Attachment Parenting: Das steckt hinter der Erziehungsmethode Von Luise Rau Kategorien: Eltern & Kinder Stand: 23. Januar 2022, 17:38 Uhr Foto: CC0 / Pixabay / Pexels Attachment Parenting soll dabei helfen die Bindung zum Kind zu erhöhen. Das soll die emotionale Stabilität fördern. Mehr zu den Grundsätzen und der Entstehung der Erziehungsmethode erfährst du hier. Attachment Parenting (AP) findest du im Deutschen auch unter den Begriffen Bindungs- oder Bedürfnisorientierte Erziehung. Laut ihren Prinzipien sollten Eltern stets die Bedürfnisse ihres Säuglings oder Babys ablesen und auf diese möglichst zeitnah reagieren. Babys lange Zeit schreien und sich selbst zu überlassen, hemmt hingegen laut AP die Eltern-Kind-Bindung. Stattdessen sei es wichtig, dem Kind in den ersten Lebensjahren so viel Sicherheit wie möglich zu geben. Dies solle die spätere Entwicklung emotionaler Stabilität begünstigen. Was ist Attachment Parenting? Der Begriff Attachment Parenting geht auf den US-amerikanischen Kinderarzt William Sears und seine Frau Martha Sears zurück. Beide zogen gemeinsam acht Kinder groß und veröffentlichten in den 1990er Jahren ihre Thesen und Gedanken in mehreren Büchern. Die Grundidee: Eine starke Bindung in den ersten Jahren führe dazu, dass diese Bindung auch im späteren Leben (zum Beispiel auch im Kindes- und Teenageralter) noch Bestand hat. Dies kann Konflikten vorbeugen und das gemeinsame Familienleben erleichtern. Um Eltern zu vermitteln, was Attachment Parenting in der Umsetzung genau bedeutet, haben die Sears die sieben B’s des APs verfasst. Diese beinhalten: Birth Bonding (Bindung bei der Geburt) Breastfeeding (Stillen) Babywearing (Tragen) Bedsharing (Gemeinsames Schlafen) Believe in Baby’s cries (Signalwirkung des Weinens) Beware of Babytrainers (Achtung vor externen Ratschlägen und strikten Programmen) Balance and Boundaries (Balance der Familienbedürfnisse und Wahrung eigener Grenzen) 1. Attachment Parenting: Birth Bonding Nach der Geburt sollten Eltern und Kind besonders viel Zeit miteinander verbingen. (Foto: CC0 / Pixabay / AntoniaRusev) Die Sears betrachten die Zeit kurz nach der Geburt als besonders sensible Periode. Jetzt ist es besonders wichtig, dass sich Mutter (beziehungsweise die gebärende Person) und Kind nah sind, um den Grundstein für Attachment Parenting zu legen. Dies entspreche auch den biologischen Voraussetzungen der Beiden: Der Säugling hat nun ein besonders hohe Schutzbedürfnis, während die Mutter einen hohen natürlichen Drang hat, ihr Kind zu umsorgen und zu behüten. Diesen biologischen Grundbedürfnissen sollten beide in den ersten Wochen ungestört nachkommen dürfen. Dabei steht also nicht das Zurückkommen in den normalen Alltag im Vordergrund. Auch viele Gäste zu empfangen, steht dem Frieden des Wochenbetts entgegen. Die Sears fokussieren sich dabei stark auf die Mutter als die gebärende Person. Tatsächlich ist es natürlich auch für das andere Elternteil schön, die Phase nach der Geburt zu begleiten und auch als emotionale Unterstützung präsent zu sein. 2. Breastfeeding (Stillen) Nach Attachment Parenting sollten Eltern ihr Kind nach der Geburt möglichst stillen. (Foto: CC0 / Pixabay / StockSnap) Stillen ist ebenfalls ein fundamentaler Teil von Attachment Parenting. Es soll dabei helfen, das Kind besser verstehen zu lernen. Zudem enthält Muttermilch viele wichtige Nährstoffe, die für die Gehirnbildung