Das ultraschnelle Handynetz 5G sorgt für viel Verunsicherung. Ist die neue Technologie wirklich so gefährlich? Wir geben einen Überblick über die Faktenlage und klären die wichtigsten Fragen.
Die Angst vor Handystrahlung ist so alt wie der Mobilfunk selbst. Heiß wird das Thema erneut mit 5G – dem kommenden Mobilfunkstandard, der neue Chancen und Risiken birgt. Die ersten Betreiber starten bereits ihre Netze. Utopia sagt dir, wie es um den Ausbau steht – und was du über die Technologie 5G wissen solltest.
1. Was ist überhaupt 5G?
5G bezeichnet die „fünfte Mobilfunkgeneration“. Sie folgt auf 2G (auch GSM, damit ließen sich erstmals SMS verschicken), 3G (UMTS) und 4G (LTE). Der Umstieg ist langwierig: Um 5G nach und nach Platz zu machen, wird UMTS (3G) schrittweise abgebaut und ersetzt. „4G und 5G-Netze werden gemeinsam, beziehungsweise parallel betrieben, so dass der Ausbau stufenweise erfolgen kann“, teilt das Informationszentrum Mobilfunk auf seiner Webseite mit.
2. Was soll 5G bringen?
5G bietet vor allem mehr Geschwindigkeit. Das Herunterladen von großen Datenmengen soll rund 100 Mal schneller ablaufen als bei LTE (4G), auch die Verzögerung bei der Übertragung (Latenz) soll geringer ausfallen. Beispiel: Ein 5G-fähiges Smartphone könnte über eine mobile 5G-Datenverbindung den Inhalt einer ganzen DVD innerhalb von vier Sekunden laden, schreibt die Telekom.
Datenkommunikation (fast) in Echtzeit ist das größte Versprechen der neuen Technik: 5G könnte in einer vernetzten Welt zum Beispiel ermöglichen, dass Operationen ferngesteuert werden, intelligente Maschinen sich austauschen und autonome Fahrzeuge auf den Straßen rollen können.
3. Wie genau soll das mit 5G funktionieren?
Mobilfunk arbeitet mit elektromagnetischer Strahlung in unterschiedlichen Frequenzbereichen. Bereiche von 100 Kilohertz bis 300 Gigahertz gelten als hochfrequent – je höher die Frequenz, desto kürzer die Reichweite der Wellen. Und desto mehr Antennenanlagen sind nötig, damit die Nutzer noch Empfang haben. Der jetzige Mobilfunk nutzt Frequenzen von etwa 800 Megahertz bis 2,6 Gigahertz.
Für 5G wird die bisherige Infrastruktur ausgebaut: Es kommt ein höheres Frequenzspektrum dazu und es werden viel mehr Antennen benötigt. In den Städten gibt es neue Minisender, die sich näher an den Menschen befinden und die gezielter senden. Auch vorhandene Ampeln und Straßenlaternen sollen dafür genutzt werden. Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikation rechnet für die Nachrüstung mit bis zu 750.000 neuen Sendeanlagen (für 4G waren es 2018 noch 78.000 Masten).
4. Um welche Strahlung geht es bei 5G – und gibt es dann mehr davon?
Zum Teil wird die Mobilfunkstrahlung bei 5G in denselben Frequenzbereichen liegen wie jene, die uns heute schon umgibt. Bei der Frequenzversteigerung der Bundesnetzagentur waren im Juni 5G-Frequenzen um 2,0 Gigahertz sowie 3,6 Gigahertz unter den Hammer gekommen. Diese wurden teils schon von UMTS (3G) genutzt oder liegen nur wenig höher als bisher. Da man jedoch wahrscheinlich die Infrastruktur von 3G für die von 5G opfern wird, ergibt sich vorerst nicht zwangsläufig eine höhere Gesamtstrahlung.
Allerdings sollen in der nächsten Ausbaustufe weitere Frequenzbereiche hinzukommen. Darunter sind solche, die bislang noch nie verwendet worden sind – um 26 Gigahertz oder sogar bis zu 86 Gigahertz. Für diese Bereiche wird eine andere Technik genutzt, mit mehr Sendern in größerer Nähe zum Menschen, aber jeweils mit geringerer Sendeleistung. Aufgrund dieser gegenläufigen Veränderungen lässt sich noch nicht konkret abschätzen, wie sich dadurch die Immission verändern könnte – also der Anteil der ausgesendeten Strahlung, die tatsächlich beim Empfänger ankommt.
