In Milchbetrieben werden neugeborene Kälber in der Regel sofort von der Mutterkuh getrennt, denn die Milch der Kuh soll verkauft und nicht an das Kalb verfüttert werden. Es gibt aber auch Milchbauern, die einen anderen Weg gehen – und ihren Milchkühen „Elternzeit“ geben.
In Hochleistungs-Milchbetrieben sind säugende Kühe nicht vorgesehen – sie würden die Abläufe stören und Milch trinken, die eigentlich verkauft werden soll. Deswegen werden Kälber in der Regel schon wenige Stunden nach der Geburt oder spätestens nach einigen Tagen von ihren Müttern getrennt. Für Kalb und Kuh ist das eine Qual.
Zu trinken bekommen die jungen Kälber in konventionellen Betrieben dann nicht Muttermilch, sondern Ersatzmilch aus speziellen Nuckeleimern. Die Milch wird aus Pulver und warmem Wasser angerührt. Auch viele Biobauern trennen der Süddeutschen Zeitung zufolge die Kälber von den Müttern – allerdings bekommen die Tiere in Bio-Betrieben noch richtige Kuhmilch in ihre Nuckeleimer.
„De Öko Melkburen“ machen es anders
Einige Betriebe überdenken diese Vorgehensweise, wie zum Beispiel die „De Öko Melkburen“, ein Zusammenschluss aus sechs Bioland- und Demeter-Bauernhöfen in Schleswig-Holstein. Der Name „De Öko Melkburen“ ist plattdeutsch und steht für Die Öko Milchbäuer:innen. Die Bauern, bzw. Bäuerinnen lassen die Kälber für mindestens drei Monate bei ihren Müttern. Ihre „Vier-Jahreszeiten-Milch“ ist laut der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ bundesweit die erste im Einzelhandel erhältliche Milch, die ausschließlich aus muttergebundener Kälberaufzucht stammt.
Die Kunden hätten den Ausschlag für den Umstieg zur „Elternzeit-Milch“ gegeben, erzählt uns Hans Möller. Er ist der Geschäftsführer der De Öko Melkburen. „Die Leute haben uns immer die gleiche Frage gestellt, nämlich: Wie wachsen eure Kälber auf?“ Weil man mit der Antwort selbst nicht zufrieden gewesen sei und dem Verbraucher gerecht werden wollte, habe man dann 2014 einfach den Umstieg probiert. „Wir dachten, wir fangen jetzt einfach mal damit an, und haben dann gemerkt, dass es genau das richtige war.“ Möller erzählt Utopia, wie entspannt die Atmosphäre jetzt auf dem Hof sei.
Die Kühe leben mit den Kälbern im Herdenverband und können, wann immer sie wollen, Milch trinken und mit anderen Kälbern spielen. Zwar werden die Kühe während dieser Zeit auch gemolken, jedoch verzichten die Höfe auf einen großen Teil der Milch zugunsten einer ethischen Nutztierhaltung. „Wir gewähren unseren Kühen ihre verdiente ‚Elternzeit‘“, heißt es auf der Webseite der Melkburen.
Zusammen mit anderen Betrieben hat De Öko Melkburen die „Interessensgemeinschaft kuhgebundene Kälberaufzucht“ gegründet. Dadurch gibt es jetzt das erste Mal Kriterien für die kuhgebundene Kälberaufzucht, die dann zusammen mit den Biokontrollen geprüft wird.
Kälber entwickeln sich besser
Laut Möller entwickeln sich die Kälber auf den Höfen der Öko Melkburen besser, seitdem sie nicht mehr von den Müttern getrennt werden. Seit der Umstellung seien die Kälber wüchsiger, gesünder und vitaler, sagt Möller.
Durch die Nähe zu den Muttertieren trinken sie nun viel mehr, nehmen schneller zu und lernen früher, Gras und Heu zu fressen. So bringt die „muttergebundene Kälberaufzucht“ nicht nur für die Tiere selbst Vorteile mit sich: Seit der Umstellung haben die Betriebe deutlich niedrigere Tierarztkosten.
Wo kann man die Produkte kaufen?
Zu kaufen gibt es die Milch- und Fleischprodukte der Öko Melkburen in Geschäften in Schleswig-Holstein und Hamburg und im Online-Shop. Dort wird die Milch zum Teil auch von Supermarkt-Ketten verkauft, der Betrieb beliefert unter anderem Rewe- und Edeka-Märkte. Darüber hinaus kooperieren die De Öko Melkuren mit Naturgroßhändlern, wodurch die Produkte auch im Biofachhandel zu finden sind.
Die Betriebe verkaufen in der Säugephase weniger Milch als sonst, machen also wirtschaftliche Einbußen. Das schlägt sich auch leicht im Preis nieder: Ein Liter der Milch koste im Einzelhandel zwischen 1,79€ und 2,29€.
Aber rechnet sich das auch finanziell für die Betriebe? „Das ist uns gar nicht so wichtig,“ sagt Möller. „Wir haben ein besseres Gefühl seit der Umstellung, ein tolles Hofklima und den Dank der Verbraucher.“
Er meint, wenn sich dieser Standard etablieren würde, hätten wir nicht so einen Überfluss an Milch. Die Milchpreise wären stabiler, die Tiere zufriedener und die Verbraucher würden es honorieren.
Wo es noch Milch aus muttergebundener Kälberaufzucht kaufen gibt zeigt die Liste „Höfe mit mutter- oder ammengebundener Kälberaufzucht“ der Welttierschutzgesellschaft (PDF, Stand Mai 2021)
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