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Market Gardening: Biointensiver Gemüseanbau auf kleiner Fläche

Market Gardening
Foto: CC0 / Pixabay / anaterate

Market Gardening: Das bedeutet viel Gemüse auf wenig Fläche und Direktvermarktung über Wochenmärkte oder solidarische Landwirtschaft. Wir erklären dir, wie das Prinzip funktioniert und welche Vor- und Nachteile Market Gardening hat.

Was bedeutet Market Gardening?

Viel Gemüse auf kleiner Fläche – das klingt im ersten Moment nach viel Düngemitteleinsatz, aber im Gegenteil: Bei Market Gardening handelt es sich um biointensiven Gemüsebau, der ohne den Einsatz schwerer Maschinen wie Traktoren auskommt und teilweise mit sehr alten Arbeitstechniken betrieben wird. Das Prinzip stammt bereits aus dem 19. Jahrhundert, und zwar aus Frankreich. Seit der Kanadier Jean-Martin Fortier 2012 sein Buch „The Market Gardener“ veröffentlicht hat, erfreut es sich aber auch heute wieder größerer Beliebtheit.

Market Gardening funktioniert nach den regenerativen Prinzipien der Permakultur. Die Gemüsepflanzen werden dicht an dicht gepflanzt, um so möglichst viel Ertrag auf kleiner Fläche zu erzielen. Der Boden wird allerdings möglichst wenig bearbeitet. Für eine gute Bodenfruchtbarkeit sorgen Kompost oder organische Düngemittel, die regelmäßig auf der Fläche verteilt werden.

Weil Market Gardener ihren Gemüseanbau vorwiegend in Handarbeit betreiben, können sie eine Vielfalt an Sorten auf ihrer relativ kleinen Fläche anbauen. Typischerweise – daher auch der Name – verkaufen die Gärtner*innen ihre Produkte zum Beispiel auf Bauern- oder Wochenmärkten. Sie bieten das Gemüse aber auch in Form von solidarischer Landwirtschaft oder Bio-Abokisten an oder liefern an die regionale Gastronomie oder an Bioläden. All diese Formen haben gemein, dass es sich bei ihnen um Direktvermarktung handelt.

So funktioniert Market Gardening konkret

Beim Market Gardening werden Pflanzen wie Sellerie angebaut.
Beim Market Gardening werden Pflanzen wie Sellerie angebaut.
(Foto: CC0 / Pixabay / ulleo)

Geeignet für das Market Gardening sind vor allem Pflanzen, die nicht allzu viel Raum beanspruchen – etwa Sellerie, Salat oder Wurzelgemüse. Die Pflanzen sollen so dicht wachsen, dass dazwischen kein Platz mehr für Unkraut bleibt, sie aber selbst noch genug Raum haben, um gut wachsen zu können.

Die größte Maschine, die zum Einsatz kommt, ist laut der Website Permaglück ein motorbetriebener Einachser. Auch der bearbeitet den Boden nur oberflächlich. Die Pflanzflächen betreten die Gärtner*innen nicht und bearbeiten sie schon gar nicht mit schweren Traktoren. So bleibt der Boden locker und seine Bodenstruktur und Biodiversität erhalten. Mithilfe von Kompost, Gründüngung und Fruchtfolge fördern die Market Gardener das Bodenleben und erhalten die Fruchtbarkeit.

Verschiedene Handwerksgeräte unterstützen die Gärtner*innen in ihrer Arbeit. Dazu zählen beispielsweise der Tilther, der den Boden nur fünf Zentimeter tief fräst oder die Broadfork, eine Art breite Gabel, die zur Bodenbelüftung dient.

Alles in allem ähneln die Beete im Market Gardening in ihrer Anlage eher einem Hobbygarten: Schmale Gehwege führen durch die Anbaureihen hindurch. In der Regel sind alle Beete gleich breit, damit es leichter ist, sie mit Geräten zu bearbeiten. Außerdem sind Folientunnel als kleine Gewächshäuser und Silofolie zum Abdecken der Beete beliebte Hilfsmittel.

Das sind die Vorteile von Market Gardening

Market Gardening kommt praktisch ohne motorisierte Geräte aus.
Market Gardening kommt praktisch ohne motorisierte Geräte aus.
(Foto: CC0 / Pixabay / simonprodl)

Die Vorteile von Market Gardening, teilweise auch als Mikrofarming bezeichnet, liegen nicht nur in der nachhaltigen, umweltfreundlichen Bewirtschaftung, sondern auch in der Wirtschaftlichkeit der Anbauweise. Deshalb bezeichnet die Agrarwissenschaftlerin Dr. Dorothée Dreher, stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Lebensraum, Market Gardening auch als Zukunftsmodell für unsere Landwirtschaft.

