Zusatzstoffe und E-Nummern sind bei Verbraucher:innen unbeliebt. Wir greifen im Supermarkt lieber zu Lebensmitteln, die ohne auskommen. Doch „frei von xy“ ist zuweilen Augenwischerei: Zunehmend verstecken sich Zusatzstoffe hinter freundlicheren Bezeichnungen.
Clean Labeling nennt sich das Bestreben der Lebensmittelindustrie, die Etiketten möglichst „sauber“ zu halten: Die Produkte sollen zumindest auf dem Papier der Zutatenliste „frei von“ sein, denn das kaufen die Kund:innen lieber: Frei von zum Beispiel Farbstoffen, Konservierungsstoffen, Aromen, Geschmacksverstärkern, E-Nummern, Zucker und Fett.
Den Verbraucher:innen wird suggeriert, das Produkt sei gesund, natürlich und frei von ungewünschten Zusatzstoffen. Doch die Hersteller tricksen: Unbeliebte Zusatzstoffe werden einfach durch Alternativen ersetzt, die eine ähnliche Wirkung haben, jedoch nicht als Zusatzstoff gekennzeichnet werden müssen. Wir zeigen, worauf du achten musst.
„Frei von Geschmacksverstärkern“ – dank Würze, Tomaten oder Soja
Der Geschmacksverstärker Glutamat wird für viele Beschwerden, Krankheiten und Symptome verantwortlich gemacht. Die Lösung der Lebensmittelindustrie war zunächst: „Hefeextrakt“. Das klingt unschuldig, ist aber eben auch ein Geschmacksverstärker – lies dazu auch Ist Hefeextrakt das neue Glutamat?
Bei unserer Recherche im Supermarkt entdecken wir die Knorr Fix Rahm Champignons mit dem Versprechen „ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe“ – und entdecken in der Zutatenliste die geschmacksverstärkende Zutat Hefeextrakt. Rein rechtlich ist das stimmig: Hefeextrakt gilt nicht als Zusatzstoff. Wir fühlen uns trotzdem veräppelt. Verbraucherschützer*innen sehen das ebenso: Die Verbraucherzentrale Sachsen hat Unilever wegen solcher Versprechen bereits verklagt – jedoch ohne Erfolg.
Vom Trick mit Hefeextrakt haben inzwischen viele Verbraucher gehört, deshalb wird vermehrt auf andere Zutaten gesetzt: Sojaprotein, Tomatenpulver oder Würze müssen – trotz ihrer geschmacksverstärkenden Wirkung – auf der Zutatenliste nicht als Geschmacksverstärker angegeben werden.
Aber was genau ist „Würze“ eigentlich? „Würze“ muss zwar nicht als Zusatzstoff angegeben werden, ist aber dennoch alles andere als natürlich: Sie wird durch die chemische oder enzymatische Spaltung von Protein aus pflanzlichen Rohstoffen wie Raps, Mais, Weizen oder Soja hergestellt. Die flüssige, pulvrige oder feste Würze enthält große Mengen an proteingebundener Glutaminsäure und wirkt daher im Lebensmittel geschmacksverstärkend. Und so ist das oft auch gewollt.
Während die Spaghetti Bolognese von Maggi vor wenigen Jahren noch die Zutat „Würze (aus Weizen)“ anstelle von Geschmacksverstärkern enthielt, finden sich heute (Stand: November 2020) Hefeextrakt und diverse Gewürze in der Zutatenliste.
Auf unsere Nachfrage gibt das Unternehmen die folgende Antwort: „Die Überarbeitung der Produkte ist ein längerfristiger Prozess, in dem verschiedenste Aspekte berücksichtigt werden müssen. Es geht dabei um die einzelnen Zutaten und ihr Verhältnis zueinander, die Nährwerte, die technologische Machbarkeit und den leckeren Geschmack. Heute verzichten wir zum Beispiel in über 95 % der Maggi Produkte auf geschmacksverstärkende Zusatzstoffe. Einen Claim hierzu verwenden wir auf unseren Produkten nicht. […] Entsprechend der geschmacklichen Präferenzen der Verbraucher haben wir das Produkt über die vergangenen Jahre schrittweise weiter optimiert und haben kontinuierlich den Tomatenanteil auf mittlerweile 41,5 Prozent erhöht.“
Frei von künstlichen Farbstoffen: dank Rote-Bete, Johannisbeeren und Algenpulver
Viele Lebensmittelhersteller verzichten inzwischen auf bedenkliche künstliche Farbstoffe wie beispielsweise die E-Nummer E110 – Gelborange S. Farbenfrohe Bonbons, Gummibärchen oder Getränke sind aber oft nur dank zugesetzter Farbstoffe so leuchtend bunt, wie Kinder das lieben.
