Aldi macht den Edel-Fisch mit Bio-Siegel zum unschlagbar billigen Massenprodukt. Da kann man doch guten Gewissens zugreifen und eine Extraportion Lachs kaufen, oder? Doch bio ist nicht gleich bio – und Lachs kein Fisch, den man guten Öko-Gewissens jeden Tag essen sollte.
Saftig-rosa und perfekt filetiert glänzt der Bio-Lachs in der Aldi-Tiefkühltruhe. Dutzende Verpackungen stapeln sich übereinander bis an das Schiebeglas. Gleich mehrfach prangt das Wort „BIO“ auf der Verpackung, daneben das grüne EU-Bio-Siegel und der Schriftzug „Kontrolliert ökologische Erzeugung“.
Das klingt gut – und ist noch nicht mal teuer: 100 Gramm kosten nur 2 Euro. Warum dann in den Bioladen gehen und 100 Gramm Naturland-Biolachs für 4,36 Euro kaufen, also mehr als das Doppelte? Die Antwort ist einfach: Das eine ist „bio light“, das andere strengste Bio-Qualität – und die hat ihren Preis.
Wo der Bio Lachs bei Aldi herkommt
Der Aldi-Bio-Lachs stammt aus Aquakulturen mit EU-Bio-Logo, bestätigt Anna Steinweger, Sprecherin für die Einkaufsabteilung von Aldi. Mindestens 95 Prozent kämen aus kontrolliert biologischem Anbau. Nur Bio-Futter bekomme der Lachs zu fressen: „Pflanzliche Bestandteile des Futters werden aus biologischem Anbau gewonnen, die tierischen stammen aus nachhaltiger Fischerei“, so Steinweger.
Außerdem sei das Futter frei von Gentechnik, künstlichen Aromen oder Farbstoffen und dürfe nicht mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln behandelt werden. Medikamente würden „nur dann eingesetzt, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, das Tierwohl sicherzustellen“, sagt Steinweger. Und es würden weniger Lachse pro Käfig gehalten: „Bei Bio-Salzwasserfarmen beträgt die Besatzdichte maximal 10 Kilo pro Kubikmeter Wasser“. Bei konventionellen Farmen würden dagegen 25 Kilo pro Kubikmeter gehalten.
„Einfaches Bio“ – zu schwach?
Soweit so gut. Doch reichen die aus Aldi-Sicht „strengen“ EU-Bio-Vorgaben für den wirklichen Schutz der Meere und der Tiere aus?
Nein, sagt Thilo Maack, Meeres-Experte von Greenpeace. Besser seien die Lachsfilets mit Naturland-Siegel (gibt’s zum Beispiel in Bioläden). Auf den ersten Blick klingen die Vorgaben dort ähnlich wie beim EU-Biosiegel: die Lachse stammen aus Aquakulturen aus naturnahen, artgerechten Anlagen mit der gleichen Besatzdichte. Sie sind ohne Chemie, dafür mit Öko-Futter ohne Gentechnik aufgewachsen.
Es sind die Details, die den Unterschied machen:
Futter: Naturland achtet beim Futter streng auf nachhaltigen Ursprung und Bio-Qualität – beides sieht das EU-Biosiegel deutlich lockerer. Naturland-Lachse bekommen überwiegend Abfälle aus nachhaltiger Speisefischverarbeitung zu fressen, maximal dreißig Prozent des Fischmehls stammen aus ganzen, nachhaltig gefangenen Fischen. Die EU-Bio-Verordnung dagegen erlaubt nicht nur Fischreste aus konventioneller Aquakultur, sondern auch unbegrenzt Fischmehl aus ganzen Fischen. Dazu gehört auch die gescholtene „Gammelfischerei“: Die hat nichts mit vergammelten Fischen zu tun, sondern dem unsortierten Sammelsurium von Fischen und Meerestieren, das sich in den Netzen der Fischtrawler findet. Der EU-Bio-Lachs kriegt also nicht nur Fischabfälle, sondern auch frisch gefangene Fische zu fressen – möglicherweise auch bedrohte Arten.
Chemie-Einsatz zum Schutz der Netze: Naturland verbietet kupferhaltige Mittel sowie Antifouling-Substanzen, mit denen die Netze gegen Muscheln und sogenannte Seepocken geschützt werden. Die Netze dürfen nur mechanisch gereinigt werden. Beim EU-Bio-Siegel sind kupferhaltige Antifouling-Mittel noch erlaubt. Das Problem beim Kupfer: Es schädigt die Wasserbewohner und ist biologisch schwer abbaubar.
