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Acai-Beeren: Das steckt wirklich hinter dem Superfood

Acai
Foto: © Luis Echeverri Urrea - Fotolia.com

Seit die amerikanische Talkmasterin Oprah Winfrey die kleinen dunkelblauen Acai-Beeren in einer ihrer Shows vorgestellt hat, ist in Amerika ein regelrechter Hype entstanden. Hollywood-Stars schwärmen von den Wunderbeeren, die angeblich Fettpölsterchen verschwinden lassen und Falten auslöschen können.

Acai Bowl (eine Mischung aus Acai-Püree mit Bananen und anderen Zutaten) ist das neue In-Gericht. Täglich eine Schüssel und schon wird aus dem hässlichen Entlein ein schlanker Supermodel-Schwan. Und weil wir gerade so schön dabei sind, heilen die Beeren angeblich auch so gut wie alle Krankheiten – Krebs, Aids, alle Altersbeschwerden und Stoffwechselprobleme selbstverständlich mit eingeschlossen. Schließlich kommt die Palmfrucht aus dem Amazonas-Gebiet, in dem zahlreiche bis dato unbekannte pflanzliche Heilmittel vermutet werden. Lauter gute Gründe, in der Acai-Beere ein echtes Superfood zu vermuten – das so nebenbei auch noch zum Retter des Regenwalds ausgerufen wird.

Doch steckt in diesen Behauptungen auch wirklich so viel Wahrheit? Oder ist das am Ende doch auch nur viel Lärm um Nichts?

Acai-Beere: Was ist das eigentlich genau?

Acai (korrekt geschrieben eigentlich Açaí, gesprochen Assa-i) sind die Früchte der südamerikanischen Euterpe oleracea, der Kohlpalme. Eine Acai-Beere ist daher eine Steinfrucht, die in den natürlichen Verbreitungsgebieten schon seit Jahrhunderten als Nahrungsmittel genutzt wird. Die etwa ein bis zwei Zentimeter große, blauschwarze Frucht wächst in der bis zu 25 Meter hohen Krone der Kohlpalme.

Heimisch ist die Acai-Palme im AmazonasGebiet. Dort wächst sie vor allem in von Gezeiten beeinflussten Brackwassersümpfen und Überschwemmungsgebieten. Die landwirtschaftlich genutzten Hauptvorkommen liegen in Brasilien, in den Regionen Amapá und Pará. Die Palme bildete mehrere schlanke Stämme mit den typischen „Palmwedeln“ als Krone. Eine Acai-Beere besteht etwa zu 90 Prozent aus dem Kern, verarbeitet und gegessen wird nur die fleischige Schale. Der Geschmack ist auch nicht jedermanns Sache, die Beschreibungen reichen von fruchtig-schokoladig bis hin zu bitter-zusammenziehend.

Acai
Die blauschwarzen Beeren an einer Palme. (Foto: © CostaPPPR - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0)

Verarbeitung der Beere zumeist als Acai-Pulver

Im Deutschland sind, wie auch im übrigen Europa, frische Acai nicht zu bekommen, gefrorene Beeren nur ganz selten. Teilweise gibt es tiefgefrorenes Fruchtpüree, meist werden die dunkelblauen Früchte aber in Pulverform angeboten. Warum eigentlich? Nun, die Ernte ist Handarbeit, und die Früchte sind sehr empfindlich und wenig lagerfähig. Zum Pflücken der Beeren klettern Plantagenarbeit mit Fußschlingen die glatten Stämme der Palme hinauf, da die Acai ganz an der Spitze wachsen. Gesammelt werden sie frühmorgens in einem Korb, der etwa 14 Kilogramm fasst, ab Mittag werden die Beeren bereits auf dem Markt verkauft oder in einer Fabrik zu Acai-Saft oder -Püree verarbeitet. Alles, was bis abends nicht verkauft ist, muss weggeworfen werden, da die Beeren sonst schimmeln oder faulen. Einen mehrtägigen Transport nach Europa per Schiff würden die Früchte nicht überstehen.