„Frei von künstlichen Farbstoffen“ bedeutet also nicht unbedingt, dass das Produkt keinerlei Farbstoffe enthält. Die Industrie ersetzt einfach die synthetischen Stoffe durch farbige Konzentrate oder Pulver aus Obst und Gemüse.
Das täuscht viele Verbraucher:innen: Wie eine Studie von Lebensmittelklarheit.de aus dem Jahr 2013 zeigt, nehmen 60 % der Verbraucherinnen von einem Erdbeerjoghurt „ohne Farbstoff“ an, dass die Farbe nur aus Erdbeeren stammt, und rund 57 % erwarten nicht, dass andere färbende Lebensmittel eingesetzt werden.
Rote-Bete-Saft im Kirschjoghurt oder Algenpulver bei Wasabi Erdnüssen gelten nicht als Farbstoffe und müssen deshalb auch nicht als solche gekennzeichnet werden.
Ja: Natürliche Farbstoffe sind besser als künstliche E-Nummern. Trotzdem ist es Augenwischerei, denn uns Kund:innen wird durch das optische Aufpeppen oft nur eine höhere Qualität vorgetäuscht. So verleitet der leuchtend rote Zott Sahne Joghurt mild Amarena-Kirsch dank „färbendem Rote-Bete-Saftkonzentrat“ zur Annahme, dass er besonders viele Kirschen enthält.
Die Götterspeise Himbeergeschmack von Dr. Oetker enthält drei färbende Zutaten: Karottenkonzentrat, schwarzes Johannisbeerkonzentrat sowie Hibiskuskonzentrat. Zugutehalten muss man beiden Herstellern jedoch, dass in den Zutatenlisten auf die färbenden Eigenschaften hingewiesen wird.
„Frei von künstlichen Aromen“
Der Hinweis „Frei von künstlichen Aromen“ klingt erst mal gut, ist aber auf den zweiten Blick irreführend. Denn Aroma ist nicht gleich Aroma, und der Blick in die Angaben der Zutatenliste lohnt sich:
- „Aroma“ wird im Labor chemisch hergestellt.
- „Natürliches Aroma“ oder „natürlicher Aromastoff“ stammt zwar aus einem natürlichen Rohstoff, jedoch nicht zwangsläufig aus einem Lebensmittel. Es kann auch aus pflanzlichen und tierischen Ausgangsstoffen oder Mikroorganismen wie Schimmelpilzen gewonnen werden. Selbst die Herstellung mit Hilfe gentechnischer Verfahren ist möglich. Natürliche Aromen sind beispielsweise Vanillin, das aus dem Holzabfallprodukt gewonnen wird, oder Pfirsicharoma aus Schimmelpilzen.
- „Natürliches Chiliaroma“ – das die „Ungarischen Gurken“ von Kühne enthalten, muss mindestens zu 95 Prozent aus echten Chilis stammen. Analog gilt dies natürlich auch bei anderen Gewürzen, Gemüsesorten oder Früchten.
Konservierende Zutaten statt Konservierungsstoffe
Ein Lebensmittel „ohne Konservierungsstoffe“ enthält häufig trotz des Versprechens auf der Verpackung Stoffe mit konservierender Wirkung. Es gibt andere Zutaten, die ebenfalls die Haltbarkeit verlängern: Antioxidationsmittel, Säuerungsmittel wie Essigsäure, aber auch Senfsaaten, Zucker, Salz, Essig, Gewürz- und Fruchtextrakte wirken konservierend.
Bei unserer Recherche im Supermarkt sind wir auf den „Karottensalat“ von Kühne gestoßen. Karottensalat – das klingt lecker und gesund. Der Blick auf die Zutatenliste zeigt: Trotz des Hinweises „ohne den Zusatz von Geschmacksverstärkern und Konservierungsstoffen“ enthält der Karottensalat eine Vielzahl an konservierenden Zutaten: Branntweinessig, Zucker, Apfelessig, Salz, Zitronensaftkonzentrat. Außerdem die Antioxidationsmittel Citronensäure und Ascorbinsäure, die zwar lebensmittelrechtlich als Antioxidationsmittel nicht zu den Konservierungsstoffen zählen, dem Karottensalat vermutlich aber zu genau diesem Zweck hinzugefügt werden.
