Am Donnerstag berichtete die Süddeutsche Zeitung über eine neue Studie des WWF. Der Artikel erweckt den Eindruck, dass Vegetarier:innen und Veganer:innen die wahren Umweltsünder sind – und nicht wie meist angenommen Fleischesser:innen. Wer die Studie liest, wird jedoch zu einem anderen Ergebnis kommen.
Immer wieder finden sich in den Medien reißerische Headlines, die suggerieren, dass Veganismus ungesund ist. Teils geht es in den Artikeln um Studien, teils um Einzelfälle mangelernährter Veganer:innen. Und häufig zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die Headline oder gar der ganze Bericht irreführend verkürzt ist. Ein ähnlicher Artikel ist diese Woche erschienen, allerdings geht es darin um die Auswirkungen einer veganen Ernährung auf die Umwelt.
Am Donnerstag veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung (SZ) eine Nachricht mit der Headline „Wie Veganer und Vegetarier zur globalen Wasserknappheit beitragen“. Im Aufmacher ist die Rede von einer Studie. Diese soll zeigen, dass Vegetarier:innen und Veganer:innen der Umwelt unter Umständen mehr schaden als Fleischesser:innen.
Der Rest des Artikels verbirgt sich hinter einer Bezahlschranke. Wer deshalb nur Headline und Aufmacher des Artikels gelesen hat (und sind wir ehrlich: Das ist vermutlich der Großteil), könnte nun den Eindruck gewinnen, dass Fleischkonsum gut ist – und im Extremfall sogar mehr Fleisch essen.
Auf Twitter erntete die SZ auch prompt Kritik. Dort hatte sie den Artikel gemeinsam mit den Worten „Vegetarisch leben: Mandelmilch ist nicht so ökologisch, wie viele denken“ verbreitet.
Und immerhin: Die SZ zeigte sich einsichtig und änderte die Headline des Artikels daraufhin (mehrmals) zu derzeit „Mandelmilch ist nicht so ökologisch, wie viele denken“. Der Artikel selbst bleibt jedoch weiterhin stark verkürzt. Wir haben uns den Beitrag und die Studie, auf die er sich bezieht, näher angeschaut.
Was schreibt die SZ?
Anlass für den SZ-Artikel ist eine WWF-Analyse mit dem Titel „So schmeckt Zukunft. Der kulinarische Kompass für eine gesunde Erde. Wasserverbrauch und Wasserknappheit“, die am Donnerstag erschien. In der Studie geht es um die Frage, wie viel Bewässerung (sogenanntes blaues Wasser) für welche Lebensmittel und Ernährungsweisen nötig ist.
Der Artikel der SZ beginnt wie mit den Worten „Eine Studie zeigt: Wer sich vegan oder vegetarisch ernährt, kann der Umwelt mehr schaden als ein Fleischesser, weil viele Pflanzen bewässert werden müssen“. Es stimmt: Der WWF kommt zu dem Ergebnis, dass für Obst und Gemüse mehr Bewässerung nötig ist als für den Anbau von Tierfutter – und somit für tierische Produkte. Die Einleitung der SZ suggeriert jedoch, dass aufgrund der Bewässerung die Gesamt-Umweltbilanz einer fleischfreien Ernährung schlechter ist. CO2-Bilanz, Flächenverbrauch, Bodengesundheit und weitere Aspekte betrachtet die Studie aber gar nicht.
Später im Artikel wird die SZ immerhin genauer und vergleicht die Ernährungsweisen nur anhand des kritischen Wasserverbrauchs: „Es sind nicht etwa Fleischesser, die durch ihren Ernährungsstil den größten kritischen Wasserverbrauch verursachen, sondern Veganer“. Mit 45,4 Kubikmetern Wasser pro Person und Jahr hätten Veganer:innen mit ihrem „derzeitigen Ernährungsstil den höchsten Bewässerungsbedarf“, schreibt die SZ weiter und veranschaulicht das Ganze mit einer Grafik (die ist inhaltlich nicht ganz richtig, wie wir später zeigen). Fleischesser:innen kämen hingegen nur auf 29,2 Kubikmeter. Hier kann leicht der Eindruck entstehen, dass eine vegane Ernährungsweise schlecht für die Umwelt ist.
