Wer Leinsamen im Supermarkt kauft, findet auf der Verpackung oft einen Warnhinweis, dass man diese nur zum Kochen und Backen verwenden soll. Sollte man Leinsamen also nicht roh ins Müsli geben? Wir erklären, was es mit dem Warnhinweis auf sich hat.
Seit Januar 2023 prangt auf vielen Verpackungen von Leinsamen der Hinweis „Nur zum Kochen und Backen verwenden. Nicht roh verzehren!“. Dieser Hinweis ist seitdem von der EU für gewisse Produkte vorgeschrieben.
Leinsamen sind gesund – enthalten aber giftigen Stoff
Grund dafür ist eine geänderte Verordnung zum Blausäure-Gehalt von Lebensmitteln. Blausäure oder Cyanwasserstoff ist für den Menschen hochgiftig – im schlimmsten Fall kann man dadurch sterben. Gleichzeitig kommt Blausäure in gebundener Form – als cyanogene Glukoside – natürlicherweise in einigen pflanzlichen Nahrungsmitteln vor, zum Beispiel in Leinsamen, Bittermandeln oder Aprikosenkernen. Beim Kauen oder anderen Formen der Bearbeitung kommen die Glukoside in Kontakt mit Enzymen, als Folge wird Blausäure freigesetzt.
Wenn man geschrotete Leinsamen isst, wird demnach mehr Blausäure freigesetzt als durch den Konsum ganzer Samen, die man mitunter unzerkaut hinunterschluckt. Trotzdem spricht einiges dafür, Leinsaat vor dem Verzehr zu zerkleinern, da der Körper sonst auch nicht an die gesunden Inhaltsstoffe der Samen, wie Omega-3-Fettsäuren, gelangt. Sie werden unverdaut ausgeschieden. Mehr dazu:
Erhitzen reduziert Blausäure in Leinsamen
Um die Gefahr einer Blausäurevergiftung durch Lebensmittel zu minimieren, gilt in der EU ein erlaubter Höchstgehalt. Für „unverarbeitete ganze, geriebene, gemahlene, geknackte oder gehackte Leinsamen, die für Endverbraucher in Verkehr gebracht werden“ legt die EU einen Grenzwert von 150 mg Blausäure pro Kilogramm Leinsamen fest. Dieser Grenzwert erhöht sich auf 250 mg, wenn das Produkt auf der Vorderseite den Warnhinweis trägt, dass man die Leinsamen nicht roh verzehren soll. Der Warnhinweis stellt also eine Möglichkeit dar, auch Leinsamen mit einem möglicherweise höheren Blausäuregehalt zu verkaufen.
Die Empfehlung, Leinsamen nicht roh zu verzehren, hängt mit dem Siedepunkt von knapp 26 Grad Celsius zusammen. Erhitzt man die Leinsamen, verflüchtigt sich der toxische Stoff, schreibt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
Leinsamen besser nicht roh essen?
Sollte man Leinsamen also keinesfalls roh essen? Nein – sofern man nicht zu viele davon isst, muss man keine Sorge vor einer Vergiftung haben. In geringen Mengen kann der Körper Blausäure abbauen. Laut Öko-Test gibt es keine Berichte von Vergiftungsfällen durch Leinsamen – anders als bei Aprikosenkernen. Das mag auch daran liegen, dass die Blausäure in Leinsamen eine geringere Bioverfügbarkeit aufweist als bei Aprikosen; es geht also weniger Blausäure ins Blut über, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) herausfand.
Laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist eine tägliche Aufnahme von cyanogenen Glukosiden von bis zu 20 μg pro Kilogramm Körpergewicht gesundheitlich unbedenklich. Für Konsument:innen ist dieser Richtwert jedoch nur bedingt hilfreich, da der Blausäuregehalt variieren kann.
So schickte Öko-Test im Jahr 2022 geschrotete Leinsamen von 20 Marken ins Labor. Bei sieben lag der Blausäuregehalt höher als 150 mg pro Kilogramm – also über dem Grenzwert, ab dem die Produkte seit 2023 einen Warnhinweis tragen müssen. Die Verbraucherschützer:innen kritisierten zudem, dass auf vielen Verpackungen ein Hinweis zur maximal empfohlenen Aufnahmemenge fehlt. Kleinkinder sollten laut Öko-Test keine rohen Leinsamen essen, einen Hinweis dazu vermissten die Tester:innen jedoch auf vielen Packungen.
Das BfR kam 2015 zum Schluss, dass eine Verzehrmenge von maximal 15 Gramm Leinsamen pro Mahlzeit gesundheitlich unbedenklich ist – auch bei hohem Blausäuregehalt der Samen. Das entspricht etwa eineinhalb Esslöffeln. Pro Tag sollten es höchstens 20 Gramm sein – Grund dafür ist ein weiterer Schadstoff, der sich in Leinsamen anreichern kann: Cadmium.
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