Acerola: Vitamin-C-Bombe und Superfood fürs Immunsystem? Von Julia Pfliegl Kategorien: Ernährung Stand: 29. Januar 2017, 08:30 Uhr Foto: © markuso - Fotolia.com Acerola hat den höchsten Vitamin-C-Gehalt aller Pflanzen und gilt als Wundermittel gegen Erkältungen. Uns interessiert, was wirklich von ihrer Heilwirkung zu halten ist – und wir werfen auch einen Blick auf ihre Schattenseiten. Herbst und Winter: Das Wetter ist neblig, regnerisch oder stürmisch. Mit Kopfschmerzen, Halsentzündung, Husten und laufender Nase macht sich eine Erkältung bemerkbar. Fast jeden erwischt der Schnupfen einmal im Jahr, zu gern aber wollen wir der lästigen Krankheit entgehen. Und weil Oma schon immer sagte, Vitamin C sei gut gegen Erkältung, suchen wir nach verschiedenen Quellen des angeblichen Supervitamins. Wie gut, dass eine kleine rote „Kirsche“ als unglaubliche Vitamin-C-Bombe gilt: die Acerola. Der ursprünglich aus Mexiko stammenden Steinfrucht wird der höchste Vitamin-C-Gehalt einer Pflanze überhaupt nachgesagt. Kein Wunder, dass die Acerola in Form von Pulver, Kapseln oder Saft in fast jeder Hausapotheke zu finden ist. Aber das ist noch nicht alles, was die Acerola-Kirsche kann. Neben Vitamin C enthält sie noch weitere sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide, die als Antioxidantien gelten. Weswegen die Acerola auch gleich noch verjüngen und innere Organe schützen soll. Ganz schön viel für so eine kleine Frucht. Wenn das denn alles so stimmt, wie behauptet. Wo kommt die Acerola her? Beheimatet ist die Acerola in tropischen oder subtropischen Regionen, hauptsächlich in Nord- und Südamerika. Ursprünglich stammt die kleine rote Frucht aus Mexiko, genauer gesagt von der Halbinsel Yucatán. Das natürliche Verbreitungsgebiet umfasst heute Texas, Mexiko, Brasilien, Panama, Jamaika und Guatemala. Die reife Frucht kann kugelig bis zylindrisch, rot, purpurfarben oder gelb sein. Geerntet werden kann bis zu acht Mal im Jahr, da die Kirsche einen kurzen Fruchtzyklus von nur 25 Tagen hat. Außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets werden die Pflanzen noch in Asien, speziell Indien und China, kultiviert. Reif sehen sie aus wie unsere Kirschen, sie sind allerdings kleiner. (Foto: © tomazalves1 / Pixabay) Acerola-Pulver und Acerola-Saft – Verwendung und Verarbeitung Die kurze Entwicklungsspanne der Acerola hat allerdings auch ihre Schattenseiten. Die Frucht muss im perfekten Reifestadium geerntet und innerhalb von zwei Tagen verarbeitet werden, da sie sonst verdirbt. Die Ernte muss vorsichtig erfolgen, entweder von Hand oder mit speziellen Erntemaschinen, die die Kirschen von den Sträuchern schütteln, ohne die empfindlichen Früchte zu beschädigen. Danach werden sie in Kühlboxen verpackt, eingefroren und so zum Verarbeitungsort transportiert. Frisch sind die Früchte daher auf dem amerikanischen (außerhalb von Texas) und europäischen Markt so gut wie nicht zu bekommen. Erhältlich ist entweder der sauer schmeckende Saft oder aber das Pulver. Für ersteren werden die Steinfrüchte nach dem Auftauen ausgepresst und der Saft haltbar gemacht. Für das Pulver werden die Kirschen gefriergetrocknet und zu Pulver vermahlen. Das hat sich als die schonendste Methode herausgestellt, um möglichst viel der wertvollen Nährstoffe zu erhalten. Acerola wird typischerweise als natürliche Vitamin C-Quelle anderen Produkten beigemischt. Zum Beispiel in ACE-Säfte, Lutschtabletten