Seit vergangenem Jahr gehört das Kükentöten – zumindest formal – der Vergangenheit an. Für die Eier-Produzenten gibt es leider einige Schlupflöcher. Und auch die Alternativen zum Kükenschreddern sind nicht das Gelbe vom Ei. Wir haben einen Blick auf die aktuelle Situation geworfen und zeigen, worauf du achten kannst, um Produkte zu meiden, für die nach wie vor Küken getötet werden.
Jede:r Deutsche isst durchschnittlich 236 Eier im Jahr. Der Großteil dieser Eier hat mit Tierwohl nicht viel zu tun: In den Legebetrieben herrschen teils katastrophale Bedingungen, die meisten Eier stammen nach wie vor aus Bodenhaltung. Ein bisschen was tut sich aber doch an der Eier-Front: Seit Januar 2022 ist das Töten männlicher Eintagsküken verboten – zumindest in Deutschland.
Bis dahin wurden jährlich rund 45 Millionen männliche Legehennen direkt nach dem Schlüpfen getötet. Alleine in Deutschland. Der simple Grund: Die Hähne können, das liegt in der Natur der Sache, keine Eier legen und setzen aufgrund der Züchtung kaum Fleisch an – damit sind die Tiere quasi ökonomisch „überflüssig“.
Der Ruf nach einem Ende des Kükenschredderns war laut – zum Jahreswechsel 2021/2022 ist die Politik aktiv geworden und hat das Kükentöten verboten. Als erstes Land in Europa. Dem Deutschen Tierschutzbund zufolge haben auch Frankreich, Luxemburg, Italien, Österreich und die Schweiz Verbote schon umgesetzt oder geplant. Das Verbot bringt allerdings neue, zusätzliche Probleme mit sich:
Noch immer gibt es Eier mit Kükentöten
Das Verbot des Kükentötens bedeutet nicht zwangsläufig, dass für in Deutschland erhältliche Eier keine Küken mehr getötet werden. Denn was in Deutschland verboten ist, ist in den europäischen Nachbarländern nach wie vor erlaubt. Eier aus dem Ausland unterliegen den bei uns geltenden Gesetzen nicht.
Den Eiern im Supermarkt kannst du nicht ansehen, woher die Hennen, die dein Frühstücksei gelegt haben, gekommen sind und was mit ihren Brüdern passiert ist. Denn wenn die Junghenne aus ausländischer Zucht ihre Eier in Deutschland legt, darf auf der Verpackung und dem Ei Deutschland als Herkunftsort stehen.
Übrigens: Auch Zoos, die tote Küken als Futter für ihre Tiere benötigen, kaufen männliche Eintagsküken jetzt im Ausland.
Die Alternativen zum Kükentöten
Auf den Eierkartons in den Supermärkten kleben immer häufiger Labels, die mit Begriffen wie „ohne Kükentöten“ oder „Bruderhahn-Initiative“ werben. Erst einmal klingt das nach weniger Tierleid und glücklichen Hähnen, die jetzt aufwachsen dürfen, anstatt direkt nach dem Schlüpfen geschreddert und damit getötet zu werden. Aber so einfach ist es leider nicht: Die männlichen Tiere sind weiterhin unerwünscht.
Vermieden wird das Töten der Küken momentan durch zwei unterschiedliche Verfahren:
- Entweder werden die männlichen Tiere als „Bruderhähne“ mit aufgezogen oder
- das Geschlecht wird bereits im Brutei bestimmt und das Ei gegebenenfalls nicht ausgebrütet.
Welches Verfahren angewendet wird, um den Kükentod zu vermeiden, wird auf der Eierpackung oft nicht angegeben.
Huhn oder Hahn? Geschlechtsbestimmung im Ei
Damit männliche Küken nicht ausgebrütet werden und schlüpfen, arbeitet die Forschung an Methoden, um das Geschlecht bereits im Ei festzustellen. Einige davon sind auch schon in der Anwendung, z. B. das „PLANTegg“-Verfahren und das „Seleggt-Verfahren“ (respeggt). Die „aussortierten“ Eier werden zu Tierfuttermitteln verarbeitet.
