Die progressive Muskelentspannung nutzt die Verbindung der Muskeln zum Gehirn. Mithilfe von alltagstauglichen Übungen lernst du, auch bei Stress gelassen zu bleiben.
Die progressive Muskelentspannung ist eine Entspannungstechnik. Durch das bewusste Anspannen und Entspannen der Muskeln kommen Körper und Geist zur Ruhe. Für die progressive Muskelentspannung (PME) steht auch oftmals die Bezeichnung progressive Muskelrelaxation (PMR).
Die Methodik entwickelte der Arzt Edmund Jacobson schon in den 1920er Jahren. Er beobachtete laut der AOK, dass seelische Anspannungen mit der Verspannung von Muskeln in Verbindung stehen. Die von Jacobson entwickelten Übungen ermöglichen, seelische Spannungen durch die gezielte Entspannung von Muskeln zu lösen.
Was ist progressive Muskelentspannung?
Ursprünglich entwickelte Edmund Jacobson seine progressive Muskelentspannung der AOK zufolge mit rund 30 Übungen, um sehr detailliert die einzelnen Muskelgruppen anzusprechen. Inzwischen fassen Fachleute größere Muskelgruppen zusammen, sodass heutzutage eine vereinfachte Methode für 16 Muskelgruppen üblich ist.
Die progressive Muskelentspannung nutzt die natürlichen Entspannungsmechanismen der Muskeln. Sobald du Stress oder Angst empfindest, schüttet dein Körper Adrenalin aus und die Muskeln verkrampfen sich. Dieser Muskelreflex ist ein Erbe unserer Ahn:innen, die bei Gefahr blitzschnell entscheiden mussten, ob sie kämpfen oder flüchten sollen.
Der moderne Alltag bietet meist wenig Raum, um den Stress natürlich abzubauen. Oft kannst du deinem Impuls, dich zu bewegen, nicht nachgeben und musst ruhig sitzen bleiben. Den Muskeln fehlt nach einer solchen Situation das Signal, sich wieder zu entspannen.
Hier setzt nun die Muskelentspannung nach Jacobson an.
So wirkt progressive Muskelentspannung
Das Ziel der progressiven Muskelentspannung ist es, den Muskel in einen völlig entspannten Zustand zu bringen. Davon profitiert nicht nur dein Körper: Laut der AOK entspannen lockere Muskeln auch die Nerven. Die progressive Muskelentspannung hilft somit, die Spirale von Schmerzen, Verspannungen und Stress zu lösen.
Darüber hinaus hat progressive Muskelrelaxation noch weitere positive Wirkungen:
- Besseres Körpergefühl: Du kannst verspannte Muskelpartien aufspüren und aktiv die Muskeln lösen.
- Stress abbauen: Du lernst, in stressigen Situationen bewusst die Muskeln zu entkrampfen. Dadurch kannst du gelassener reagieren.
- Besser schlafen: Wendest du die Muskelentspannung regelmäßig an, fällt es dir leichter, abzuschalten und du schläfst ruhiger. Dein Körper erhält so die notwendige Ruhepause, um wieder Kraft zu schöpfen.
- Beugt Bluthochdruck vor: Deine allgemein entspannte Grundhaltung wirkt sich positiv auf deinen Körper aus und verringert das Risiko für Bluthochdruck.
Mit der Muskelentspannung nach Jacobson kannst du auch nur gezielt Muskelgruppen entspannen, die beispielsweise für Rücken– oder Kopfschmerzen verantwortlich sind.
Progressive Muskelentspannung ist alltagstauglich
Für die progressive Muskelrelaxation brauchst du keine besondere Trainingskleidung. Du kannst die Übungen auf einem Stuhl sitzend durchführen oder du legst dich dazu hin.
- Du kannst im Alltag zwischendurch einige Übungen einbauen und dir so eine Auszeit nehmen.
- Oder du gönnst dir zu Hause eine halbe Stunde intensivere Entspannung, zum Beispiel bevor du ins Bett gehst.
Wichtig ist, dass du dich auf deinen Körper konzentrierst und den Alltag ausblendest. Einigen hilft es dabei, entspannende Musik zu hören. Entscheide du, womit es dir am besten gelingt.
Die Übungen und Grundlagen der progressiven Muskelentspannung kannst du dir leicht selber beibringen. In einer Buchhandlung in deiner Nähe findest du bestimmt passende Bücher oder Lehrmaterial für das Selbststudium.
Wenn du lieber in einer Gruppe üben möchtest, gibt es Kurse bei ausgebildeten Trainer:innen zum Beispiel in den Volkshochschulen. Sie zeigen dir die richtige Anwendung der Übungen, sodass du sie später selbstständig durchführen kannst.
