Die Meere sind voller Plastikmüll und das schadet ihnen – so viel wissen wir. Aber woher kommt der Müll? Wie könnte man die Plastikflut aufhalten? Um das herauszufinden haben wir uns auf die Suche nach den wahren Ursachen für den Plastikmüll in den Meeren gemacht.
Rund 700 im Meer lebende Tierarten kommen laut einer Studie aus dem Jahr 2015 jährlich mit Müll in Berührung – über 90 Prozent davon Plastik. Britische Forscher*innen untersuchten 2018 100 tote Meeresschildkröten und fanden in jeder einzelnen Plastikteile. Solche Untersuchungen gibt es inzwischen zuhauf und sie alle deuten darauf hin, dass die Menge des Kunststoffmülls in den Meeren ein ernstes Problem ist.
Zwar lässt sich bei toten Meerestieren nicht immer mit Gewissheit herausfinden, ob es der Müll war, der sie getötet hat – doch dass die Kunststoffabfälle in den Ozeanen Meereslebewesen töten und eine massive Gefahr für die maritimen Ökosysteme darstellen, so viel ist sicher.
Mehr zu den Folgen von Plastik im Meer: Plastik im Meer – was kann ich dafür?
Wie viel Plastikmüll schwimmt in den Meeren?
Von all den Milliarden Tonnen Kunststoff, die bis heute weltweit produziert worden sind, wurden einer Schätzung zufolge insgesamt nur etwa neun Prozent (!) recycelt. Fast 80 Prozent des gesamten Plastikmülls liegt dieser Studie nach in Deponien oder aber in der Umwelt. Und das bedeutet: auch in den Meeren.
Die meisten Schätzungen schwanken zwischen 8 und 13 Millionen Tonnen Kunststoff, der insgesamt jährlich in den Meeren landet.
Eine umfangreiche Langzeitstudie kam 2014 zu dem Ergebnis, dass sich schon mindestens 5,25 Billionen Plastikteile in den Weltmeeren befinden. Dabei wurde sowohl Mikroplastik (bis zu 0,33 Millimeter klein) als auch Makroplastik (= große Plastikteile) berücksichtigt. „Fun Fact“: Damit kämen auf jeden Menschen auf der Erde derzeit rund 700 Kunststoffteile, die im Meer umhertreiben.
Der Studie zufolge macht Mikroplastik rund 92 Prozent aller Plastikteile in den Meeren aus. Allerdings: Eine aktuellere Untersuchung vom November 2019 erfasste mit neuen Messmethoden auch die Konzentration kleinster Mikroplastikpartikel (kleiner als 0,33 Millimeter). Sie legt nahe, dass die Menge der Mikroplastikteilchen noch sehr, sehr viel höher sein könnte als zuvor angenommen.
Plastikmüll im Meer: Darum wissen wir so wenig
Woher kommt all das Plastik in den Meeren? Das wirklich herauszufinden ist schwieriger als gedacht. Denn:
- Erstens: Die Ozeane sind bekanntlich riesig und nur teilweise erforscht. Das bedeutet auch: Bei quasi allen Zahlen zur Verschmutzung und ihren Quellen handelt es sich um Schätzungen oder Hochrechnungen, die Datenbasis ist wackelig, gesicherte Zahlen gibt es kaum.
- Zweitens: Die Ursprünge des Plastikmülls in den Meeren festzustellen, ist nicht leicht. Während bei manchen Gegenständen die Quelle relativ klar ist – Fischernetze etwa stammen mit einiger Wahrscheinlichkeit von Schiffen – ist der Großteil schwer zuzuordnen. Ein Beispiel: Eine Plastikflasche, die irgendwo im Meer treibt, kann am Strand liegengelassen, von Bord eines Kreuzfahrschiffs geworfen oder irgendwo an Land entsorgt worden und mit einem Fluss ins Meer gelangt sein.
- Drittens: Abfälle legen im Meer teils weite Strecken zurück und verteilen sich dank verschiedener Meeresströmungen überall in den Ozeanen – bis hin zu abgelegenen und unbewohnten Gegenden wie der Arktis und pazifischen Inseln. Im Nordpazifikwirbel, inzwischen auch pazifischer Müllstrudel (Great Pacific Garbage Patch) genannt, konzentriert sich besonders viel Müll – einer Schätzung zufolge schwimmen dort etwa eine Billion Plastikteile.
Daher: Die „wahren“ Ursachen von Plastikmüll im Meer sind lediglich eine grobe Momentaufnahme dessen, was wir bisher wissen – Ungenauigkeiten inklusive.
Wie kommt das Plastik ins Meer?– eine Spurensuche
Der größte Teil des Plastikmülls im Meer stammt ursprünglich vom Land. Eine Studie aus dem Jahr 2016 schätzt den Anteil des Mülls, der vom Land in die Meere gelangt auf etwa 80 Prozent.
