Die Paludikultur fokussiert sich auf die Erhaltung der Moore, denn diese sind die effektivsten CO2-Speicher an Land. Die Landwirtschaftsform vereint damit Natur- und Klimaschutz mit ökonomischem Nutzen. Doch sie steht dabei vor Herausforderungen.
Vor allem in den Küstenregionen Norddeutschlands findest du noch zahlreiche Häuser mit Reetdach, eine der ältesten Dachkonstruktionen der Welt. Für das Reetdach wird eine Menge Schilfrohr benötigt. Dessen gezielter Anbau ist ein Beispiel für die sogenannte Paludikultur. „Palus“ bedeutet auf lateinisch „Sumpf“ oder „Morast“. Bei der Paludikultur handelt es sich also um eine Art der Landwirtschaft, die sich auf die Bewirtschaftung von Feuchtgebieten oder nassen Flächen konzentriert.
Dabei hat die Paludikultur jedoch nicht nur einen ökonomischen Wert für die Landwirt:innen, die diese Flächen bewirtschaften. Diese Form der Landwirtschaft zielt auch darauf ab, einen Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise und zum Erhalt der Biodiversität zu leisten.
Mit Paludikultur Moore schützen
Die Idee hinter der Paludikultur ist es, Feuchtgebiete gleichzeitig wirtschaftlich effizient und ökologisch nachhaltig zu nutzen. Daher fokussiert sich diese Bewirtschaftungsform vorrangig darauf, degradierte Moore zu schützen. Moore sind verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt: Massiver Torfabbau, stetige Entwässerung, um Moore für die konventionelle Landwirtschaft trockenzulegen, sowie Bebauung stören das Ökosystem Moor massiv. Aber auch Klimaveränderungen und erhöhte Nährstoffeinträge (Eutrophierung) beeinträchtigen seine Funktionsfähigkeit und Vielfalt.
Dabei sind gesunde Moore unerlässlich für den Klima- und Umweltschutz:
- Moore bieten zahlreichen Pflanzen und Tierarten einen Lebensraum.
- Der wasserreiche Boden bildet natürliche Pufferzonen, die Hochwasser zurückhalten.
- Moore speichern mehr Kohlenstoff als jedes andere Ökosystem an Land und helfen so, die Emissionen von Treibhausgasen zu senken.
Warum Paludikultur so wichtig für das Klima ist
Die Speicherung von CO2 trifft aber nicht auf entwässerte Moore zu. Ganz im Gegenteil: Laut dem Umweltbundesamt (UBA) emittieren trockengelegte Moorböden in Deutschland pro Jahr etwa 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht rund 7,5 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen. Denn bei der Trockenlegung kommt der Kohlenstoff, der teilweise Jahrtausende lang im Torf gebunden war, mit Sauerstoff in Kontakt, oxidiert und gelangt so in die Atmosphäre. Dirk Messner, Präsident des UBA, betont deshalb: „Nur wenn wir unsere Moorböden anders nutzen, können wir unsere Klimaschutzziele erreichen.“
In Deutschland liegen laut dem UBA aktuell mehr als 92 Prozent der Moorflächen trocken. Drei Viertel davon dienen der landwirtschaftlichen Nutzung, zum Beispiel als Acker- und Weideflächen. Diese Flächen machen zwar nur sieben Prozent aller landwirtschaftlich genutzten Flächen aus, sind aber für rund 37 Prozent der Emissionen aus der Landwirtschaft verantwortlich.
Das heißt: Anstelle Moore weiter trockenzulegen, damit aus ihnen Ackerflächen entstehen, müssen sie verstärkt wieder bewässert werden. Das Ziel dabei ist, den Wasserstand im Moor auf ein ausreichend hohes Niveau zu bringen, damit der Kohlenstoff im Torf gebunden bleibt und nicht als CO2 freigesetzt wird.
Eine traditionelle landwirtschaftliche Nutzung ist auf wiedervernässten Flächen dann jedoch nicht mehr möglich. Für Landwirt:innen ist es auf den ersten Blick somit wenig reizvoll, ihre auf entwässerten Mooren angelegten Ackerflächen zugunsten der Wiedervernässung aufzugeben.
Hier setzt die Paludikultur als eine attraktive Möglichkeit an, den Schutz der Moore und ihren wirtschaftlichen Nutzen zu vereinen.
Wie funktioniert Paludikultur?
In Paludikulturen bauen Landwirt:innen auf wiedervernässten Mooren Pflanzenarten an, die einen hohen Wasserstand gut vertragen und neue Wertschöpfungsketten eröffnen. Das ökologische sowie bioökonomische Potenzial der Paludikultur liegt dabei unter anderem im Anbau von Schilf und Rohrkolben, denn diese Pflanzen bilden potenziell nicht nur Torf, sondern sind auch Energiepflanzen: Sie produzieren Biomasse, also pflanzliches Material, aus dem sich Erneuerbare Energie gewinnen lässt. Biogasanlagen, die Schilf und Gräser verwerten, sind der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) zufolge bereits in Betrieb.
Weiterhin kann die Paludikultur auch durch den Anbau und das Ernten von Torfmoosen für Landwirt:innen ökonomisch interessant werden. Diese Pflanzen eignen sich nämlich gut als Ersatz für Torf in gartenbaulichen Substraten und Erden. Wirklich profitabel ist Paludikultur derzeit aber noch nicht. Bisher ist diese Bewirtschaftungsform eher ein Verlustgeschäft für die Landwirt:innen. Ohne Weiteres können sie Schilf und Moose schließlich nicht auf wiedervernässten Mooren anbauen. Sie müssen sich dafür schließlich komplett umstrukturieren und neue Technik anschaffen.
Die Forschung arbeitet aber zurzeit an der Entwicklung von Instrumenten und Verfahren, die die Paludikultur praxistauglicher machen sollen. So erforschen Wissenschaftler:innen laut der FNR zum Beispiel, wie sie Torfmoose in einem Bioreaktor vermehren können, um daraus „Saatgut“ zu produzieren, mit denen Landwirt:innen neue Torfmoos-Paludikulturflächen anlegen können.
Fazit: Paludikultur ist unerlässlich, aber Anreize fehlen
Die Paludikultur ist eine noch recht junge Bewirtschaftungsform. Dementsprechend groß ist die Zurückhaltung unter Landwirt:innen. Für sie geht die Wiedervernässung ihrer Ackerflächen noch mit Unsicherheit und möglicherweise Verlustgeschäften einher. Doch angesichts des enormen Potenzials, das Moore für den Klimaschutz haben, ist es unerlässlich, diese Feuchtgebiete wiederherzustellen und zu schützen.
Im Gegensatz zu einer reinen Restauration von Mooren, die keinen landwirtschaftlichen Nutzen mit sich bringt, bietet die Paludikultur eine wertvolle Kombination aus Naturschutz und neuen ökonomischen Perspektiven. Es liegt an der Politik, letztere für die Landwirt:innen attraktiver zu machen.
Das Umweltbundesamt beschäftigt sich daher derzeit mit der Frage, welche finanziellen Anreize Landwirt:innen zu einer freiwilligen Wiedervernässung bewegen könnten.
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