Sie im Ganzen einzufrieren macht auch wenig Sinn, da der Hauptbestandteil der Kern ist. Daher werden die Acai-Beeren gewaschen, erhitzt, entkernt und püriert. In Südamerika wird der Saft frisch oder gefroren als Sorbet genossen. Für den europäischen Markt wird das Püree zum Pulver getrocknet (das verringert Transportvolumen und Gewicht und verlängert die Haltbarkeit) oder tiefgefroren und haltbar gemacht.

Gehyptes Superfrühstück: Acai Bowl oder Smoothie

Brasilianerinnen gelten als durchweg schöne Frauen. Ihr Geheimrezept, so wird behauptet, sei die Acai Bowl. Dafür wird in der Ur-Version Acai-Fruchtpüree mit Guarana und geschnittenen Bananen vermischt. Der Mix soll den Stoffwechsel ankurbeln und Falten verhindern. Stars und Sternchen schwören auf die Acai Bowl, und auch hierzulande gilt sie immer mehr als Superfrühstück.

Sie ist auch ganz einfach herzustellen: Man nehme Acai-Püree, ein oder zwei geschnittene und tiefgefrorene Bananen, dazu je nach Geschmack andere Beeren oder Früchte, Kokosmilch, Milch oder Milchersatz, Agavendicksaft oder Honig. Alle Zutaten in einen Mixer geben und fein pürieren, da Püree in eine Schüssel füllen und garnieren, fertig.

Klingt wie ein Acai-Smoothie? Ist es im Prinzip auch, nur eben zum Löffeln. Nicht ganz so kreative Köche können sich von Ideen und Beispielen im Internet inspirieren lassen. Funktioniert übrigens auch mit Acai-Pulver, nur nicht so gut wie mit dem gefrorenen Püree.

Gesunde Supermodels dank Acai Bowl?

Die Brasilianerinnen und die Hollywood-Stars schwören darauf, und die sind schließlich schlank und schön. Außerdem versprechen die Hersteller von Tabletten, Kapseln und anderen Produkten mit Acai-Pulver, ihnen lägen Studien vor, die diese Wirkung beweisen. Tatsächlich konnten Forscher in einer Studie aus dem Jahr 2011 bei übergewichtigen Personen positive Effekte der Acai auf Blutdruck, Cholesterinspiegel und Blutzuckerspiegel nachweisen.

Also ran an die Acai Bowl, fertig, abnehmen und nebenbei auch noch Falten und Krebsrisiko reduzieren? Leider nein. Eine Meta-Analyse von Studien zur Acai zeigt, dass all die angeblichen Beweise (mit der oben genannten Ausnahme) gar nicht an Menschen erforscht wurden. Zellkulturen in Reagenzgläsern, Mäuse und Ratten sind nun einmal keine sicheren Nachweise für die Wirkung der Frucht. Darum fällt das Urteil der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde auch eher negativ aus.

Acai-Fruchtpüree
In Südamerika beliebt: Acai-Fruchtpüree. (Foto: © Gervásio Baptista/ABr)

Gesünder als einheimisches Beerenobst?

Die Beeren weisen eine Menge Omega-3-Fettsäuren, viele Vitamine und Mineralstoffe auf. Die dunklen Farbstoffe enthalten gleichzeitig auch wertvolle Antioxidantien wie Flavonoide. Ballaststoffe in der essbaren Schale sorgen für ein höheres Sättigungsgefühl. In den Herkunftsregionen der Acai bekommen schon Kinder das Fruchtpüree und sind damit entspannter und gesünder. Sagen zumindest die Brasilianer.

Also ja, Acai-Beeren sind gesund – so wie jedes andere Beerenobst mit dunkler Farbe auch. In heimischen Brombeeren und vor allem Heidelbeeren stecken übrigens etwa gleich viel Vitamine und Mineralien, dazu aber deutlich mehr Antioxidantien.