des Kindes unersetzlich seien. Laut den Sears können Eltern dies durch kein Ersatzprodukt erreichen. Zudem fördere Stillen die Bindung der stillenden Person zum Kind. Denn das Stillen setzt die Hormone Prolaktin und Oxytocin frei. Beide fördern die zwischenmenschliche Bindung und bewirken, dass das jeweilige Elternteil noch stärker die Nähe zum Kind sucht. Für das Konzept des AP ist es auch wichtig, dass das Kind den Zeitpunkt des Abstillens entscheidet, nicht die Stillende. Deshalb wird häufig Baby Led Weaning praktiziert. Hier bekommt das Baby zusätzlich zur den Stillmahlzeiten gegartes Gemüse, Brot oder Nudeln angeboten, um sich so langsam zu entwöhnen und ohne Beikost an den Familientisch zu finden. 3. Attachment Parenting: Babywearing (Tragen) Eltern sollten ihre Kinder so viel und so oft wie möglich tragen, um Nähe herzustellen. Statt Kinderwagen sollten sie also lieber auf ein Tragetuch zurückgreifen. Laut den Prinzipien von Attachment Parenting lernen sich Eltern und Kind dabei besser kennen: Das Elternteil spürt, wie sich das Kind bewegt und lernt, die Körpersprache des Kindes zu lesen. Das Baby lernt mehr über seine Umwelt und die Bewegungen und Tätigkeiten seiner Eltern. Laut den Sears sind Kinder, die oft getragen werden, zudem ruhiger und quengeln und weinen weniger. Nicht zuletzt soll regelmäßiges Tragen die Nähe und damit die Bindung zwischen Eltern und Kind fördern. 4. Bedsharing (Gemeinsames Schlafen) Gemeinsames Schlafen in der Familie kann Ängsten des Kindes entgegenwirken. (Foto: CC0 / Pixabay / StockSnap) Da Kinder und Babys nachts im Dunkeln oft Angst haben, sollten sie bei Attachment Parenting möglichst immer bei ihren Eltern schlafen können. Schon durch ihre Anwesenheit und gegebenenfalls durch beruhigende Worte und Streicheleinheiten können Eltern ihren Kindern die Ängste nehmen. Das Schlafen wird so erholsamer für das Kind. Eltern haben die Möglichkeit auch nach einem hektischen Alltag nachts umso mehr die Nähe ihres Babys zu genießen. Das Familienbett ist auch von Vorteil, wenn über einen längeren Zeitraum nachts gestillt wird – es erspart Mutter und Kind unnötiges Aufstehen und Wachwerden. 5. Attachment Parenting: Wenn das Baby weint,… Bei Attachment Parenting geht es darum, zu lernen angemessen auf das weinende Baby zu reagieren. (Foto: CC0 / Pixabay / skalekar1992) Nach den Prinzipien von Attachment Parenting sollten Eltern das Weinen ihres Kindes ernst nehmen. Es geht dabei nicht immer darum, sofort, sondern vor allem angemessen zu reagieren. Das Weinen von Babys gilt dabei als Kommunikationsmittel und ausdrücklich nicht als Manipulationsinstrument. Wenn Säuglinge und Babys weinen, haben sie also einen Grund, den Eltern ernst nehmen sollten. Für Eltern ist es demnach wichtig zu lernen, wann, warum und auf welche Weise ihr Kind weint. Mit der Zeit finden sie immer schneller und leichter den Grund heraus und können das jeweilige Bedürfnis stillen. Bei Säuglingen ist es dabei entscheidender, möglichst zeitnah zu handeln. Bei etwas älteren Babys können sich Eltern je nach dem Grund des Weinens auch mehr Zeit lassen, da das Kind bereits gelernt hat, seinen Eltern zu vertrauen. 6. Achtung vor externen Ratschlägen! Erziehung ist ein sensibles Thema, vor allem, wenn es um das eigene Kind geht. Wenn Außenstehende dann (teilweise auch gut gemeinte) Ratschläge geben, ist das nicht immer hilfreich. Vertreter:innen von Attachment Parenting warnen vor allem von Hinweisen, die darauf abzielen, mehr Distanz zwischen Kind und Eltern zu kreieren. Das können Hinweise sein wie: „Lass dein Kind doch einfach mal schreien.