Climate Justice, also Klimagerechtigkeit – das fordern Demonstrant:innen auf Fridays-for-Future-Demos, bei Klimacamps oder Protesten gegen den Kohleabbau. Aber was genau bedeutet Klimagerechtigkeit?
Klimagerechtigkeit – die Brücke zwischen sozialen und ökologischen Themen
Seit einigen Jahren wird eine Erkenntnis immer deutlicher: Die Klimakrise ist auch oder vor allem eine Frage der Gerechtigkeit. Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen weltweit sind unterschiedlich stark von den Folgen der Klimakrise betroffen. Es geht beim Klimawandel nicht nur um den Eisbär auf seiner schmelzenden Eisscholle in der Arktis. Es geht darum, dass die Menschen, die am Existenzminimum leben, den Klimawandel insgesamt am deutlichsten spüren – obwohl sie am wenigsten dazu beitragen.
Die größten Verursacher der Klimakrise haben die meisten Ressourcen, um sich gegen die Klimakrise abzusichern. Die, die nur wenig Schuld an den steigenden Temperaturen und dem steigenden Meeresspiegel haben, leiden oft am meisten unter der Klimakrise. Das könnte man als Klimaungerechtigkeit bezeichnen.
Es greift also deutlich zu kurz, nur „Klimaschutz“ zu fordern. Was wir brauchen, ist Klimagerechtigkeit:
- Klimaschutz heißt, jedes Land ergreift vor der eigenen Haustür Maßnahmen zum Kampf gegen die Klimakrise beziehungsweise passt sich an diese an.
- Klimagerechtigkeit benennt dagegen die große gemeinsame Verantwortung, die wir für den Klimaschutz haben – und die besondere Verantwortung der Verursacher:innen, entstandene Schäden wiedergutzumachen und neue Schäden zu verhindern. Eine genaue Definition des Begriffs „Klimagerechtigkeit“ findest du hier.
Dieser Begriff trägt viel Kraft in sich, weil er die Trennung zwischen sozialen und ökologischen Bewegungen aufhebt: Aktivist:innen, die scheinbar unterschiedliche Themen wie Frieden, Menschenrechte oder Umwelt besetzen, können sich hinter der Forderung nach Klimagerechtigkeit vereinen.
Woher stammt der Begriff Klimagerechtigkeit?
Um den Begriff Klimagerechtigkeit wirklich zu verstehen, lohnt es sich, ein Blick auf dessen historische Entwicklung zu werfen. In den 1960ern setzten sich weiße Amerikaner:innen gegen den Bau von Chemiekonzernen und Kraftwerken in ihrer Nachbarschaft ein, um gegen die Luftverschmutzung zu kämpfen. Das Ergebnis: Die Kraftwerke wurden stattdessen in die Nähe von Vierteln von ärmeren Bevölkerungsschichten verlegt, in denen vor allem Hispanics, Afroamerikaner:innen oder Native Americans wohnten.
Diese nahmen das nicht hin, sondern brachten den Vorwurf des Umweltrassismus vor und forderten Umweltgerechtigkeit. Als in den 1980ern erstmals das Thema Klimawandel aufkam, dauerte es nicht lange, bis die Forderung nach Umweltgerechtigkeit auch auf die Klimabewegung überschwappte. So entstand die Forderung nach Klimagerechtigkeit. Ausführlicher beschreibt das die Initiative degrowth.
Klimagerechtigkeit ist auch in der Debatte um CO2-Einsparungen ein wichtiges Thema:
- Es ist egal, wo CO2 eingespart wird, weil jedes eingesparte CO2 die Atmosphärenkonzentration beeinflusst.
- Aus ökonomischer Sicht ist es häufig am sinnvollsten, in Ländern des globalen Südens CO2 einzusparen. Da der Lebensstandard dort im Durchschnitt niedriger ist, sind Maßnahmen häufig günstiger. Industriestaaten können zum Beispiel den Staaten des globalen Südens Geld zahlen, damit dort Biogas- oder Solaranlagen errichtet werden können. Im Idealfall profitiert die ansässige Bevölkerung davon – zum Beispiel durch günstigen und sauberen Strom. Doch die kirchliche Initiative klima-kollekte.de mahnt an, dass Maßnahmen auch schädliche Auswirkungen haben können. Denkbar wäre beispielsweise, dass für den Bau eines Staudamms Menschen ihre Heimat verlieren oder Ökosysteme zerstört werden. Das wäre nicht klimagerecht.