Das ist allerdings nicht die Botschaft der WWF-Studie. Wir haben uns genauer angesehen, was drinsteht.
Was schreibt der WWF?
Im Jahr 2019 stellte die EAT-Lancet-Kommission die „Planetary Health Diet“ vor. Dabei handelt es sich um einen Ernährungsplan, bei dem sowohl gesundheitliche als auch Umweltaspekte bestmöglich berücksichtigt werden sollen. Die Empfehlungen sind weltweit gültig, können aber an regionale Gegebenheiten angepasst werden. Der WWF tat dies und kreierte basierend auf den deutschen Ernährungsgewohnheiten drei Szenarien für ihren „Kulinarischen Kompass“: Ernährungspläne für flexitarische, vegetarische und vegane Ernährung.
Im neuesten Teil der Analyse fokussierte sich der WWF auf das Thema Wasser, genauer gesagt „blaues Wasser“. Anders als Regen- oder Bodenwasser („grünes Wasser“), ist blaues Wasser Grund- oder Oberflächenwasser, das zur Bewässerung der Pflanzen genutzt wird, wenn das grüne Wasser nicht ausreicht.
Um die derzeit in Deutschland konsumierten Lebensmittel herzustellen, sind laut WWF rund 2,4 Milliarden Kubikmeter blaues Wasser pro Jahr nötig oder rund 242 Badewannen pro Person (29,2 Kubikmeter). 82 Prozent davon entfallen auf pflanzliche und 18 Prozent auf tierische Lebensmittel. Von den 82 Prozent für pflanzliche Lebensmittel entfallen wiederum große Anteile auf Zitrusfrüchte, Reis und Mandeln.
Die 29,2 Kubikmeter Bewässerungsmenge der derzeitigen Ernährung vergleicht der WWF mit der Bewässerungsmenge, die für die drei Ernährungsszenarien aus ihrem Kulinarischen Kompass nötig wäre. In allen drei Fällen steigt der Wasserverbrauch, am stärksten bei einer veganen Ernährung – auf 45,4 Kubikmeter. (Das sind die Zahlen, die auch die SZ in ihrer Grafik verwendet, allerdings ohne zu erwähnen, dass es sich bei den Zahlen für vegetarische und vegane Ernährung lediglich um Szenarien handelt, während „normale Kost inklusive Fleisch“ die durchschnittliche Ernährung der Deutschen widerspiegelt.)
Doch warum schneidet die vegane Ernährung beim Verbrauch von blauem Wasser so schlecht ab? Das liegt laut WWF daran, dass 63 Prozent des in Deutschland konsumierten Obsts und 80 Prozent des Gemüses importiert werden, und zwar in großen Teilen aus trockenen Regionen wie Südspanien. Anbauflächen im regenreicheren Deutschland werden hingegen zum Großteil für Tierfutter genutzt. Das übrige Tierfutter kommt – mit Ausnahme der USA – ebenfalls aus Gegenden, in denen kaum Bewässerung nötig ist. Daher schneiden Tierprodukte im Hinblick auf blaues Wasser besser ab. Außerdem wurde das Wasser, das die Tiere trinken, nicht einberechnet.
Obst und Gemüse sorgen also für Wasserknappheit in anderen Ländern und tierische Nahrungsmittel nicht? So einfach ist es nicht, das schreibt auch der WWF: „Dennoch kann sich auch der Anbau von Futtermitteln in manchen Regionen erheblich auf den Wasserkreislauf auswirken und die Gefahr von Dürren erhöhen. Ein Beispiel mit sogar globalen Auswirkungen auf Wasserkreisläufe ist die weiterhin voranschreitende Zerstörung des tropischen Regenwaldes.“ Das zeigt: Eine Reduzierung von blauem Wasser ist wichtig, um Wasserknappheit zu begegnen, es ist aber nicht die alleinige Lösung.