Medikamente gegen Parasitenbefall und Krankheiten: sind bei Naturland sehr viel stärker begrenzt als beim EU-Bio-Siegel. Der EU-Bio-Lachs darf zum Beispiel zwei Mal jährlich mit Medikamenten gegen Krankheiten und unbegrenzt gegen Parasiten behandelt werden. Naturland-Lachse kriegen maximal drei Mal im Leben Medikamente – öfter nicht. Parasiten wie die Lachslaus lässt Naturland vorzugsweise von Putzerfischen abknabbern.
Regelmäßige Überprüfungen: Futter, Fisch, Wasser und Ablagerungen am Meeresboden analysiert Naturland regelmäßig. Solche Kontrollen schreibt das EU-Bio-Siegel nicht vor.
Wo Aldi gut ist: bei der Kennzeichnung
Was die Kennzeichnung anbelangt, ist Aldi dagegen ziemlich vorbildlich: „Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus“ schreibe der Discounter auf jede Verpackung, wo der Fisch herkommt, wie er aufgewachsen ist und gefangen wurde, sagt Steinweger. Und tatsächlich: Auf der Bio-Lachs-Packung kennzeichnet Aldi neben Handels- und lateinischem Namen die Produktionsmethode (Aquakultur), die Aquakulturmethode (Netzgehege) und das Land der Aufzucht.
Da fehlt nur noch eins: ein Tracking-Code. Der hilft dem Verbraucher, den Weg des Fisches noch transparenter über alle Verarbeitungsstufen hinweg bis zum Käfig/Fangort zurückzuverfolgen. Das bietet Aldi nicht. Der Naturland-Lachs hat wenigstens einen Text zu genauem Ursprung und Haltung auf der Verpackung.
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Vorbildlich auf diesem Gebiet ist der Bio-Lachs vom Label „followfish“ (zu haben etwa in Bioläden, aber auch Rewe, Edeka und andere). Jede followfish-Lachspackung hat einen eigenen Code. Tippt man den etwa auf www.followfish.de ein, erfährt man alles von der Fangleine bis zum Chemie-Einsatz – genau zu dem Stück Lachs in der Packung. Mehr Sicherheit zum Fisch-Ursprung geht derzeit nicht.
Keine Alternative: zertifizierter Wildlachs
Wenn also der Bio-Lachs von Aldi nicht so öko ist wie er scheint – was ist dann eigentlich mit nachhaltig gefangenem Wildlachs? Auch der liegt bei Aldi im Tiefkühlregal – und ist der billigste von allen Lachspackungen: Für nur 80 Cent pro 100 Gramm geht der durch den Aldi-Kassenscanner. Damit ist er noch billiger als der Aldi-Lachs aus konventioneller Aquakultur.
Doch das „ABER“ hat hier Großbuchstaben: Wildlachs ist vom Aussterben bedroht, da hilft auch das MSC-Siegel nicht. Denn schwach formulierte und zu niedrige Mindestanforderungen ermöglichen den MSC-Fischereien, auch erschöpfte Bestände weiter zu befischen, hohe Beifänge zu tolerieren oder die Rückverfolgbarkeit auszuhebeln. Von Wildlachs sollten wir daher die Finger lassen.
Fazit: Öko hat seinen Preis
Bio-Lachs bei Aldi ist etwas besser als der kaum billigere konventionelle Lachs. Doch die eindeutig beste Wahl ist Lachs aus streng ökologisch geführten und überwachten Zuchtfarmen wie Naturland.
Dass das Öko-Filet dann seinen Preis hat, sollte für uns in Ordnung sein: Jeden Tag Lachs zu essen, ist weder gut für uns noch für den Erhalt dieser Art. Das liegt auch daran, dass Lachs zum Wachsen selbst viel Fisch und andere Meerestiere braucht – bis zu vier Kilo Fisch stecken in einem Kilo Lachsfleisch.
Da stillen wir unseren Fischhunger doch lieber gleich mit jenen Heringen oder Krebsen, die dem Zucht-Lachs sonst zum Fraß vorgeworfen würden – und bewahren uns den Edel-Fisch für die wirklich feinen Anlässe auf.
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