Klimagerechtigkeit verbindet Klimaschutz und Menschenrechte
Bei der Forderung nach Klimagerechtigkeit kommt außerdem ein verbindendes Element hinzu: Die beiden Wissenschaftlerinnen Donatella della Porta und Louisa Parks beschreiben in einem Beitrag die Kooperationsmöglichkeiten, die der Frame Klimagerechtigkeit erschafft. Unter der Überschrift Klimagerechtigkeit können Umwelt- beziehungsweise Klimaschutzverbände mit Organisationen zusammenarbeiten, die sich für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte einsetzen. Klimagerechtigkeit schlägt also eine Brücke zwischen verschiedenen Verbänden.
Einfach gesprochen: Ein Umweltverband wie Greenpeace und ein Verband der Entwicklungshilfe wie Brot für die Welt kämpfen beide für Klimagerechtigkeit – erstere eher aus Umwelt- und Naturschutzgründen, letztere für eine globale soziale Gerechtigkeit. Die Klimakrise verstärkt viele soziale Probleme. Daher ist es nur logisch, dass auch Sozialverbände für Klimagerechtigkeit kämpfen. Sie fordern einen Klimaschutz, der nicht zulasten derer geht, die sowieso schon sozial benachteiligt sind. Stattdessen soll Klimaschutz gerecht sein.
Wenn sich Umwelt- und Sozialverbände verbünden, können sie mehr erreichen: Sie sind zahlenmäßig stärker und breiter aufgestellt.
Klimagerechtigkeit heißt Klimaschutz vor der eigenen Haustür
Außerdem, so die beiden Wissenschaftlerinnen, lässt die Forderung nach „Klimagerechtigkeit“ die Klimabewegung zu ihren Wurzeln zurückkehren und aktiv werden. Denn einhergehend mit der Forderung nach Klimagerechtigkeit ist das aktive Wirken auf lokaler Ebene. Das Verständnis, das dahinter steht, lautet: Klimaschutz muss vor unserer Haustür anfangen und darf nicht in andere Länder verlagert werden, nur weil es dort gegebenenfalls günstiger ist.
In Europa hat die Klimagerechtigkeitsbewegung noch einen besonderen Fokus, so degrowth: Hier geht der Kampf für Klimagerechtigkeit oft mit zivilem Ungehorsam einher. Fridays for Future fordern Klimagerechtigkeit ebenso wie die Aktivisten im Hambacher Forst. Bündnisse wie die Klima-Allianz vereinen zum Teil über 100 Organisationen aus verschiedenen Bereichen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Klimakrise nicht nur ein grünes, sondern auch ein soziales Thema ist. Die kirchliche Infostelle Klimagerechtigkeit wiederum läuft unter dem Slogan „Klimaschutz verbindet“. Kurz: Das Feld derer, die für Klimagerechtigkeit aktiv sind, ist groß.
Die US-amerikanische Organisation 350.org beschreibt die Klimagerechtigkeitsbewegung außerdem als eine Bewegung „vom Volk“. Lokale Organisationen und Privatpersonen üben Druck auf Großkonzerne und Regierungen aus, um Klimagerechtigkeit zu erreichen. Sie vertrauen nicht darauf, dass Regierungen „von oben“ diese Aufgabe übernehmen.
Was genau bedeutet die Forderung nach Klimagerechtigkeit?
Die Forderungen, die in Zusammenhang mit der Forderung nach Klimagerechtigkeit stehen, umfassen folgende Inhalte laut degrowth:
- den Verzicht auf fossile Brennstoffe und stattdessen den Ausbau sicherer, sauberer erneuerbarer Energien
- die Bezahlung von „Klimaschulden“ an den globalen Süden
- eine Ressourcenschonung, bei der auch die Menschenrechte, insbesondere die Rechte indigener Völker, bewahrt werden
- eine drastische Reduktion des Massenkonsums in Industrie- und Schwellenländern – wir sollten weniger neu kaufen, mehr reparieren, mehr teilen und tauschen
- eine nachhaltige, kleinbäuerliche Landwirtschaft
- ein Ende des kapitalistischen Wirtschaftssystems (siehe Donatella und Parks)
Diese Forderungen variieren von Organisation zu Organisation, da der Begriff der Klimagerechtigkeit mittlerweile von vielen Seiten gebraucht wird. Sie treffen dennoch in vielen Fällen den Kern. Zusammenfassend könnte man Klimagerechtigkeit als „Soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit statt Ungerechtigkeit und Raubbau“ umschreiben, wie es das Klimabündnis tut.
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