Die Säuren schützen vor dem Verderb durch Reaktionen mit Sauerstoff: Solch ein Oxidationsprozess ist beispielsweise das Braunwerden von aufgeschnittenen Äpfeln. Skurril ist zudem, dass dieser „geschmacksverstärkerfreie“ Karottensalat natürliches Karottenaroma enthält.
Maltodextrin, Maltose und Fruktose statt Zucker
Dass Zucker ungesund ist und dick macht, weiß jedes kleine Kind. Deshalb tricksen die Lebensmittelhersteller und ersetzen den Zucker auf der Zutatenliste durch andere süßende Zutaten.
Hinter Begriffen wie Glukosesirup, Maltodextrin, Maltose, Glukose, Saccharose, Fruktose, Dextrose, „versteckt“ sich der Dickmacher Zucker.
Und wenn Produkte wirklich zuckerfrei sind, dann werden häufig Zuckerersatzstoffe verwendet: Die „Corny free Schoko“- Riegel „ohne Zuckerzusatz“ enthalten an erster Stelle das Süßungsmittel Maltit – das beim Verzehr größerer Mengen zu Durchfällen, Bauchschmerzen und Blähungen führen kann. Ein guter Tausch?
Verarbeitungshilfsstoffe: Wein und Saft mit versteckten Tieren
Welche Verbindung zwischen Wein und Gelatine besteht und warum Saft oft nicht vegan ist, ist ein weiteres Geheimnis der Lebensmittelindustrie. Wir sind an klaren Saft und Wein gewöhnt. Doch die Getränke sind ursprünglich trüb, nur dank Klärungsmitteln werden die Schwebstoffe herausgefiltert.
Zur Klärung wird in vielen Fällen aus Knochen und Haut von Tieren gewonnene Gelatine verwendet. Auf der Zutatenliste gibt es keinen Hinweis auf die Gelatine. Sie gilt als Verarbeitungshilfsstoff und nicht als Zutat.
Eine Foodwatch-Untersuchung zeigte: Mehr als jeder dritte Apfelsaft enthält „versteckte Tiere“. Nur, wenn das Produkt die Veganblume trägt, kann man sich sicher sein, dass keine Gelatine eingesetzt wurde.
Neben Gelatine gibt es weitere Stoffe, die nicht auf der Zutatenliste aufgeführt werden müssen – die sogenannten Verarbeitungshilfsstoffe erleichtern oder beschleunigen die industrielle Herstellung von Lebensmitteln.
So sorgt Magnesiumstearat für die Rieselfähigkeit im Kakaopulver, Lösungsmittel entfernen Bitterstoffe aus Kaffee oder Tee und dank Antischaummittel läuft die Getränkeproduktion reibungslos ab. Weil die Stoffe im fertigen Produkt keine Wirkung mehr ausüben, müssen sie nicht auf der Verpackung stehen. Im Lebensmittel sind häufig trotzdem Rückstände der Hilfsstoffe zu finden.
Was kannst du tun?
Wenn du dich nicht von der Lebensmittelindustrie täuschen lassen willst und Wert auf natürliche und gesunde Lebensmittel legst, solltest du in Zukunft öfter mal einen Blick auf die Zutatenliste der Produkte werfen. Lies dazu auch unsere Anleitung: Lebensmittel-Zutatenliste richtig lesen.
Letztendlich sind jedoch viele Lebensmittel – auch Bio-Produkte – im großen Maßstab industriell hergestellte Produkte, die oft nicht ohne Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, Zucker oder deren Alternativen auskommen. Wobei Bio weitaus weniger Zusatzstoffe enthalten darf.
Wenn du gänzlich auf all die versteckten Zusatzstoffe verzichten willst, führt kein Weg daran vorbei, so wenig verarbeitete Lebensmittel wie möglich zu kaufen und möglichst vieles selbst zu kochen.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Ernährungstrend Clean Eating: Was steckt dahinter?
- Vegan, Paleo, Rohkost: Diese Ernährungsformen sind in aller Munde
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