Der Bundestag hat die Regelungen zum Verbot des Kükentötens leicht gelockert: Eingriffe zum Bestimmen des Geschlechts im Ei und ein möglicher Abbruch des Brütens sind künftig erst ab dem 13. „Bebrütungstag“ untersagt. „Die hierfür erforderliche Gesetzesänderung soll so bald wie möglich und jedenfalls vor dem Jahr 2024 erfolgen“, erklärt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Bisher war geplant, ab Jahresbeginn 2024 Embryos im Ei besser zu schützen: Ab dem siebten Tag dürften sie dann nicht mehr getötet werden. Grund für die Änderung: Nach dem aktuellem Forschungsstand gebe es bei den Hühnerembryonen vor dem 13. „Bebrütungstag“ kein Schmerzempfinden, heißt es in der Gesetzesänderung, die die Abgeordneten gebilligt haben.
Nach ungefähr 21 Tagen schlüpfen die Küken.
Aufzucht der männlichen Küken: Bruderhähne
Es gibt immer mehr Initiativen, die die männlichen Küken der Legehennen mit aufziehen anstatt sie zu töten. Aber auch diese Praxis hat ihre Schattenseiten:
- Die Bruderhähne sind nicht für die Mast geeignet: Sie wachsen langsam, setzen wenig Fleisch und kaum Fett an.
- Für das Fleisch der Bruderhähne gibt es bei uns (noch) quasi keinen Markt, häufig landet es als Billigfleisch im Ausland.
- Bis die Bruderhähne die nötige Schlachtreife erreichen, dauert es etwa dreimal so lange wie bei einem Masthähnchen. Ihr Futterverbrauch ist höher – schlussendlich ist die CO2-Bilanz von den Bruderhähnen dadurch dreimal so hoch wie bei Masthähnen.
- Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert zudem: „Die Aufzucht und Haltung der Hähne ist im konventionellen Bereich nicht gesetzlich geregelt, d.h. es gibt keinerlei Mindeststandards. Es ist dann nicht auszuschließen, dass die Tiere dicht gedrängt in großen Beständen ohne Tageslicht, Beschäftigungsmaterial und Sitzstangen aufgezogen werden, Antibiotika verabreicht bekommen und lange Transporte ins Ausland über sich ergehen lassen müssen.“
- Es gibt zu wenige Mastplätze für Bruderhähne, die Tiere werden häufig ins Ausland gebracht, wo gesetzliche Standards fehlen.
- Die Eier aus den Bruderhahn-Initiativen sind teurer, weil darüber die Bruderhahn-Aufzucht mitfinanziert wird.
Foodwatch meint: „Die Bruderhahnzucht ist keine nachhaltige Lösung für das Problem des Kükentötens. Bei den Schwestern handelt es sich weiterhin um Hochleistungs-Hennen, die ein trauriges Leben in viel zu engen Ställen führen.“
Eier ohne Kükentöten: Mehr Transparenz ist wichtig
Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentralen zeigte, dass die Konsument:innen sich mehr Transparenz wünschen. „Was genau sich hinter den Hinweisen zum Kükentöten auf Eierkartons verbirgt, ist vielen Menschen leider nicht klar“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. 73 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen forderten, dass zusätzlich zur Angabe „ohne Kükentöten“ die Methode genannt wird, mit der der Kükentod vermieden wird oder darüber hinaus sogar noch eine Erläuterung des Verfahrens bereits auf oder in der Verpackung steht.
So erkennst du Eier ohne Kükentöten
Viele Eierproduzenten werben zwar mit dem Logo „ohne Kükentöten“, die Legehennen leiden nichtsdestotrotz häufig unter schlechten Haltungsbedingungen. Das Label „ohne Kükentöten“ besagt nichts über die Haltungsbedingungen der Legehennen oder ihrer männlichen Artgenossen.
