Auf Netflix ist die zweite Staffel der Doku „Rotten“ („Verdorben“) verfügbar. In sechs neuen Folgen üben die Filmemacher Kritik an der Nahrungsmittelindustrie, die in ihren Augen „verdorben“ ist…
Netflix-Doku „Rotten“ („Verdorben“).
Streaming-Dienst Netflix hat eine neue Staffel der Doku-Reihe „Rotten“ veröffentlicht, die den deutschen Namen „Verdorben“ trägt. Rotten gewährt Einblicke in die Nahrungsmittelindustrie und hinterfragt diese kritisch. Die zweite Staffel enthält fünf Folgen:
- Der Avocado-Krieg
- Die Herrschaft des Terroir
- Wasser in Gefahr
- Ein süßer Deal
- Bittere Schokolade
- High auf Lebensmittel
Die Titel sind sehr reißerisch und spiegeln den Ton der amerikanischen Doku-Reihe wider. Komplexe Probleme verknüpft Netflix mit dem Schicksal einzelner Protagonisten, sodass auch schwierige Themen durch einen emotionalen Zugang für den Zuschauer begreifbar werden.
Das Ziel der Filmemacher ist, Kritik an der Nahrungsmittelindustrie zu üben. „Rotten“ zielt darauf ab, Missstände aufzudecken und anzuprangern. Die oftmals tragischen Schicksale einzelner Protagonisten ergeben in ihrer Gesamtheit ein desolates Gesamtbild der globalen Nahrungsmittelindustrie.
Netflix-Doku „Rotten“ klagt an
Die Filmemacher nutzen die von ihnen ausgewählten Beispiele als Mittel, um ihre Kernbotschaft an den Zuschauer zu vermitteln: Die globale Nahrungsmittelindustrie sei „verdorben“. Es werden zwar Befürworter und Kritiker zu Wort. Doch insgesamt ist die Netflix-Doku vor allem ein Anklageschreiben. Die Argumente der Filmemacher sind aber durchaus valide und berechtigt. Es fehlt aber etwas an Raum, um sich selber ein eigenes Bild zu machen.
So kritisieren die Filmemacher beispielsweise in der Folge „Wasser in Gefahr“ die Trinkwasserindustrie. Sie prangern an, dass Unternehmen Grundwasser zum Spottpreis oder sogar kostenfrei abpumpen und zu hohen Preisen an die heimische Bevölkerung verkaufen. Besonders in Entwicklungsländern, in denen der Staat kein sauberes Trinkwasser zur Verfügung stellt, nutzen die Wasserunternehmen die Not der Menschen aus, so der Vorwurf. Die Filmemacher schließen sich daher der Forderung der Vereinten Nationen an, sauberes Trinkwasser zum Menschenrecht zu erklären und nicht in die Hände einiger Großkonzerne zu geben. Dies sind starke Argumente und die Schlussfolgerungen sind durchaus berechtigt.
Kritisch anmerken könnte man hier aber, dass die Doku nicht alle Aspekte beleuchtet. Zum Beispiel hat Australien als Antwort auf die Wasserknappheit einen Wassermarkt geschaffen. Wasser besitzt dort einen bestimmten Preis und wird an der Börse gehandelt. So muss die Trinkwasserindustrie das Wasser zunächst zu einem echten Preis kaufen, bevor sie es weiterverkaufen kann. Dies betrifft dann auch Landwirte, die laut WWF für einen Großteil der Wasserverschwendung verantwortlich sind. Ein Wasserpreis könnte Anreiz für die Landwirtschaft sein, mit den vorhanden Wasserressourcen sparsamer umzugehen. Aus ökologischen Gesichtspunkten können Wassermärkte mehr bewirken als frei zur Verfügung stehendes Wasser. Deshalb unterstützen auch viele Umweltschutzorganisation die Schaffung dieser Märkte, damit Wasser nicht an falscher Stelle verschwendet wird. Dennoch sind Wassermärkte (wie in Australien) umstritten, setzt man doch lebensnotwendiges Wasser den Börsenspekulationen aus. In Australien hat sich der Wasserpreis seitdem verzehtfacht und wird angesichts der Dürre weiter steigen.
Rotten stößt eine wichtige Diskussion an
Rotten beleuchtet viele interessante Punkte, die zum Nachdenken anregen. So zeigt die Dokumentationsreihe eindrucksvoll auf, welche Folgen die globalisierte Welt für die Menschen hat. Wir beziehen mittlerweile Lebensmittel aus aller Welt, die lange Transportwege hinter sich haben und teils zu unmenschlichen Bedingungen produziert wurden. Wir sind abhängig von einigen wenigen Industriekonglomeraten, die nahezu die gesamte Nahrungsmittelindustrie beherrschen. Unsere das ganze Jahr über mit exotischer Ware gefüllten Supermärkte haben wir weltweiten Handelsnetzen zu verdanken.
Vielen Menschen in Industrieländern ist mittlerweile auch bewusst, dass unser heutiger Lebensstil nicht besonders nachhaltig ist. Wir sind einen gewissen Luxus gewöhnt, den wir uns nur schwer abgewöhnen können. Was wir im Supermarkt an Preisen sparen, geht zulasten der Produzenten und der Umwelt.
In diesen Punkten stößt Rotten eine spannende Diskussion an, der wir uns auch in Zukunft stellen müssen. Schade nur, dass Rotten dabei sehr reißerisch daherkommt. Die Dokumentationsreihe ist sehr unterhaltsam, an manchen Stellen wäre eine stärkere sachliche Diskussion aber wünschenswert.
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