Außerdem seien die hohen Frequenzen dem lokalen Einsatz vorbehalten, zum Beispiel in der Industrie oder an Flughäfen, und es soll kein flächendeckendes 26-Gigahertz-Netz geben. Das teilte die Bundesnetzagentur der Verbraucherorganisation Stiftung Warentest mit.
5. Macht uns diese Strahlung krank?
Diese Frage lässt sich (noch) nicht eindeutig beantworten – eben, weil es bei 5G einerseits um bereits eingesetzte Frequenzbereiche geht, und andererseits um Neuland. „Da die jetzt versteigerten Frequenzen in ähnlichen Bereichen wie 4G und 3G liegen, sind diese 5G-Frequenzen gesundheitlich nicht anders zu bewerten“, sagte Sarah Drießen vom Forschungszentrum für elektromagnetische Umweltverträglichkeit an der RWTH Aachen dem ZDF.
Das klingt zunächst einmal gut. Allerdings ist auch für die Handystrahlung, der wir heute schon ausgesetzt ist, die Studienlage lückenhaft. Klar ist, dass Mobilfunkstrahlung ein Stück weit in den Körper eindringt und Moleküle in Bewegung bringt, wodurch Wärme entsteht – zum Schutz davor gibt es Grenzwerte. Ob es weitere „nicht-thermische“ Effekte gibt und wie diese funktionieren, ist noch nicht eindeutig geklärt.
Zwar ist nicht bewiesen, dass die Strahlung die Gesundheit schädigt – das Gegenteil aber auch nicht. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) folgerte 2011 nach der Auswertung zahlreicher Studien, dass hochfrequente elektromagnetische Felder, also auch Mobilfunk, „möglicherweise krebserregend“ sind.
Für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) besteht deshalb durch Mobilfunk nach derzeitigem Kenntnisstand zwar noch kein gesundheitliches Risiko. Bei sehr intensiver Handynutzung seien die Ergebnisse aber unklar und auch beim Thema Langzeitwirkungen bestünden Unsicherheiten.
Bei den höheren Frequenzen über 20 Gigahertz sieht die Sache anders aus: Hier mahnt auch das BfS zu einem umsichtigen Ausbau und schreibt: „Zwar ist davon auszugehen, dass auch in diesen Bereichen unterhalb der bestehenden Grenzwerte keine gesundheitlichen Auswirkungen zu erwarten sind. Da für diesen Bereich bislang jedoch nur wenige Untersuchungsergebnisse vorliegen, sieht das BfS hier aber noch Forschungsbedarf.“
6. Wie ist die Studienlage zu den Risiken von 5G?
Gegner von 5G halten die Technologie für gefährlich und unberechenbar. Wilfried Kühling etwa, der den wissenschaftlichen Beitrat des BUND leitet, äußerte seine Besorgnis kürzlich im „Morning Briefing Podcast“ von Gabor Steingart: Es sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass die hochfrequenten Mobilfunkstrahlen Hirnströme beeinflussen; Erbinformationen würden destabilisiert. Er gab auch zu bedenken, dass ein Medikament, das sich im Tierversuch als krebserregend erweist, vom Markt genommen wird – während das im Bereich Mobilfunk nicht der Fall sei.
„Aufgrund der weitverbreiteten Handynutzung würde selbst ein nur leicht erhöhtes Krebsrisiko ernste Folgen für die öffentliche Gesundheit haben“, wird der Toxikologe Ronald Melnick mit einer ähnlichen Einschätzung im Spiegel zitiert. Melnick steht auch hinter einer von zwei Langzeitstudien, die das gesundheitliche Risiko von Mobilfunkwellen untersuchten: eine Studie des National Toxicology Program (NTP) des US-Department of Health and Human Services. Die zweite Studie stammt vom Ramazzini-Institut in Italien.
