Nur wenige Dinge sind so durchdacht wie Einrichtung eines Supermarkts. Doch ließen sich die Tricks, mit denen Kund:innen zum Kaufen von Süßkram und Co. verführt werden, auch dafür nutzen, mehr gesunde Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen? Zwei Studien haben das untersucht.
Dass in Supermärkten mit allerhand Psychologie gearbeitet wird, ist ein offenes Geheimnis. Die Platzierung von Obst und Gemüse, der Fleischtheke und dem Kühlregal sind mit Bedacht so gewählt, dass wir uns die Einkaufswägen möglichst vollpacken. Britische Wissenschaftlerinnen haben nun in zwei Studien untersucht, ob ähnliche Mechanismen genutzt werden könnten, damit mehr gesunde und weniger ungesunde Lebensmittel gekauft werden. Tatsächlich machte es einen bedeutenden Unterschied, wenn „ungesunde“ Produkte weniger prominent platziert wurden, während Sonderangebote für „Gesundes“ nur kurzfristige Effekte brachten.
Studie: Kaufen wir Osterschokolade auch, wenn sie nicht im Aussteller angeboten wird?
Schoko-Osterhasen und Zuckereier vor dem Osterfest, Lebkuchen und Zimtsterne vor Weihnachten: Jedes Jahr verführen uns große Sonderflächen in den Supermärkten schon Wochen vor den jeweiligen Feiertagen zum Kauf von allerhand Naschkram. Ein Team um die Ernährungswissenschaftlerin Carmen Piernas von der University of Oxford untersuchte nun, was passiert, wenn diese Sonderflächen nicht eingerichtet werden: In 34 Filialen einer britischen Supermarktkette wurden sieben Wochen vor Ostern entsprechende Displays mit saisonalen Schokoladen und Süßigkeiten entfernt. Die Leckereien waren aber noch an anderer Stelle in den Geschäften erhältlich.
Das Experiment passt zu Plänen der britischen Regierung, die angekündigt hat, Werbung für Lebensmittel mit hohem Gehalt an Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren und deren prominente Platzierung in Geschäften gesetzlich einzuschränken – eine Reaktion darauf, dass in Großbritannien quer durch alle Altersgruppen zu viel Zucker und gesättigte Fettsäuren aufgenommen werden.
Tatsächlich stellten die Forscherinnen fest, dass der sonst übliche saisonale Anstieg des Süßwarenumsatzes durch die Entfernung der Displays geringer ausfiel: In 151 Kontrollgeschäften mit entsprechenden Sonderflächen stieg der Süßwarenumsatz in der vorösterlichen Zeit um 18 Prozent, in den Interventionsgeschäften nur um 5 Prozent. Wie die Wissenschaftlerinnen im Fachblatt „PLOS Medicine“ berichten, betrug der absolute Unterschied zwischen Kontroll- und Interventionsgeschäften beim Verkauf von Süßwaren 21 Kilogramm pro Geschäft und Woche. Das würde einer geringeren Gesamtkalorienmenge in den Warenkörben der Kunden entsprechen, so die Autorinnen.
Welche weiteren Maßnahmen unser Kaufverhalten beeinflussen – und welche nicht
In einer zweiten Studie untersuchte das gleiche Team sechs Maßnahmen darauf, ob sie geeignet wären, den Verkauf gesünderer Optionen anzukurbeln – mit unterschiedlichen Ergebnissen:
- Wurden etwa fettarme Pommes im Angebot eines Supermarktes ergänzt, ging der Verkauf regulärer Pommes um 23 Prozent zurück.
- Bei einer größeren Bandbreite zuckerreduzierter Kekse griffen die Kund:innen eher zu den kalorienarmen Optionen (plus 18 Prozent) und kauften weniger normale Kekse (minus 4 Prozent).
- Kurzfristig höhere Absätze brachten gezielte Sonderangebote für saisonales Obst und Gemüse sowie eine Aktion, bei der mit Disney-Figuren für ausgewählte Früchte und gebackene Bohnen geworben wurde.
- Keine Effekte erzielte hingegen die Positionierung von Frühstücksflocken mit einem höheren Ballaststoffgehalt und/oder weniger Zucker auf Augenhöhe der Kund:innen, ebenso wenig wie eine besondere Kennzeichnung zuckerarmer oder zuckerfreier Getränke am Regalrand.
Gesünder einkaufen: Einfache Maßnahmen könnten dazu beitragen
Für die Autorinnen liefert ihre Studie Hinweise darauf, welche Maßnahmen weiter erforscht und möglicherweise als Grundlage für die Entwicklung entsprechender Regularien genutzt werden könnten. Sie betonen allerdings auch, dass sich die untersuchten Interventionen darauf konzentrierten, den Wechsel von einer weniger gesunden zu einer gesünderen Option zu fördern oder den Gesamtabsatz von gesunden Lebensmitteln wie Obst und Gemüse zu steigern. Sie schreiben: „Die Auswirkung dieser Maßnahmen auf den Gesamtenergiegehalt von Lebensmittelkäufen ist wahrscheinlich wesentlich geringer als Maßnahmen, die speziell darauf abzielen, Impulskäufe zu reduzieren, wie zum Beispiel die Entfernung von Lebensmitteln mit hohem Fett-, Zucker- und Salzgehalt an prominenten Stellen wie am Ende der Gänge.“
Tatsächlich hatte eine andere britische Studie erst kürzlich ergeben, dass Supermarkt-Kund:innen deutlich weniger Süßigkeiten einkauften, wenn diese nicht im Kassenbereich am Ende der Einkaufsroute platziert wurden. Umgekehrt wurde häufiger zu Obst und Gemüse gegriffen, wenn diese im Eingangsbereich des Geschäfts ausgestellt waren. Das ist allerdings aus verkaufspsychologischen Gründen ohnehin oft ein beliebter Ort für derartige Waren: Das farbenfrohe Angebot soll Frische und Gesundheit suggerieren.
Utopia meint: Dein Einkaufszettel ist dein Stimmzettel
Natürlich entscheiden letztlich wir darüber, welche Produkte wir kaufen. Doch es wird uns oft nicht leicht gemacht. Supermärkte arbeiten mit einer Reihe von Tricks, um uns dazu zu verleiten, Dinge in die Einkaufswägen zu legen, die uns weder nützen noch guttun. Und landet etwas einmal im Korb, nehmen wir es beim zweiten Mal vielleicht mit, ohne darüber nachzudenken.
Dagegen vorgehen ist nicht leicht – aber möglich. Einkaufszettel können zum Beispiel vor Impulskäufen schützen. Hungrig einkaufen ist ebenfalls keine gute Idee. Indem du mit Bargeld zahlst, kannst du einen besseren Überblick über deine Ausgaben behalten. Koche wenn möglich lieber frisch – in verarbeiteten Lebensmitteln steckt besonders viel Zucker und andere bedenkliche Inhaltsstoffe.
Besonders wichtig: Überlege genau, welche Firmen du mit deinem Geld und deiner Verbrauchermacht unterstützen willst. Finanzierst du Tierhaltung, und wenn ja, was für eine? Hältst du ein Produkt aus Ausbeutung in den Händen? Wirklich bessere Produkte zu erkennen kann schwierig sein (diese neun Fragen helfen dir dabei), aber es lohnt sich. Denn unsere Nachfrage prägt das Angebot – uns zwar jedes Mal aufs neue.
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