“ „Trag dein Baby doch nicht zu viel. Wofür gibt es Kinderwagen?“ „Verwöhn dein Kind nicht zu sehr.“ „Dein Baby muss aber schon auch ohne dich klar kommen.“ Von derartigen Ratschlägen solle man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, sondern sich weiterhin an den Bedürfnissen des eigenen Kindes orientieren. 7. Gleichgewicht und eigene Grenzen Nicht nur die Bedürfnisse des Kindes, auch deine eigenen Grenzen und Erholungspausen sind wichtig. (Foto: CC0 / Pixabay / Kingofkings_LJ) Bei Attachment Parenting geht es nicht darum, nur Opfer für das eigene Kind zu erbringen und sich selbst und seine Grenzen völlig zu vergessen. So sollten Eltern auch darauf achten, sich Erholungszeiten zu nehmen und Selbstfürsorge zu betreiben. Dafür ist es auch wichtig, dass Elternteile sich bei der Erziehung absprechen, Pflichten und Fürsorge aufteilen und sich zum Beispiel auch Hilfe von Großeltern und Freund:innen holen. Zudem ist es wichtig, dass Eltern ab dem Kleinkindalter einschätzen können, wann ihr Kind wirklich dringend sofort Zuwendung braucht und wann es auch lernen muss, abzuwarten und Rücksicht zu nehmen. Kritik am Attachment Parenting Dass eine enge Bindung zwischen Eltern und Kind wichtig für die emotionale kindliche Entwicklung ist, ist sicherlich unumstritten. Für die Frage, wie man eine solche erreichen kann, gibt es hingegen zahlreiche Ansatzpunkte. Und so können Eltern auch Attachment Parenting auf verschiedene Weise auslegen und umsetzen. Der Begründer William Sears beispielsweise nutzte AP laut der Journalistin und AP-Vertreterin Nora Imlau unter anderem auch, um sein antifeministisches Gedankengut zu verbreiten. Mütter sollten in ihre „natürliche“ und „biologisch vorgegebene Rolle“ zurückgedrängt werden. Ihr alleiniger Fokus sollten die Bedürfnisse ihres Kindes sein. Heute sind die Grundsätze von AP natürlich für alle Geschlechter und nicht nur für heterosexuelle Paare umsetzbar. Nichtsdestotrotz sieht auch die ZEIT-Journalistin Ursula Stark Urrestarazu in Attachment Parenting ein Problem, wenn Vertreter:innen das Erziehungskonzept zur Ideologie hochstilisieren. Dies kann dazu führen, dass Eltern, die sich abseits von AP bewegen, ausgeschlossen und kritisch beäugt werden. Und das schon, wenn ihnen das Tragen ihres Kindes Rückenschmerzen bereitet oder sie nicht in der Lage sind zu stillen. Attachment Parenting: Fazit Attachment Parenting kann dir gute Ansatzpunkte für die Erziehung deines Kindes im Säuglings- und Babyalter geben. Trotzdem bist du nicht gleich eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater, wenn manche Grundsätze für dich nicht funktionieren. Schließlich ist auch AP nicht die eine perfekte Erziehungsmethode. Finde stattdessen im Einklang mit deinem Kind und mit der Hilfe dir nahstehender Personen heraus, was für dich und deine Familie am besten passt und lasse dich auch von AP-Hardlinern nicht aus der Ruhe bringen. Weiterlesen auf Utopia.de: Windelfrei beim Baby: So klappt es ohne Windeln Berufe mit Kindern: Jobs in Pädagogik oder Medizin Fleischlos groß werden: Vegetarische Ernährung für Kinder ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. 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