Die Forscher setzten dabei Ratten und Mäuse über mehrere Jahre für mehrere Stunden am Tag intensiver Handystrahlung aus. Das Ergebnis: Männliche Ratten hatten ein höheres Risiko, Tumore am Herzen zu entwickeln – und möglicherweise auch am Hirn. Studien in Deutschland kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Zahlreiche kleinere Studien untersuchten bereits die Zusammenhänge zwischen elektromagnetischen Feldern und Erbgutveränderungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.
Die Aussagekraft dieser Ergebnisse ist jedoch unter Wissenschaftlern umstritten – auch das BfS sieht „methodische Schwächen und Inkonsistenzen“. Oft wird an den bisherigen Forschungen kritisiert, dass sich Tierversuche nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen. Zudem sei laut dem BfS bei der NTP-Studie eine unrealistisch hohe Strahlung gewählt worden. Diese könne man nicht direkt mit der Strahlenbelastung vergleichen, der wir im Alltag wirklich ausgesetzt sind.
9. Wer leistet Widerstand gegen 5G?
„Wir wissen nicht sicher, ob die mobile Datenübertragungstechnik gesundheitliche Risiken mit sich bringt, aber wir können es auch noch nicht ausschließen“, sagte der deutsche Umweltpolitiker und Biologe Ernst-Ulrich von Weizsäcker laut dem Tagesspiegel. Die Politik müsse deshalb „darauf bestehen, dass die Gesundheitsrisiken, die mit der allgegenwärtigen Hochfrequenzstrahlung für mobile Geräte verbunden sind, untersucht werden, bevor wir die gesamte Bevölkerung immer höheren Werten der elektromagnetischen Felder aus dieser Technologie aussetzen.“
Weizsäcker ist einer von mehr als 134.000 Unterzeichnern (Stand: 2. August 2019) des internationalen Appells „Stop 5G on Earth and Space“. Darin warnen mehr als 200 Wissenschaftler, Mediziner und Umweltschutzorganisationen vor dem Mobilfunknetz-Ausbau. „Der Einsatz von 5G bedeutet ein Experiment mit der Menschheit und der Umwelt“, heißt es in der Petition, es drohten eine massive Zwangsexposition mit irreversiblen Konsequenzen für die Menschheit und die Ökosysteme der Erde.
In Deutschland gibt es außerdem die Initiative „Stoppt 5G“, die auf einer Webseite Forderungen formuliert sowie Informationen und Links zu weiteren Petitionen und Appellen gesammelt hat.
10. Und wer profitiert nun eigentlich von 5G?
Trotzdem gibt es auch jede Menge Euphorie für 5G – in erster Linie von Seiten der Politik, der Wirtschaft und der Netzbetreiber. Da die Technologie neue Perspektiven eröffnet, wird sie von der Europäischen Kommission gar als „Schlüsselfaktor der europäischen Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt“ betrachtet. Künftige 5G-Verfügbarkeit ist laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom jedem zweiten Unternehmen wichtig.
Profitieren werden Online-Gamer, die sich für neue, anspruchsvolle Multiplayer-Spiele oder für Augmented-Reality-Anwendungen begeistern, schreibt das Tech-Portal „heise“. „Normale“ mobile Anwender hätten dagegen nicht viel von dem neuen Standard, da LTE für gängige Internetanwendungen auf dem Smartphone völlig ausreiche.
Der neue Mobilfunkstandard ist auch ein Prestigeprojekt der großen Koalition, die sich damit technisch progressiv zeigen kann. Die Wahrheit ist aber: Selbst 4G gibt es nicht flächendeckend, LTE-Funklücken sind allgegenwärtig (siehe Karte beim „Tagesspiegel“). Und von einem eigenen Digitalministerium, das sich um solche Belange kümmert, können wir nur träumen.
11. Bekommen wir wirklich alle durch 5G schnelleres Internet?
Abseits der Großstädte: eher nein. „Das superschnelle 5G wird sich im ländlichen Räumen kaum lohnen, da es nur gut 100 Meter weit reicht“, sagt Brandon Gill vom unabhängigen Mobile-Analytics-Unternehmen Opensignal dem Tagesspiegel. „Der Schwerpunkt des 5G-Ausbaus wird zunächst dort liegen, wo mehr Kapazität und Bandbreite dringend erforderlich ist, z.B. an stark frequentierten Orten wie in Innenstädten, Sportstadien oder Flughäfen“, schreibt auch das Informationszentrum Mobilfunk.
