-oder-gar-nicht“
Utopia meint: Sowohl beim Hunde-Barbecue als auch bei „Meat the Family“ wird Provokation als Mittel eingesetzt, um die aktuelle Mensch-Tier-Beziehung zu hinterfragen – ob man das gut oder abstoßend findet, ist letztlich eine Geschmacksfrage. Der Soziologe Sebastian sagt: Sowohl Emotionalität als auch vernünftiger Diskurs können dazu führen, dass Menschen weniger Fleisch essen.
Die Familien aus der TV-Sendung werden zu einem öffentlichkeitswirksamen „Ganz-oder-gar-nicht“ gezwungen. Das bedeutet nicht, dass wir alle ihrem Beispiel folgen und sofort vegetarisch oder vegan leben müssen. Aber vielleicht werden manche Zuschauer das Format zum Anlass nehmen, einmal den eigenen Fleischkonsum zu reflektieren und zu reduzieren – und das wäre absolut begrüßenswert!
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