Der Deutsche Tierschutzbund listet auf seiner Webseite Eier auf, die aus seiner Sicht nicht empfehlenswert sind:
- Henne & Hahn, Spitz & Bube, Herzbube, Brüderchen & Schwesterchen, Kükenherz, EU Bio Label/Bioland)
und solche mit besseren Aufzuchtbedingungen:
- Demeter, Huhn & Hahn, Rosenthaler Hahnenglück, haehnlein, Mein Bruderhahn, Alnatura Bruderküken Initiative, Initiative Bruder Ei, Basic Bruderherz Initiative, Eier mit ÖTZ-Siegel, ei care, „ne runde Sache“, Bruderhahninitiative Deutschland (BID), HenneGockelEi, „Eier mit doppeltem Lebenswert“, „Ein Ei für zwei“, Stolzer Gockel
Auch das Siegel vom Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT), der über 90 Prozent der Eier im deutschen Einzelhandel kontrolliert, kommt mehr und mehr ins Spiel. Sein Zertifikat schreibt Eier ohne Kükentöten vor. Eier ohne Kükentöten sind aber erst ab circa August 2023 garantiert – gerechnet seit Verbotsbeginn im Januar 2022.
Wie geht es weiter?
- Ab Anfang 2024 soll das Gesetz zur Geschlechtsbestimmung im Brutei verschärft werden. Ab 1.1.2024 soll diese Methode nur noch bis zum 6. Bruttag möglich sein. Damit soll gewährleistet sein, dass die Embryonen durch die Untersuchung keine Schmerzen erleiden müssen.
- Der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e.V. (KAT) will demnächst für viele KAT-zertifizierte Eier veröffentlichen, ob und mit welcher Methode (Geschlechtsbestimmung im Brutei oder Bruderhahnaufzucht) das Kükentöten verhindert wurde.
Bis zu einer heilen Hühnerwelt ist der Weg noch weit
Utopia meint: So gut sich das Ende des Kükentötens erstmal anhört – die ethisch wichtige Entscheidung zeigt bei näherem Hinsehen, wie groß das Tierleid bei der Eier-Produktion nach wie vor ist: Noch immer leben Millionen von Legehennen (und Bruderhähnen) unter katastrophalen Bedingungen.
Von den rund 43 Millionen Legehennen in Deutschland sind gerade mal 13 Prozent Bio-Hennen (Quelle: Statista). Dieser Anteil ist zwar in den vergangenen Jahren gestiegen. Doch noch immer leben gut 60 Prozent der Tiere in Bodenhaltung. Rund 2,3 Millionen Legehennen werden, zusammengepfercht mit mehreren Artgenossen, in Käfigen gehalten („Kleingruppenhaltung“). Diese „ausgestalteten Käfige“ sind erst ab 2025 verboten.
Und noch immer muss die Herkunft von verarbeiteten Eiern in Lebensmitteln (Nudeln, Kuchen etc.) nicht deklariert werden. Hier finden Verbraucher:innen keine Infos, woher die Eier kommen, wie die Legehennen gelebt haben und ob die Bruderhähne getötet wurden. Traurige Tatsache: In weiterverarbeiteten Produkten finden sich die Eier mit dem geringsten Tierwohl-Standard, „Kükenschreddern“ inklusive.
Lies auch: Eier Code: Was steht auf dem Ei
Zweinutzungshühner: Hühner der Zukunft?
Eine Lösung könnten sogenannte Zweinutzungshühner sein, die sowohl Eier als auch Fleisch liefern – und die nicht auf Höchstleistung gezüchtet sind. Hier legen die Hennen durchschnittlich 60 Eier im Jahr weniger als eine Hochleistungshenne, die Fleischqualität der Hähne ist aber deutlich besser als die der Bruderhähne.
Was dahinter steckt: Zweinutzungshuhn, Bruderhahn, Geschlechtsbestimmung im Ei: Diese Initiativen wollen die Brüder der Legehennen retten
Unser Tipp: Iss weniger Eier – und wenn du die Möglichkeit hast, kauf diese bei einem Hof in deiner Nähe, wo du dir selbst anschauen kannst, was für ein Leben die Hühner, die dein Frühstücksei legen, führen. Die Siegel der Bio-Verbände (Bioland, Naturland, Demeter) garantieren zumindest etwas bessere Haltungsbedingungen für die Tiere.
Der einfachste Weg, Hühner zu schützen, ist natürlich, gar keine Eier zu essen. Der Verzicht auf Eier sorgt dafür, dass kein Huhn in einem engen Stall leben muss, nur um nachher geschlachtet zu werden. Inzwischen gibt es viele tolle vegane Ei-Alternativen. Hier ist für jeden Geschmack und jeden Bedarf etwas dabei:
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Mit Material der dpa.
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