Wer entscheidet eigentlich, wie unsere Nahrungsmittel angebaut werden? Hätten wir Ernährungssouveränität, würden wir das tun. Doch ist das überhaupt sinnvoll?
Was ist Ernährungssouveränität?
Ernährung ist ein hochgradig politisches Thema. Das findet auch La Via Campesina, die kleinbäuerliche Bewegung für Ernährungssouveränität. Sie setzt sich aus Kleinbauern aus der ganzen Welt zusammen, die für die Demokratisierung des Ernährungssystems kämpfen. Das bedeutet, dass nicht wenige Akteure über die Ernährung der Mehrheit entscheiden, sondern dass die Mehrheit über ihre eigene Ernährung – und vor allem über den Anbau ihrer Nahrungsmittel – bestimmt.
Vor allem geht es bei der Ernährungssouveränität um:
- eigene Entscheidungsgewalt der Länder und Bauern über ihre Anbauweise, also ihre Ernährungs – und Agrarpolitik
- Menschen statt Konzerninteressen
- gesunde und hochwertige Nahrung
- ökologisch und sozial nachhaltige Anbauweise
- Unabhängigkeit
Ernährungssouveränität ist kein festgelegtes Konzept, sondern entscheidet sich je nach lokalen Gegebenheiten. So würden Bäuerinnen und Bauern selbst entscheiden, wie sie ihren Boden bewirtschaften, weil sie nicht von Konzernen abhängig wären. Sie hätten beispielsweise ihr eigenes Saatgut und ihren eigenen Dünger. Sie könnten Permakultur betreiben anstatt Monokultur. Das würde die Kleinbauern insgesamt unabhängiger gegenüber Marktschwankungen, Wetter und Schädlingsbefall machen.
Es ist nicht so einfach, sich Ernährungssouveränität vorzustellen, dadurch fühlt sich das Konzept oft unkonkret und nicht greifbar an. Es entspricht dem Gegenteil unseres momentanen Ernährungssystems und erfordert ein Umdenken. Vielleicht auch eine gewisse Risikobereitschaft – wer weiß schon, was die Zukunft bringt?
Ernährungssouveränität vs. Ernährungssicherheit
Die industrielle Landwirtschaft wird durch das Konzept der Ernährungssicherheit begründet. Dementsprechend kannst du dieses Konzept als Gegenkonzept zu dem der Ernährungssouveränität sehen. Denn um unsere Ernährung zu sichern, werden vor allem Produktivitäts- und Ertragssteigerungen empfohlen. Diese gehen einher mit der Ausbeutung unserer Natur (und den Menschen, die für diese Sicherheit arbeiten).
Momentan haben wir, so zitiert das I.L.A. Kollektiv den UN Economic and Social Council in seinem Buch „Auf Kosten anderer“, genügend Nahrungsmittel für zwölf Milliarden Menschen. Wieso müssen so viele Menschen dann noch hungern? Der Weg der Nahrungsmittel bis auf unsere Teller ist weit. Währenddessen gehen vor allem durch die Produktion viele Kalorien verloren. So verbraucht eine Kuh und damit die Fleischproduktion beispielsweise viel mehr Nahrungsmittel, als wir Menschen in Form von Kalorien zu uns nehmen, wenn wir das Fleisch der Kuh essen. Ist es also nicht sinnvoller, die Art und Weise der Produktion zu ändern?
Der Zugang zu diesen Nahrungsmitteln ist jedoch das eigentliche Problem. Aktuell liegt die Macht im Ernährungssystem bei wenigen großen Konzernen. Wäre unser Ernährungssystem demokratischer gestaltet, hätten mehr Menschen Zugang zu adäquater Ernährung – was übrigens als Menschenrecht gilt. Eine demokratische Gestaltung des Ernährungssystems würde bedeuten, dass die Menschen, die ernährt werden, Mitspracherecht haben. So könnten sie zum Beispiel mit entscheiden, welche Anbauweise ihre Ernährung sichern soll oder ob der Import von Weizen sinnvoll ist, obwohl einheimische Getreidesorten wie Hirse ebenso gut sättigen.
Warum brauchen wir Ernährungssouveränität?
Ernährungssouveränität brächte uns einen Schritt weiter in Richtung einer gerechteren Welt, in der die Umwelt und ihre Ressourcen geschont werden. Wenn die Ziele der Ernährungssouveränität erreicht werden würden, bedeutet dies auch ein Abbau von Machtungleichheit, mehr Demokratie und Unabhängigkeit von Wirtschaft, Landwirtschaft und auch von uns Konsumenten. Die Transformation des Ernährungssystems würde eine Transformation des Gesellschaftssystems bedeuten, denn wie wir unsere Ernährung gestalten, spiegelt unser Gesellschaftssystem wider.
Wenn Ernährungssouveränität gegeben ist, müssten wir uns keine Sorgen mehr um Ernährungssicherheit machen, denn Ernährungssouveränität impliziert die Sicherung der Ernährung – nur eben auf eine andere Art und Weise.
Die Zerstörung der Natur durch intensive Landwirtschaft ginge im Idealfall zurück. Artenvielfalt nähme nicht weiter ab, die Diversität stiege womöglich.
Ernährungssouveränität in deinem Alltag
Was kannst du als Einzelperson machen, um den Weg zu Ernährungssouveränität und einer Demokratisierung des Ernährungssystems zu erleichtern? Das ist keine einfache Frage. Demokratie bedeutet bekanntlich, dass die Macht vom Volke ausgeht. Nicht von einer Einzelperson.
Dennoch kannst du dich engagieren und das Thema Ernährung in deinem Wohnort politisieren – am besten mit vielen anderen Menschen gemeinsam.
- Du kannst durch Urban Gardening einen Teil deiner Versorgung selbst sicherstellen.
- Falls es in deiner Stadt eine Solidarische Landwirtschaft gibt, kaufe dein Gemüse dort. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Ernährungssouveränität.
- Du könntest dich in einem Ernährungsrat engagieren oder einen gründen.
- Kaufe saisonale und regionale Lebensmittel.
- Gib dein Wissen weiter, ohne dogmatisch zu sein. Erzähle stattdessen von deinen positiven Erfahrungen.
Sicherlich gibt es noch andere und mehr Wege, wie du dich einbringen kannst.
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