Aus ökologischer Sicht hat ein Market Garden folgende Vorteile:

  • Er fördert die Artenvielfalt.
  • Auf den Flächen eines Market Garden entsteht Humus.
  • Der Flächenverbrauch ist verhältnismäßig gering.
  • Market Gardening verzichtet völlig auf den Einsatz von Pestiziden und künstlichen Düngemitteln.
  • Durch die enge Bepflanzung werden auch Ressourcen wie Wasser eingespart.

Ökonomisch gesehen ist Market Gardening ein guter Einstieg in die Landwirtschaft und bietet mit nur wenig Mitteln gute Erträge:

  • Als Startfläche eignet sich schon wenig Land: Wenige tausend Quadratmeter können bereits ein Einkommen für mehrere Personen generieren. Der Autor Jean-Martin Fortier schreibt, dass er auf einer Fläche von weniger als einem Hektar bereits vier volle Jahresgehälter generieren kann.
  • Auch die benötigten Geräte anzuschaffen ist deutlich weniger teuer als im herkömmlichen Gemüseanbau.
  • Biointensiver Gemüseanbau eignet sich daher gut für Einsteiger*innen.
  • Die Anbauart ist sehr effizient.
  • Durch die Direktvermarktung lassen sich lange Transportwege vermeiden.
  • Market Gardening fördert die Selbstversorgung und den regionalen Gemüseanbau.

Auch soziale Aspekte bringt das Market Gardening mit sich: Der Kontakt zu den Kund*innen ist viel enger, die gärtnerische Tätigkeit bringt Zufriedenheit und das Gefühl einer sinnstiftenden Tätigkeit mit sich, die dem Wohl des Planeten dient.

Vorkenntnisse aus dem Gemüsebau sind für Neueinsteiger*innen natürlich von Vorteil, aber für Menschen mit wenig Kenntnissen bietet das Buch „The Market Gardener“ einen guten Einstieg (du findest es zum Beispiel bei **Thalia oder **bücher.de).

Beim Market Gardening sind außerdem kleine Flächen von Vorteil: Denn die Handarbeit erlaubt es gar nicht, größere Flächen zu bewirtschaften. Wer doch mehr Platz zur Verfügung hat, kann seinen Market Garden noch mit Obststräuchern oder einem Waldgarten kombinieren. Denn im „klassischen“ Market Garden haben vor allem platzsparende einjährige Pflanzen Platz. Nicht alles eignet sich also für den Anbau im Market Garden.

Market Gardening in Deutschland

Die Erzeugnisse des Market Gardens werden typischerweise auf Wochenmärkten verkauft.
Die Erzeugnisse des Market Gardens werden typischerweise auf Wochenmärkten verkauft.
(Foto: CC0 / Pixabay / brigwa)

Auch in Deutschland findet das Konzept des Market Gardening immer mehr Anklang. In dem kleinen Ort Odernheim in Rheinland-Pfalz haben Kerstin und Marcel Mengewein ihre SoLaWi Permaglück aufgebaut und Beete nach dem Prinzip des Market Gardening angelegt. Sie arbeiten vollständig nach den Grundlagen der Permakultur und wollen auch andere dazu ermutigen. Daher sind die Mitglieder der SoLaWi auch immer wieder zum Mitarbeiten eingeladen und die beiden Gärtner bieten Beratungen und Fortbildungen an.

Ein Stück weiter soll der Market Garden auf dem Hengstbacher Hof der erste Baustein für das Kompetenzzentrum regenerative Landnutzung werden. Dort möchte die Stiftung Lebensraum Landwirte und Obst-, Gemüse- und Weinbauer darin schulen, wie sie etwa die Bodenfruchtbarkeit fördern und Humus aufbauen. Das Projekt ist im März 2020 angelaufen und im ersten Jahr sollen 20 Gemüsearten angebaut werden, darunter Aubergine, Salatsorten, Paprika und Tomate. Die Stiftung legt außerdem Wert darauf, das Ganze zu dokumentieren und wissenschaftlich zu erforschen, um daraus fundierte Erkenntnisse abzuleiten.

Auch das deutsche Permakultur-Institut bietet schon einen Kurs an, in dem es eine Einführung in Permakultur und Market Gardening gibt.

Solltest du selbst Interesse daran haben, in die ökologische Landwirtschaft einzusteigen, könnte Market Gardening für dich also eine tolle Einstiegschance bieten.

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