Hatha Yoga ist einer der populärsten Yoga-Wege und auch im Westen weit verbreitet. Im Fokus stehen bei Hatha Yoga Körperübungen und Atemübungen. Ursprünglich stand dahinter aber eine noch umfassendere Lehre.
Wenn bei uns in Deutschland die Rede von „Yoga“ ist, dann ist meist Hatha Yoga gemeint. Denn aus diesem Yoga-Pfad kommen die körperlichen Übungen (Asanas), mit denen wir Yoga heutzutage fast ausschließlich verbinden. In unserem Artikel erfährst du mehr über die Hintergründe und Methoden des Hatha Yoga. Außerdem zeigen wir dir, was du von einer Hatha-Yoga-Stunde erwarten und wie du von dieser Praxis profitieren kannst.
Hatha Yoga: Ursprung der Yoga-Lehre
Yoga gilt als eine praktische Lebensphilosophie, die alle Aspekte des Lebens umfasst. Die Yoga-Lehre ist mehrere Tausend Jahre alt und kommt aus dem indischen Raum. Das ursprüngliche Ziel der Yoga-Praxis ist, dem Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt zu entkommen und zur Quelle des seelischen Ursprungs zurückzufinden.
Dabei sind Lehre, Philosophien und Praktiken um Yoga so vielfältig wie das Leben selbst. Die unterschiedlichen Yoga-Wege bedienen sich verschiedener Konzepte, Vorstellungen, Methoden und verfolgen letztlich – neben dem überstehenden Haupt-Ziel – auch unterschiedliche Zwischenziele.
- Lange Zeit basierte die Yoga-Praxis vor allem auf Selbstreflexion und Meditation. Neben mystischen Praktiken und dem Studieren alter Schriften gehörten auch das asketische Leben zum Yoga, wobei der Körper als Quelle allen Schmerzes und letztlich unwirklich betrachtet wurde.
- Einen anderen Ansatz verfolgte die Tantra-Lehre, die im 11. Jahrhundert aufkam: Hier werden der Körper und die weltlichen Sinne nicht verleumdet, sondern als heiliges Vehikel durch den Kreislauf des Lebens (Samsara) betrachtet. Dementsprechend werden Körper und Welt geehrt und als Mittel zur Erleuchtung betrachtet, nicht als Hindernis.
- Auf jener Grundlage entstand auch das Hatha Yoga, das den körperlichen Praktiken große Bedeutung zuspricht. Bedeutendstes Grundwerk jener Lehre ist die Hatha Yoga Pradipika, die im 15. Jahrhundert von Swatmarama verfasst wurde. In dieser werden die Prinzipien, Ziele und Methoden des Hatha Yoga erklärt.
Ziele und Methoden des Hatha Yoga
Die traditionelle Schrift der Hatha Yoga Pradipika wendet sich keineswegs von den ursprünglichen Yoga-Pfaden ab. Im Gegenteil: Swatmarama sieht das Hatha Yoga als Vorbereitung auf das Raja Yoga, das sich vor allem auf geistige Arbeit und Meditation konzentriert. Indem der Körper gereinigt und die Energien im Körper gezielt reguliert und gelenkt werden, werden Körper und Geist auf die Meditation vorbereitet.
Der Begriff „Hatha“ bedeutet „Kraft“ und deutet in seinen Silben „Ha“ (Sonne) und „Tha“ (Mond) auf ein Grundprinzip der Lehre hin: Mit den Praktiken sollen jene Dualitäten ausgeglichen und harmonisiert werden, die das Leben ausmachen – etwa Anstrengung und Entspannung, männlicher und weiblicher Aspekt, Logik und Kreativität usw. Ziel ist, in einen fokussierten ausgeglichenen Seins-Zustand zu gelangen, der tiefgehende Meditation und Selbstreflexion erlaubt.
Dazu bedient sich das Hatha Yoga vor allem folgenden Praktiken:
- Asanas: Die Körperübungen dienen dazu, den Körper und Geist zu stärken und in Balance zu bringen, sowie die subtilen Energien innerhalb des Körpers zu lenken.
- Pranayama: Die Atemübungen sollen Körper und Geist reinigen und die Lebensenergie (Prana) erweitern und regulieren.
- Mudras: Auch diese Handstellungen/-haltungen sollen der Kontrolle der subtilen Energien dienen und vor allem auf energetischem Level höchst effektiv sein.
- Kriyas: Bei diesen Reinigungstechniken wird zum Beispiel die Zunge gesäubert, die Nasengänge ausgespült oder auch der Dickdarm mittels eines Einlaufs gereinigt.
- Ethische Grundsätze: Auf Basis der Yamas und Niyamas gibt es gewisse Grundlagen, die im alltäglichen Leben beachtet werden sollen.
Hatha Yoga heute: Fokus auf Asana und Pranayama
Dass Hatha Yoga so populär werden konnte, ist vor allem dem Yoga-Lehrer Krishnamacharya zu verdanken. Er reiste in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Indien und verbreitete die Lehre der Körperübungen. Dabei legte er auf die spirituellen Aspekte des Hatha Yoga nur noch wenig Augenmerk und konzentrierte sich vor allem auf Asana und Pranayama. In dieser Form wurde die Yoga-Lehre auch für den westlichen Kulturraum leicht zugänglich und gewann seither an großer Beliebtheit.