Quellen von Plastikmüll: Land und Wasser
Als landbasierte Quelle gilt alles, was nicht unmittelbar im Meer landet. Gemeint ist nicht nur Müll, den Menschen irgendwo am Strand achtlos wegwerfen (das tun vermutlich die wenigsten). In den Meeren schwimmt auch Abfall, der versehentlich irgendwo in der Umwelt landet und der mit dem Wind aus küstennahen Städten, aus offenen Deponien, über Flüsse und Abwassersysteme ins Meer gelangt. Darunter fallen neben Abfällen der Konsument*innen auch zum Beispiel Kunststoffpellets, aus denen Plastikgegenstände hergestellt werden. Große Mengen Kunststoff gelangen auch immer wieder bei Stürmen und anderen Naturkatastrophen in die Meere: Im Pazifik etwa schwimmt viel Plastik, das vermutlich durch den Tsunami 2011 in Japan ins Meer gespült wurde.
Eine Gruppe amerikanischer Forscher*innen rechnete 2015 aus, dass jährlich zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll vom Land aus in die Meere gelangen. Grundlage für die Berechnung ist das Jahr 2010 – die weltweite Plastikproduktion steigt derzeit aber immer noch an und damit vermutlich auch die Menge, die in der Umwelt landet.
Demgegenüber stehen meerbasierte Quellen: Müll, der von Fischerei-, Kreuzfahrt- oder Containerschiffen, Bohrinseln und anderen Anlagen direkt ins Meer gelangt. Abgesehen vom „üblichen“ Konsument*innenmüll machen hier insbesondere verlorene oder über Bord geworfene Fischernetze den maritimen Ökosystemen große Probleme. Schätzungen gehen davon aus, dass sie maximal 10 Prozent an der gesamten Meeresmüllmenge ausmachen – mit großen regionalen Unterschieden.
Flüsse tragen Plastikmüll in die Meere
Zwei Studien aus dem Jahr 2017 kommen zwar auf unterschiedliche Zahlen, in ihrer Kernaussage aber zu ähnlichen Ergebnissen: Ein bedeutender Anteil des globalen Plastikmülls stammt aus Flüssen – und ein Großteil dieses Mülls wiederum aus einer relativ kleinen Anzahl besonders verschmutzter Flüsse.
Die erste Studie („River plastic emissions to the world’s oceans“, Juni 2017) schätzt, dass jedes Jahr zwischen 1,15 und 2,41 Millionen Tonnen Plastikmüll über Flüsse im Meer landen. Für zwei Drittel dieses Plastikmülls seien 20 Flüsse verantwortlich. Die meisten davon liegen in Asien, einige in Afrika und Südamerika. An erster Stelle steht demnach der chinesische Jangtse.
Der zweiten Studie zufolge, die im Oktober 2017 erschien, gelangen jährlich etwa 0,5 bis 2,75 Millionen Tonnen Müll pro Jahr aus Flüssen ins Meer. Demnach stammen 93 Prozent dieses Plastikmülls aus zehn besonders verschmutzten Flüssen. Acht Flüsse liegen in Asien, zwei in Afrika. Auch hier liegt der Jangtse auf dem ersten Platz.
Die Untersuchungen legen nahe, dass rund 20 Prozent des gesamten Plastikmülls aus Flüssen stammt. Allerdings ist die Datenbasis recht unsicher – und es ist wahrscheinlich, dass sich dank neuer Studien die Werte in den kommenden Jahren noch verschieben.
UPDATE: Im Juni 2020 veröffentlichte das Ocean Cleanup Project eine interaktive Karte mit den – den eigenen Untersuchungen zufolge – 1000 Flüssen, die am meisten zur Plastikmüll-Verschmutzung der Meere beitragen – nach Angaben des Projekts bis zu 80 Prozent. Die dazugehörige Studie wird derzeit noch „für eine wissenschaftliche Veröffentlichung geprüft“.
Plastikmüll aus Europa wird exportiert
Auch wenn hier also auf den ersten Blick die größten Verursacher der Verschmutzung in Asien und Afrika zu liegen scheinen, darf man nicht vergessen: Europa und Nordamerika exportieren riesige Mengen Plastikmüll nach Asien.
Die EU exportiert rund 150.000 Tonnen Plastikmüll im Monat ins Ausland (Stand Anfang 2019). Seit China Anfang 2018 den Import von Müll weitgehend verbot, hat sich allerdings die Gesamtmenge reduziert. 2018 waren die Haupt-Empfängerländer von europäischem Plastikmüll Malaysia, die Türkei, Hongkong, Indonesien, Vietnam, Indien und Taiwan.
Deutschland alleine exportierte im Jahr 2018 rund eine Million Tonnen Kunststoffabfälle – grob 17 Prozent (Gemessen an den Gesamt-Plastikabfällen 2017).
Das Problem: Während unser Müll damit als „recycelt“ gilt, landet er anderswo in der Umwelt. In vielen der Länder, die unseren Kunststoffmüll erhalten, funktionieren die Entsorgungssysteme nur unzureichend. Das führt dazu, dass Abfälle – und eben auch solche, die aus Industrieländern dorthin verschifft wurden – in der Umwelt, in den Flüssen und damit letztlich in den Meeren landen.