Um die Wasserknappheit zu reduzieren, schlägt der WWF verschiedene Maßnahmen vor, unter anderem, dass die Ernährungsempfehlungen der EAT-Lancet-Kommission für Deutschland angepasst werden. Dazu zählt allerdings nicht die Erhöhung des Fleischkonsums. Stattdessen schlägt der WWF vor, die bei Deutschen beliebten, aber wasserintensiven Zitrusfrüchte und Mandeln teilweise durch Nährstofflieferanten zu ersetzen, die auch in Deutschland angebaut werden können, zum Beispiel Beeren oder Hasel- und Walnüsse. Weitere Schritte umfassen unter anderem
- wasserschonendere Produktionsweisen, zum Beispiel durch Bodenbegrünung und effizientere Bewässerungstechnik,
- politische Maßnahmen, zum Beispiel in Bezug auf Agrarsubventionen und das Lieferkettengesetz,
- verantwortungsvolleres Handeln der Wirtschaftsakteure.
„Es ist nicht damit getan, lediglich den Konsum zu verändern. Mit Blick auf das Thema dieses Berichts muss sichergestellt werden, dass die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten hin zu einer pflanzenbasierten Ernährung durch wasserschonend angebaute pflanzliche Lebensmittel möglich wird“, so der WWF.
Was schreibt die SZ nicht?
Die SZ hat nicht unrecht mit der Behauptung, dass für eine vegane Ernährung mehr Bewässerung benötigt wird, als für eine Ernährung mit Tierprodukten – so schreibt es der WWF. Der WWF schreibt jedoch auch eine ganze Menge andere Dinge, die bei der SZ keine Erwähnung finden. Die Forderung des WWF, vermehrt auf heimischen Anbau zu setzen, wird immerhin indirekt deutlich. Dass Mandelmilch eine bessere CO2-Bilanz als Kuhmilch hat, ist zumindest ein Hinweis auf die schlechte Klimabilanz von Tierprodukten.
Der große Flächenverbrauch von Tierprodukten, Anbaumethoden bei denen selbst in Spanien ohne Bewässerung Lebensmittel kultiviert werden können und die Forderung des WWF nach weniger Fleischkonsum finden hingegen keine Erwähnung. Stattdessen stürzt sich die SZ auf den hohen Wasserverbrauch von Mandelmilch, als wäre sie aller Veganer:innen liebstes Getränk. Sie schreibt, dass „der gute Ruf [von Mandelmilch] bröckelt“. Dabei dürfte vielen Veganer:innen bewusst sein, dass Mandelmilch bei weitem nicht die beste pflanzliche Alternative zu Kuhmilch ist.
Utopia meint: Es ist nicht Aufgabe der SZ, Sprachrohr des WWF zu sein und sämtliche Forderungen wiederzugeben. Dass aber bei so einem wichtigen Thema – unserer Umwelt und damit Lebensgrundlage – in Kauf genommen wird, dass irreführende Headlines und Aufmacher ein falsches Bild zeichnen, ist mehr als schade.
Wasserknappheit ist ein Problem, gegen das wir etwas tun müssen – aber nicht, indem wir viel Fleisch essen. Was du stattdessen tun kannst:
- regionales Obst und Gemüse kaufen, zum Beispiel von einer Solawi,
- eigenes Gemüse anbauen – auch ohne Garten,
- Nüsse, Beeren und Kräuter sammeln (wo das möglich ist, zeigt die Karte von mundraub.org),
- Obst von Bäumen mit gelben Bändern ernten,
- dich über virtuelles Wasser informieren,
- dich für eine nachhaltigere Agrar- und Ernährungspolitik einsetzen, zum Beispiel, indem du am 26. September wählen gehst.
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