Die positive Wirkung der progressiven Muskelentspannung ist eine medizinisch anerkannte Therapie. Erkundige dich daher bei deiner Krankenkasse, sie übernehmen häufig die Kosten oder Kursgebühren. Einige Krankenkassen bieten auch eigene Kurse an.
Progressive Muskelentspannung: Eine einfache Übung
Bei den Entspannungsübungen der progressiven Muskelentspannung aktivierst du einzelne Muskelgruppen für einige Sekunden, um sie dann wieder zu entspannen. Die Muskeln reagieren dabei ähnlich wie ein Gummiband, das du erst dehnst und dann plötzlich loslässt.
Bei der progressiven Muskelentspannung gehst du systematisch vor und entspannst durch die Übungen eine Muskelgruppe nach der anderen. Hier ein ausführlicheres Beispiel für die Arme:
- Balle die rechte Hand zur Faust. Dadurch spannst du die Muskeln in der Hand und im Unterarm an.
- Halte die Spannung für etwa zehn Sekunden und konzentriere dich nur auf deine Hand. Spüre, wie du dort die Muskeln anspannst. Achte aber darauf, sie nicht zu verkrampfen.
- Während die Muskeln gespannt sind, strömt vermehrt Blut zu den Zellen.
- Löse dann die Muskelspannung, indem du dir vorstellst, alles loszulassen. Spüre, wie sich deine Muskeln entspannen. Du merkst, dass sich die rechte Hand jetzt anders anfühlt als die linke.
- Auch wenn du die Faust wieder gelöst hast, bleiben deine Hand und Arm noch gut durchblutet. Ein angenehmes, warmes Gefühl breitet sich aus.
- Diese bewusste Entspannung lässt du etwa für 30 Sekunden auf dich wirken.
- Dann spannst du nach der gleichen Weise den rechten Oberarm und Bizeps an.
Wiederhole die Übungen mit dem linken Arm. Danach sind die weiteren Körperteile an der Reihe: Fange mit den Füßen an und arbeite dich hoch bis zu den Hüften. Schließlich entspannst du noch das Gesäß, den Bauch, den Rücken und die Schultern.
Wenn du Übungen zur progressiven Muskelentspannung in deinen Büroalltag einbauen möchtest, wende sie insbesondere auf deine Nacken- und Stirnmuskeln an. Sie sind durch den Stress und die Arbeit am Bildschirm häufig verspannt.
Progressive Muskelentspannung: zum Schluss den Kreislauf wieder ankurbeln
Zum Abschluss solltest du die Entspannung bewusst beenden. Durch die Entspannung ist dein Kreislauf niedriger als sonst. Auch deine Gedanken müssen erst wieder im Hier und Jetzt ankommen. Diese kleinen Tricks helfen dir dabei:
- Bewege locker Zehen und Hände.
- Richte dein Bewusstsein weg von deinem Körper und nimm stattdessen die Umgebung wahr.
Die progressive Muskelentspannung in der Psychotherapie
Oftmals verwendet auch die Psychotherapie die progressive Muskelentspannung nach Jacobson bei den Therapien:
- Verhaltenstherapien nutzen die progressive Muskelrelaxation zum Beispiel zur Behandlung von Ess- oder Schlafstörungen.
- Für die Therapie von psychischen Störungen, wie Angstzuständen, wenden Ärzt:innen mitunter spezielle, weiterentwickelte Methoden an. Die systematische Desensibilisierung nutzt die Übungen der progressiven Muskelentspannung, um zum Beispiel Phobien zu behandeln.
- Der Berufsverband für Psychiatrie empfiehlt außerdem, progressive Muskelentspannung bei Kindern anzuwenden, die sich oft aggressiv, nervös oder ängstlich verhalten. Kinder können ab etwa sechs Jahren die Übungen nach Jacobson zur Muskelentspannung nutzen. Für sie gibt es Kurse, bei denen die Übungen spielerisch in Erlebniswelten eingebaut sind.
Für wen ist progressive Muskelentspannung geeignet?
Nicht für alle ist die Muskelentspannung nach Jacobson ideal. Eine Studie zeigt, dass es unterschiedliche Entspannungstypen gibt, die verschiedene Techniken bevorzugen. Wenn du dich am besten durch Bewegung entspannen kannst, ist die progressive Muskelentspannung eine gute Methode für dich.
Bei einer akuten Erkrankung solltest du immer vorher ärztlichen Rat einholen, ob progressive Muskelrelaxation für dich geeignet ist. Das gilt insbesondere, wenn du an einer akuten Psychose, Herzmuskelschwäche oder Muskelerkrankungen sowie Muskelkrämpfen leidest.
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