Übrigens: Europa alleine hat einen jährlichen Bedarf an Plastik als Rohstoff von über 50 Millionen Tonnen – rund die Hälfte davon entfällt auf Deutschland.
Was schwimmt eigentlich in den Meeren? – Arten von Plastikmüll
Verschiedene Untersuchungen zeigen immer wieder: Ein Großteil des Mülls in den Meeren stammt von alltäglichen Konsumgütern.
Beim International Coastal Cleanup 2018 , einer großen Strand-Säuberungsaktion in 122 Ländern, zeigte sich: Die 10 häufigsten Müllarten bestanden alle (mindestens teilweise) aus Plastik:
- Zigarettenkippen
- Lebensmittelverpackungen
- Plastik-Strohhalme und -Rührstäbchen
- Plastikbesteck
- Plastikflaschen
- Flaschendeckel
- Plastik-Einkaufstüten
- andere Plastiktüten
- Plastikdeckel
- Plastikbecher und -teller
Bei Säuberungsaktionen unter Wasser fanden Taucher*innen ebenfalls jede Menge Müll in den Meeren. Bei der Aktion „Dive against Debris“ waren 2018 die 10 häufigsten Funde:
- Plastik-Angelschnüre
- Plastikfragmente
- Glasflaschen
- Plastikflaschen
- Getränkedosen
- Lebensmittelverpackungen
- Plastiktüten
- Fischereizubehör aus Metall
- Plastikbecher, -teller und -besteck
- Glas- und Keramikfragmente
Diese Auflistungen sind aufschlussreich, können allerdings nur Anhaltspunkte sein. Erstens finden die „Clean Ups“ nur punktuell statt und zweitens wird dabei der Teil des Plastikmülls, der im Sediment oder in der Tiefsee landet, nicht erfasst.
Mikroplastik im Meer: wichtigste Quellen
Auch wenn die Schätzungen zur Menge variieren: Klar ist, dass Mikroplastik (= Plastikteile unter 5 mm Durchmesser) einen erheblichen Teil des gesamten Plastikmülls in den Meeren ausmacht – eine populäre Schätzung geht von rund 90 Prozent aus. (s. oben)
Dieses Mikroplastik wiederum stammt aus vielen verschiedenen Quellen. Die wichtigsten sind einer Studie des United Nations Environment Program (UNEP) zufolge:
- Reifenabrieb
- (Fein-)Staub aus Städten
- Straßenmarkierungen
- Textilien
- Lacke und Farben
- Kosmetik- und Pflegeprodukte
- Plastikpellets, die bei der Plastikproduktion verloren gehen
Auch andere Studien kommen – wenn auch mit unterschiedlichen Zahlen – zu dem Schluss, dass vor allem Reifenabrieb und Textilien erhebliche Quellen von Mikroplastik in der Umwelt sind.
Mehr dazu: Aus diesen 7 überraschenden Dingen gelangt Mikroplastik ins Meer
Kurz zusammengefasst: Das wissen wir über Plastikmüll im Meer
- Plastikmüll in den Meeren gefährdet mindestens 700 verschiedene Arten von Meereslebewesen.
- Mindestens ca. 5,25 Billionen Plastikteile befinden sich derzeit in den Meeren.
- Zwischen 8 und 13 Millionen Tonnen Kunststoffmüll kommen jährlich dazu.
- Etwa 80 Prozent des Mülls gelangen vom Land in die Meere.
- Davon stammen etwa 20 Prozent aus Flüssen, überwiegend aus asiatischen Ländern.
- In diese Länder wird europäischer und amerikanischer Plastikmüll exportiert.
- Zu den häufigsten Müllarten im Meer gehört alltäglicher Konsument*innenmüll (z.B. Verpackungen) und Fischereiausrüstung.
Plastikmüll im Meer: Was kann ich dafür – und was kann ich tun?
Wir Konsument*innen sind für einen guten Teil des Mülls in den Meeren verantwortlich. Auch wenn wir ihn nicht einfach ins Meer werfen: Wir produzieren riesige Massen Plastikabfall, der, wenn er nicht korrekt entsorgt wird, irgendwann doch in der Umwelt landet.
Und: Unsere Transportgewohnheiten, unser Kleidungs- und Kosmetikkonsum trägt ganz erheblich dazu bei, dass Mikroplastik in die Meere gelangt.Der wichtigste Beitrag besteht daher immer noch darin, unseren Lebensstil zu hinterfragen und wo immer möglich auf Kunststoff zu verzichten.
Lies hier mehr über unsere Verantwortung und Chancen: Plastik im Meer – was kann ich dafür?
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Mikroplastik in Kosmetik: Wo es sich versteckt und wie du es meidest
- 10 erstaunliche Dinge, die es auch ohne Plastik gibt
- Klimaschutz: 15 Tipps gegen den Klimawandel, die jede*r kann
War dieser Artikel interessant?