gegen Halsentzündungen oder in angeblich das Immunsystem stimulierenden Nahrungsergänzungsmittel. Was steckt neben Vitamin C noch in der Acerola? Die kleine Steinfrucht hat unter ihrer dünnen, empfindlichen Schale jede Menge Nährstoffe versteckt. Das sehr säuerliche Fruchtfleisch hat kaum Kalorien, 100 Gramm Frischsaft sind mit 16 kcal mehr oder weniger zu vernachlässigen. Dafür stecken in derselben Menge 700 bis 4.800 mg Vitamin C (Durchschnitt: 1.700 mg), je nach Anbaugebiet und Sorte. Zum Vergleich: Der normale Tagesbedarf beträgt für Erwachsene durchschnittlich 95 mg bei Frauen und 110 mg bei Männern. Darüber hinaus enthält die Acerola noch Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphor sowie Folsäure und B-Vitamine. In der Frucht selbst stecken außerdem Flavonoide, Pektine, Carotinoide, Anthocyane (Farbstoffe) und andere sekundäre Pflanzenstoffe. Viel davon allerdings in der Schale, die bei Verarbeitung zu Acerola-Saft verloren geht. Im Pulver und den daraus hergestellten Produkten sind die Inhaltsstoffe zwar noch enthalten, allerdings durch die Gefriertrocknung in geringeren Mengen. Gemüse aus Resten selber ziehen: Wie du Karotten, Knoblauch und Co. nachwachsen lässtGalerie starten Welche Wirkung hat Acerola? Die Wirkung von Acerola beruht hauptsächlich auf dem hohen Gehalt an Vitamin C. In bestimmten Situationen, zum Beispiel Hochleistungssport, bei Infektionen oder bei Rauchern, ist unser Vitamin-C-Bedarf erhöht. Wenn die normale Ernährung diesen Bedarf nicht decken kann, ist das natürliche Vitamin C aus Acerola-Saft oder -Pulver wesentlich besser für den Körper. Im Zusammenspiel mit den anderen Bestandteilen der Acerola kann das Vitamin leichter verstoffwechselt werden und hat daher eine höhere Bio-Verfügbarkeit als synthetische Vitamine. Gemeinsam mit den anderen antioxidativen Bestandteilen der Kirsche wie Anthocyanen soll der Saft als Fänger für freie Radikale wirken. Damit ist Acerola angeblich auch entzündungshemmend, zerstört Tumore und könnte so als natürliche Therapie gegen Krebs genutzt werden. Außerdem kurbelt die Barbados-Kirsche den Stoffwechsel an und wirkt zellverjüngend. Diesen Effekt macht sich auch die Schönheitsindustrie zunutze, indem sie die Frucht in Cremes, Lotionen und Produkte zur Hautreinigung mischt. Die sekundären Pflanzenstoffe in Kombination mit dem Vitamin C der Acerola sollen zusätzlich die negativen Effekte von Adipositas mildern und eine ungesunde, fettreiche Ernährung ausgleichen. Frisch gepflückte Früchte müssen schnell verzehrt werden. (Foto: © Pexels / Pixabay) Die Acerola-Kirsche ist richtig gesund – oder? Die Liste der angeblichen Wirkungen von Acerola ist also lang und liest sich wie eine Werbeanzeige eines Herstellers von Nahrungsergänzungsmitteln. Die Vitamin-C-Bombe soll das Immunsystem ankurbeln, Stoffwechsel und Diäten unterstützen, gegen Krebs helfen, Anti-Aging-Effekte haben, negative Folgen von Übergewicht und Rauchen beseitigen können und insgesamt fitter und leistungsfähiger machen. Was wie ein übertriebenes Werbeversprechen klingt, ist auch oft eines. Im Falle der Acerola heißt das: Die Studien zu Anti-Aging, Bekämpfung von Krebs oder Adipositas wurden entweder an einzelnen Zellen im Reagenzglas oder an Mäusen im Labor durchgeführt. Für den Menschen ist das wenig aussagekräftig und liefert maximal Hinweise. Besser untersucht ist dagegen die Wirkung von Vitamin C zur