Äußerlich nicht mehr ganz so perfektem Obst und Gemüse eine zweite Chance geben, ist ein lobenswerter Ansatz. Der Discounter Lidl will mit der „Retter-Tüte“ Lebensmittel vor der Tonne retten. Was ist drin in der Tüte? Wie viel lässt sich damit sparen? Wir haben uns die „Retter-Tüte“ näher angeschaut.
Jedes Jahr landen in Deutschland ca. 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll (Zahlen des Statistischen Bundesamts für 2020, wobei die Deutsche Umwelthilfe höhere Mengen schätzt). Zu knapp 60 Prozent sind die privaten Haushalte – also jede:r einzelne von uns – dafür verantwortlich. Aber auch beim Handel fallen jede Menge Lebensmittelabfälle an. Mittlerweile haben alle großen Supermärkte Initiativen entwickelt, um Lebensmittel vor der Tonne zu retten: Produkte, die das Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht haben, werden in „Rabatt-Ecken“ angeboten, Lebensmittel werden an die Tafel gespendet – und Obst und Gemüse, das nicht mehr ganz frisch ist, wird günstiger angeboten.
Beim Discounter Lidl gibt es die „Rette mich“-Tüte: „Mit der Tüte wird äußerlich weniger perfekten, aber verzehrfähigen Obst- und Gemüseprodukten zum rabattierten Einheitspreis von drei Euro pro Tüte eine zweite Chance gegeben“, so erklärt das Unternehmen sein Angebot.
Das Angebot bringt zwei Vorteile mit sich: Das Unternehmen kann Lebensmittel retten (Lidl gibt an, bis 2025 seine Lebensmittelverluste um 30 Prozent reduzieren zu wollen) und wir Verbraucher:innen kommen so günstig an Obst und Gemüse. In Zeiten hoher Lebensmittelpreise eine gute Möglichkeit, Geld zu sparen, ohne dabei auf gesunde Vitamine verzichten zu müssen.
Was hat es mit der „Rette mich“-Tüte auf sich?
Die „Rette mich“-Tüte gibt es deutschlandweit in allen Lidl-Filialen für drei Euro zu kaufen. In der Tüte findet sich eine bunte Mischung aus Obst und Gemüse – sie ist bis zu fünf Kilogramm schwer, so Lidl. Der Wert der enthaltenen Produkte variiert. Die Papiertüten sind offen und stehen in Regalen im Discounter, jede:r kann also vor dem Kauf einen Blick hineinwerfen und weiß damit ungefähr, was ihn oder sie erwartet.
Selbiges haben auch wir getan: Wir haben eine „Retter-Tüte“ gekauft und genau unter die Lupe genommen.
Lidl-Rettertüte: Lebensmittel retten für 3 Euro – was ist drin?
In unserer Tüte (gekauft im September 2024) fanden sich:
- 1 Bund Dill (leider in Plastik verpackt): frisch
- 1 gelbe und 1 grüne Paprika: schon ziemlich weich, aber noch einwandfrei
- 3 Äpfel: knackig und frisch
- 1 Banane (Fairtrade): einwandfreie Qualität, eher noch ein bisschen unreif
- 1 Mango: noch unreif
- 1 Kopf Wirsing: einwandfrei
- 6 Karotten: noch knackig, optisch aber nicht mehr taufrisch
- 1 Grapefruit: schon ein bisschen verschrumpelt
Fazit: In diesem Fall ist die Retter-Tüte ein richtiges Schnäppchen: Die Produkte sind von Gammelware weit entfernt und können allesamt in den wöchentlichen Speiseplan integriert werden.
Bei den meisten Produkten können wir nicht nachvollziehen, warum sie in der Retter-Tüte gelandet sind. Dill, Äpfel, Wirsing, Mango und Banane waren in sehr gutem Zustand und eher zu unreif als zu reif.