Hinzu kommt: Damit Nutzer 5G überhaupt verwenden können, brauchen sie neben dem richtigen Wohnort (mit einem gut ausgebauten Netz) auch ein entsprechendes Handy und einen 5G-fähigen Mobilfunktarif. Beides hat sich längst noch nicht durchgesetzt. Selbst aktuelle Geräte wie Fairphone 3 und Shift 5me haben es noch nicht. Erste Geräte, die es haben, sind astronomisch teuer (wobei sich das natürlich noch entwickeln wird).
Laut einem Bericht der Bundesnetzagentur, der dem Spiegel vorliegt, wurden Ende 2018 nur 47 Prozent der eingesetzten Karten in Deutschland mit LTE (4G) genutzt – der Rest hing noch im 3G-Netz fest. Wenn also tatsächlich 3G demnächst komplett abgeschaltet wird (laut Spiegel peilt Vodafone 2020/2021 an), müssen Betroffene technisch nachrüsten – oder sie werden automatisch auf das veraltete, langsame 2G-Netz zurückgestuft. Damit würde der 5G-Ausbau manchen Menschen paradoxerweise das Gegenteil bescheren: ein langsameres Internet.
12. Wie ist der Stand des 5G-Ausbaus in Deutschland?
Telekom-Technik-Chef Walter Goldenits sagte: „Bis zum Jahr 2025 wollen wir 99 Prozent der Bevölkerung mit 5G versorgen und 90 Prozent der Fläche Deutschlands abdecken“. Ganz schön ambitioniertes Ziel – und ein ziemlich weiter Weg. Da der Ausbau nur schleppend vorankommt, hat Bundesinfrastrukturminister Andreas Scheuer (CSU) jetzt Länder und Kommunen dazu aufgerufen, den Mobilfunkausbau voranzutreiben – mit Maßnahmen wie jener, dass Ampeln und Laternenmasten zu Sendern umgerüstet werden sollen.
Derzeit erstellt die EU außerdem eine Risikobewertung für die Sicherheit der 5G-Netze. Dabei geht es vor allem darum, welche Spionage-Risiken eine Beteiligung von Huawei am Aufbau der Netze birgt – der chinesische Konzern ist ein führender Anbieter von 5G-Technik und wird von bestimmten Interessensgruppen der Spionage verdächtig (weist dies aber von sich).
In Deutschland haben vier Unternehmen 5G-Frequenzen ersteigert: Telekom, Vodafone, Telefonica-O2 und 1&1. Aber sie erhielten auch eine Auflage: Bis Ende 2022 müssen mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland mindestens 100 MBit pro Sekunde im Download haben.
5G ist bereits in den ersten deutschen Städten freigeschaltet worden (darunter Düsseldorf, Köln und Dortmund) und kann daher punktuell und exklusiv von einigen Menschen genutzt werden. Ende dieses Jahres sollen schon große Teile Deutschlands über den neuen Mobilfunkstandard verfügen – ob das wirklich klappen wird, bleibt abzuwarten.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Elektrosmog: So gehst du mit der Strahlung im Alltag um
- Babyphone-Test: Tipps für strahlungsarme Überwachung
- Warum zu viel Zeit am Handy das Leben verkürzen kann
Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.
** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.War dieser Artikel interessant?
- Commown: Die Kooperative für nachhaltige Elektronik
- Facebook-Alternative: Soziale Netzwerke im Überblick
- Gebrauchtes Handy verkaufen: Darauf solltest du achten
- Batterien entsorgen: So geht es richtig
- Handy auf Fernreisen: 10 Tipps, damit alles glatt läuft
- PC reinigen: So werden dreckige Computer wieder sauber
- Home Office: Tipps, wie du jetzt effizient von Zuhause aus arbeitest
- Smartphone-Sucht: Dieser einfache Trick kann bei Handy-Sucht helfen
- Fairphone 3 im Test: das reparierbare Smartphone wurde noch besser