Stärkung des Immunsystems – es wirkt nämlich gar nicht. Wer mehr Vitamin C zu sich nimmt, ist trotzdem nicht seltener erkältet. Vielleicht reduziert das Vitamin die Dauer der Erkältung, aber eben nur vielleicht. Dabei ist eine Überdosierung von Vitamin C nicht ganz ungefährlich. Übelkeit und Magenkrämpfe können die Folge sein, auch wenn ein Überschuss des wasserlöslichen Vitamins über die Niere ausgeschieden wird. Und dann sind da noch die Allergien. Denn Acerola kann eine Kreuzreaktion bei Latexallergie hervorrufen. Der Saft, oft Zusatz zur Anreicherung mit Vitamin C, kann durchaus zu schweren allergischen Reaktionen führen. Eine Kombination, die die Acerola nun nicht ganz so gesund erscheinen lässt, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Acerola und die Nachhaltigkeit Die Acerola-Pflanze braucht ganz bestimmte tropische oder subtropische Bedingungen, um zu gedeihen. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet liegt entsprechend auch in Süd- und Mittelamerika. Hauptanbaugebiet ist Brasilien, von dort stammt der Großteil der hier erhältlichen Acerola-Produkte. Aber auch eine Herkunft aus Guatemala, Mexiko oder Panama macht den Transportweg nicht kürzer. Hier sammelt die Barbados-Kirsche das erste Nachhaltigkeitsminus. Nächster Punkt: Die dünne Schale und der schnelle Reifeprozess machen die Acerola so empfindlich, dass sie nur verarbeitet verwendet werden kann – und Verarbeitung braucht Energie. Als dritter Minuspunkt kommt die Art des Transports hinzu. Sowohl die frisch geernteten Früchte auf dem Weg zur Verarbeitung als auch der Saft müssen mit wenig umweltfreundlichen Kühltransportern durchgeführt werden, damit die Ware nicht verdirbt. Ergibt insgesamt ein „Nicht genügend“ für die Nachhaltigkeit. Handystrahlung: So stark strahlen aktuelle Top-SmartphonesGalerie starten Besser Sandorn statt Acerola Natürlich enthält Acerola viel Vitamin C. Und natürlich brauchen wir das, um gesund zu bleiben. Ein ernährungsbedingter Mangel kommt heute jedoch kaum noch vor. Zudem ist der positive Effekt des Vitamins auf das Immunsystem wissenschaftlich eher gering. Lediglich bei extremen Anstrengungen wie im Hochleistungssport und unter Dauerstress kann Vitamin C positiv auf das Immunsystem wirken. Auch die anderen möglichen Wirkungen der Acerola-Kirsche werden nur vermutet, wissenschaftliche Beweise gibt es keine. Nimmt man nun noch die negative Ökobilanz, bekommt die Acerola keine Empfehlung von der Utopia-Redaktion. Für die Extraportion Vitamin C essen wir lieber ein bisschen Sanddorn, Hagebutten oder trinken Johannisbeersaft. 100 Gramm davon decken unseren Tagesbedarf nämlich genauso und sind dabei, wenn regional gekauft, weitaus umweltverträglicher. Weiterlesen auf Utopia.de: Ingwer, der nachhaltige Gesundmacher für Winter und Sommer Das richtige E-Bike kaufen – gut & günstig ist möglich Koffer packen: Mit einer Packliste geht es besser und nachhaltiger ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 41 14 Vielen Dank für deine Stimme! Diese Artikel könnten dich auch interessieren Kichererbsen-Salat: Ein veganes Rezept Innovationen: was nachhaltige Produktneuheiten bewirken können Chiasamen: Superfood oder Superhype? Fleischersatz: Die 7 besten Produkte und Rezepte "Das gesündeste Lebensmittel der Welt": So baust du es selbst an Food Start-ups: Braucht die Welt das wirklich? 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