In den meisten Yoga-Schulen und Yoga-Studios in Europa und Nordamerika werden weder die gewöhnungsbedürftigen Körperreinigungen (Kriyas) noch die Hand-Haltungen (Mudras) gelehrt. Auch wenn die ethischen und spirituellen Aspekte mitunter noch angerissen werden, liegt mittlerweile der Fokus klar auf den körperlichen Yoga-Übungen (Asanas). In einigen Fällen werden verschiedene Atemübungen (Pranayama) und Meditationen gelehrt oder in die Asana-Praxis integriert.
Auf Basis dieser körperbetonten Praxis entwickelten sich viele der heutzutage bekannten Yoga-Stile, etwa Ashtanga Vinyasa Yoga, Iyengar Yoga, Bikram Yoga oder Jivamukti Yoga. Als rein körperliche Praxis hat (Hatha) Yoga inzwischen auch Einzug in Fitness-Studios und Sportschulen erhalten. Auch wenn in dieser Form kaum noch ein Zusammenhang zum ursprünglichen Yoga besteht, sind die Körperübungen auf rein physischer Seite trotzdem hilfreich.
Die erste Hatha-Yoga-Stunde: Was du vorher wissen solltest
Wird eine Hatha-Yoga-Stunde in einem Studio beworben, kannst du damit rechnen, dass der Fokus auf den Körper-Übungen liegt. Diese umfassen sowohl entspannende als auch aktivierende Übungen und helfen dir dabei, Kraft aufzubauen und flexibler zu werden. Auch wenn die Hatha-Yoga-Praxis tendenziell eher statisch ist und die einzelnen Posen (Asanas) meist für einige Atemzüge gehalten werden, können diese mitunter auch zu dynamischen Abfolgen zusammengesetzt werden. Die bekannteste jener Abfolgen im Hatha Yoga ist der Sonnengruß (Surya Namaskar).
Eine Hatha-Yoga-Stunde kann durchaus fordernd sein und dich ins Schwitzen bringen. Trotzdem sind die meisten Unterrichts-Einheiten auch für Anfänger gut geeignet. In jedem Fall gibt es auch entspannende Teile der Übungen, allen voran die Tiefenentspannung (Savasana) zum Ende der Stunde. Bekannte Posen im Hatha Yoga sind zum Beispiel der Yoga-Hund oder die Krähe.
Atem- und Meditationsübungen werden mitunter für einige Minuten am Anfang oder am Ende der Stunde ausgeführt, in einigen Studios und Schulen aber auch gar nicht unterrichtet.
Demzufolge ist Hatha Yoga auch dann für dich geeignet, wenn du:
- wenig bis keine Erfahrung mit Yoga hast,
- körperlich untrainiert bist,
- etwas für deinen Körper tun willst,
- dir nicht vorstellen kannst, eine halbe Stunde zu meditieren,
- weniger Wert auf die spirituellen Aspekte von Yoga legst.
Hatha Yoga und seine Wirkung aus wissenschaftlicher Sicht
Auch die Wissenschaft beschäftigt sich seit einigen Jahren zunehmend mit Yoga, Meditation und deren Wirkungen. Zwar fehlt es häufig noch an tiefgehenden Vergleichs- und Langzeitstudien, dennoch gibt es bereits zahlreiche Untersuchungen und Tests, die der regelmäßigen Yoga-Praxis viele positiven Wirkungen zusprechen.
Das NCCIH, eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministerium, hat die die derzeitigen Ergebnisse zusammengefasst. Demzufolge kann Yoga:
- das generelle Wohlsein verbessern,
- Rücken- und Nackenschmerzen lindern,
- bei Krebs, Multiple Sklerose und chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen Symptome lindern und Lebensqualität steigern,
- Diabetes-Patienten helfen, den Blutzucker zu regulieren,
- physische und psychologische Beschwerden der Wechseljahre lindern,
- bei Angst, Unruhe und Depressionen helfen,
- den Schlaf verbessern,
- dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören,
- dazu beitragen, bei Fettleibigkeit Gewicht zu verlieren.
Eine Review von 2016 hat speziell die Wirkung von Hatha Yoga auf die exekutiven Funktionen, also diverse kognitive Fähigkeiten untersucht. Demzufolge deuten die vielversprechenden Ergebnisse darauf hin, dass Hatha Yoga sowohl bei Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und älteren Erwachsenen die exekutiven Funktionen verbessern kann. Dazu gehören zum Beispiel, zu planen, Ziele zu erreichen, Selbstkontrolle und Koordination.
Dass regelmäßiges Hatha Yoga dabei hilft, dass die Muskeln flexibler werden, ist weitaus bekannt und mittlerweile auch mit Studien belegt. Generell werden der gesamte Bewegungsapparat beweglicher und die Wirbelsäule flexibler, was bei über 50-jährigen Probandinnen nachgewiesen wurde (Studie).
Eine weitere Studie von 2015 kam zudem zu dem Ergebnis, dass regelmäßiges Hatha Yoga bereits nach zwölf Wochen:
- die kardiorespiratorische Ausdauer verbessert (also das Herz stärkt),
- muskuläre Stärke und Ausdauer verbessert und
- Flexibilität steigert.
Für Körper und Geist sowie das generelle Wohlbefinden ist Hatha Yoga von großem Vorteil. Wichtig ist dabei nur, dass du immer deine Grenzen respektierst und nur soweit gehst, wie es sich angenehm anfühlt. So vermeidest du Verletzungen von Anfang an.
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English version available: How Hatha Yoga Works: Poses, Sequences, and Goals
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