Wer sonst beim Obst- und Gemüsekauf auf regionale Bio-Ware setzt, wird mit der Tüte sicher nicht glücklich: Kein Produkt war als Bio-Ware erkennbar, die Banane immerhin Fairtrade. Grapefruits, Bananen und Mangos um diese Jahreszeit zu kaufen, ist keine gute Idee. Denn im Frühherbst gibt es bei uns so viel frisches regionales und saisonales Obst, dass Früchte, die eine halbe Weltreise hinter sich haben, ökologisch alles andere als sinnvoll sind.
Lässt sich mit der Retter-Tüte Geld sparen?
Lebensmittel retten ist ein Argument für die Retter-Tüte. Aber wie viel Geld lässt sich mit unserer Beispieltüte unterm Strich sparen? Wir haben nachgerechnet, die Produkte gewogen und mit den derzeit aktuellen Preisen in derselben Filiale verglichen:
- 1 Bund Dill: 1,39 Euro
- 1 gelbe und 1 grüne Paprika: 0,53 Euro
- 3 Äpfel: 1 Euro
- 1 Fairtrade-Banane: 0,33 Euro
- 1 Mango: 1,90 Euro
- 1 Wirsing: 0,84 Euro
- 6 Karotten: 1,03 Euro
- 1 Grapefruit: 0,79 Euro
Fazit: Nicht schlecht! Wir haben 3 Euro für Ware bezahlt, für die wir sonst 7,81 Euro hätten bezahlen müssen.
„Rette mich“-Tüte – unsere Meinung
Die Qualität der Ware war besser als erwartet. Denn im Netz gibt es nicht nur Lob für die Tüte, sondern auch viele Kommentare von enttäuschten Käufer:innen. Auf Facebook schreibt zum Beispiel Denise H.: „Eigentlich eine mega tolle Sache. Ich würde auch gerne viele von diesen Tüten kaufen, aber bei uns sind leider immer nur Lebensmittel drinnen, die schon verschimmelt sind …“
Keine Frage, die geretteten Lebensmittel lassen sich nicht ewig lagern. Da heißt es also: schnell sein, kreativ sein – und das Obst und Gemüse zeitnah verzehren, nicht dass es doch noch im Müll landet. Wir hatten bei unserer Tüte kein Problem, die Produkte aufzubrauchen: Die Früchte haben wir nachreifen lassen und zu einem leckeren Obstsalat verarbeitet, der großen Bund Dill wurde kleingeschnitten und eingefroren, aus Karotten und Paprika wurde eine köstliche Suppe und aus dem Wirsing eine leckere Beilage.
Allerdings war es nicht leicht, überhaupt eine Retter-Tüte zu ergattern: Viele Mal war das Regal leer, egal zu welcher Zeit wir einkaufen waren. Lidl meint dazu: „Die Retter-Tüten werden durch die Kollegen in den Filialen nach Bedarf gepackt und sind nicht an eine bestimmte Tageszeit gebunden“. Deshalb am besten vor Ort nachfragen, wann die Tüten gepackt und in den Verkauf gebracht werden.
Kritik an der Retter-Tüte
Neben der Kritik an der Qualität der Produkte wird auch bemängelt, dass der Discounter mit Obst und Gemüse Geld macht, das man eigentlich auch der Tafel spenden könnte. Laut Lidl wird die seit 15 Jahren bestehende Zusammenarbeit mit den Tafeln aber fortgeführt: „Mit der Rettertüte schaffen wir zusätzlich zur Abgabe von Lebensmitteln an die Tafeln einen weiteren Baustein für unsere Nachhaltigkeitsstrategie“, erklärt Christian Härtnagel, Geschäftsleitungsvorsitzender von Lidl in Deutschland.
Übrigens: Auch in anderen Lebensmittelmärkten gibt es gelegentlich krummes oder älteres Obst und Gemüse vergünstigt zu kaufen. Weitere Möglichkeiten, Lebensmittel zu retten und dabei Geld zu sparen, sind die App Too Good To Go und der Onlineshop Motatos. Oder du ziehst eigenes Gemüse aus Resten nach: Regrowing: Gemüse einfach auf der Fensterbank nachwachsen lassen.
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