Die Acai als (angebliche) „Retterin des Regenwalds“

Der Regenwald ist definitiv eines der von Umweltzerstörung am meisten bedrohten Gebiete. Hektarweise werden Bäume gefällt: zur Gewinnung von Tropenhölzern, als Weideland für die Rindfleischproduktion, zum Anbau von (gentechnisch manipuliertem) Getreide, zur Ausbeutung der Bodenschätze. Für die Acai-Ernte dagegen müssen (und dürfen) keine Bäume gefällt werden. Die Kohlpalme wächst in sumpfigen Gebieten, die sonst schwer nutzbar wären. Und die immer weiter steigende Nachfrage nach den kleinen dunkelblauen Früchten sorgt für ein gesichertes Einkommen der Bewohner der Herkunftsregionen.

Das US-Unternehmen SAMBAZON ist eines der größten auf dem Acai-Markt in den USA. Es setzt besonders auf Fairtrade und Ökozertifikate, gründete die Initiative „Sustainable Amazon Partnership“ für nachhaltigen -Anbau – und wird dafür als „Retter des Regenwalds“ gefeiert. Prinzipiell auch eine gute Sache, dass der Hype um das angebliche Superfood direkt den Menschen in der Herkunftsregion zugutekommt. Fände sich nicht auch in dieser Suppe ein ziemlich großes Haar.

Acai-Beeren
Sehen ähnlich aus wie unsere schwarzen Johannisbeeren, sind aber Steinfrüchte mit einem großen Kern. (Foto: © Marajonida)

Die sehr zweifelhafte Nachhaltigkeit

Gut, für den Anbau müssen keine Bäume gefällt werden, was zur Erhaltung des Regenwaldes beiträgt. Durch die geografisch beschränkten Anbaugebiete profitieren die Bauern von der enorm gestiegenen Nachfrage. Monokulturen und Massentierhaltung in Brasilien können etwas zurückgedrängt werden. Im Vergleich zu anderen Superfoods wie Goji-Beeren oder Ananas klingt das geradezu paradiesisch nachhaltig.

Dumm nur, dass dabei ein paar andere Fakten zur Ökobilanz unter den Tisch gekehrt werden:

  1. Der lange Transportweg. Acai kommen aus Südamerika und wachsen nirgendwo sonst. Das bedeutet, bis sie bei uns in den Handel kommen, sind sie einmal um die halbe Welt gereist. Nicht gerade umweltschonend.
  2. Die Verarbeitung. Die geernteten Beeren verderben schnell. Dadurch ist eine Verarbeitung innerhalb von 36 Stunden notwendig, und die braucht viel Energie, weil die Früchte maschinell gewaschen, erhitzt, entkernt und püriert werden.
  3. Die Kühlung oder Trocknung. Auch die verarbeiteten Beeren halten nicht lange. Damit sie in Europa überhaupt verkauft werden können, muss das Püree entweder zu Pulver getrocknet werden – oder tiefgefroren und mit Kühlkette transportiert. Beides verbraucht viel Energie.

Utopia-Fazit: Besser ist noch lange nicht gut!

Unser abschließendes Urteil fällt nicht gut aus. Ja, die Beere ist gesund und enthält viele wertvolle Nährstoffe und Antioxidantien. Die findet man aber halt auch in heimischen Früchten und Beeren. Speziell alle dunkelblauen Beeren wie Heidelbeeren und Brombeeren übertrumpfen die Acai in dieser Kategorie sogar. Und ja, die Nachfrage nach dem Superfood trägt ein bisschen zum Schutz des Regenwalds bei.

Das war’s aber auch schon mit den Pluspunkten. Medizinische Wirkung und Schlankmacher? Alles nur Werbeversprechen. Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis dafür, und die wirksamen Substanzen findest du in den heimischen Beeren genauso. Dann wäre da noch die schlechte Ökobilanz wegen energieaufwendiger Verarbeitung und langer Transportwege.

Deshalb: Wir setzen lieber auf Heidelbeeren und Co. Die schmecken genauso gut, wenn nicht besser, kommen aus Mitteleuropa (oft sogar aus unmittelbarer Nähe), enthalten ebenso viel oder sogar mehr gesunde Nährstoffe und sind als Bio-Produkte ökologisch relativ verträglich.

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