Machen die Akkus von E-Autos nach acht bis zehn Jahren schlapp, müssen sie nicht gleich in den Müll: Für ein zweites Leben („Second Life“) gibt es schon jetzt viele Möglichkeiten.
Das Elektroauto hat einen dunklen Fleck auf seinem grünen Image – die Batterie. Kaum recycelbar, Konfliktrohstoffe und ressourcenintensive Herstellung sind gängige Vorurteile. Mittlerweile ist das Recycling möglich und es existieren auch alternative Nutzungskonzepte, sodass wir dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft näher kommen. Genauer gesagt: Der Wasserverbrauch für einen Akku entspricht dem einer halben Jeans, viele Konfliktrohstoffe lassen sich umgehen und mehr als ein Dutzend Firmen in Europa haben sich auf das Recycling der Akkus spezialisiert. Mehr dazu hier: Umweltfreundlichkeit der E-Auto-Akkus.
Doch was, wenn die Rohstoffe aus den Akkus nicht sofort recycelt werden, sondern der Akku als Batteriespeicher weitergenutzt werden kann? Unter dem Stichwort „Second Life“ (zweites Leben) gibt es viele unterschiedliche Projekte auf der ganzen Welt. Wir stellen besonders spannende Second-Life-Ideen vor.
Zweites Leben für E-Auto-Akkus: Stadion in Amsterdam
Flutlichter, TV-Übertragung, Rasenheizung – ein Fußballstadion mit internationalen Spielen und Konzerten verbraucht viel Energie. Die Johan Cruijff ArenA in Amsterdam tut aber viel dafür, um der Umwelt dabei möglichst wenig zu schaden. Auf dem Dach befinden sich über 4.200 Solarmodule und ein eigenes Windrad gehört zum Stadion auch noch dazu. Doch die meisten Fußballspiele finden abends statt, wenn die Sonne nicht mehr scheint. Um trotzdem genug grünen Strom zur Verfügung zu haben, gibt es ein großes Netz an ausgedienten E-Auto-Akkus: 148 Batterien des Nissan Leafs wurden zu einem große Stromspeicher zusammengeschlossen. Er liefert drei Megawatt Strom und wird am Tag über die Photovoltaikanlage und das Windrad aufgeladen. Die Kapazität beträgt 2,8 MWh.
Auch die Region rund um das Stadion profitiert von dem Batteriespeicher: Als Puffer kann er Spitzen im Stromnetz ausgleichen und so für mehr Stabilität im niederländischen Stromnetz sorgen.
Batteriespeicher aus E-Auto-Akkus am Hamburger Hafen
Ganz unscheinbar wirkt der graue Kasten im Hamburger Hafen, fast wie ein vergessener Container auf dem Kai. Doch hier drin stecken Batteriemodule aus mehr als 100 alten BMW i3 E-Autos. Sie haben eine Leistung von 2 Megawatt und eine Speicherkapazität von rund 2,8 MWh. Am Hamburger Hafen, wo besonders viel Industrie ist, stehen Netzbetreiber vor einer Herausforderung: Sie müssen auch größere Stromschwankungen ausgleichen und die Netzfrequenz konstant bei 50 Hz halten, damit Maschinen und Motoren funktionieren. Batteriespeicher eignen sich hier besonders gut, „da sie sehr schnell die benötigte Energie liefern oder aufnehmen können“, begründet Netzbetreiber Vattenfall den Einsatz.
Im Hamburger Hafen gab es aber schon zuvor zwei kleinere Second-Life-Projekte: Gebrauchte Batterien dienen dort als Zwischenspeicher für Schnellladesäulen und als Speicher für Strom aus einer Photovoltaikanlage.
BMW-Werk Leipzig versorgt sich selbst
Am BMW-Werk in Leipzig hat der Automobilhersteller eine eigene Speicherfarm aus alten E-Auto-Akkus errichtet. Dort haben bis zu 700 alte Batterien aus dem BMW i3 Platz, um zu einem großen Batteriespeicher zusammengeschlossen zu werden. Die Speicherfarm ist mit den vier Windrädern auf dem Firmengelände verknüpft, sodass die Akkus mit grünem Strom gespeist werden. Dieser echte Ökostrom dient dann zur Autoherstellung, aber auch um Stromspitzen im Leipziger Stromnetz auszugleichen. Denn die Speicherfarm ist auch an das öffentliche Stromnetz angeschlossen.
Audi hat in Berlin alte E-Auto-Akkus zu einem Batteriespeicher auf dem EUREF Campus mit 1,9 MWh errichtet. Dies dient als Pufferspeicher für das öffentliche Stromnetz. Mit dem überschüssigen Strom wird zudem eine Schnellladesäule mit bis zu 175 kW versorgt.
Akkus als Batteriespeicher für Photovoltaikanlagen
In Zukunft können ausgediente E-Auto-Akkus auch ein zweites Leben als Stromspeicher für Privathaushalte mit Photovoltaikanlage auf dem Dach bekommen, so die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FFE). Der Ertrag durch den Einsatz des Stromspeichers beläuft sich demnach auf mehr als 25 Prozent. Sie sieht auch bei der Notstromversorgung von Unternehmen und Einrichtungen der kritischen Infrastruktur (zum Beispiel Krankenhäuser) viel Potenzial.
Umstritten ist in der Wissenschaft jedoch, was besser ist: E-Auto-Akkus ein zweites Mal nutzen oder direkt recyceln? Einige Expert*innen sind der Auffassung, dass die Ressourcengewinnung am Ende wirtschaftlicher sei als ein Second Life. Zum einen liegt das daran, dass nicht alle Akkus auch für eine Nutzung als stationärer Stromspeicher geeignet sind. Die Tesla-Akkus beispielsweise nicht, Akkus von BMW hingegen haben offenbar keine Probleme damit. Um das Recycling kommen E-Auto-Akku jedenfalls nicht herum – ob sie zuvor noch einmal als Stromspeicher eingesetzt werden oder nicht.
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