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„Weißer-Retter-Komplex“: Heftige Kritik an Stefanie Giesingers aktuellen Instagram-Fotos

Stefanie Giesinger, Instagram
Foto: Instagram Stefanie Giesinger

Stefanie Giesinger ist zurzeit für ein Projekt in Malawi. Auf Instagram hat die ehemalige Germany’s-Next-Topmodel-Gewinnerin Bilder und Videos ihrer Reise veröffentlicht – die allerdings für Ärger sorgten.

Normalerweise sieht man auf Stefanie Giesingers Instagram-Account Designer-Kleidung und Model-Posen. Nicht so in den letzten Tagen: Die Gewinnerin der 14. Staffel von Germany’s Next Topmodel postet aktuell Fotos von ihrem Aufenthalt in Malawi.

Zu sehen sind vor allem viele malawische Kinder – und Giesinger, die ihnen Essen aus einem großen Topf ausgibt, in einer Schule sitzt oder mit den Kindern spielt. In einem Video zeigt das Model den Kindern die Selfie-Funktion ihres Handys. „Die sind total fasziniert von dem Smartphone, weil sie sich noch nie gesehen haben. Es ist sehr faszinierend für sie, ihre Gesichter zu sehen. … Wundervolle Menschen.“

Stefanie Giesinger wird „White Saviorism“ vorgeworfen

In den sozialen Medien war die Kritik groß: „Das ist „white saviorism“ [„Weißer-Retter-Komplex“, Anmerkung der Redaktion] vom Feinsten und deswegen eine extrem problematische Darstellung von einem weißen Prominenten, der „Gutes tut“, ohne auf die Hauptursache von globaler Ungleichheit hinzuweisen – die Ausbeutung von Ländern des globalen Südens durch den globalen Norden in der Vergangenheit und aktuell“, schrieb beispielsweise eine Kommentatorin auf Instagram.

„Weiße reiche Westliche, die zur strukturellen Abhängigkeit dieser Länder beitragen und Fotos mit ‚lachenden‘ Schwarzen Kindern machen“, meint eine andere Nutzerin. Giesinger hätte ihre Reichweite auch nutzen können, um lokale Mitarbeiter oder Anwohner zu Wort kommen zu lassen, die sich täglich engagieren – anstatt nur sich selbst zu inszenieren.

Das bedeutet White Saviorism

Die Aufnahmen von Giesinger sind problematisch, weil sie gängige „Afrika“-Klischees bedienen, die Aktivisten schon seit Jahrzehnten kritisieren: die „armen“ Schwarzen Kinder, die schüchtern in die Kamera schauen, kaputte Schulen, Not und Armut. Im Mittelpunkt steht die weiße Retterin – hier Stefanie Giesinger. Sie ist da, um die Probleme zu lösen und Essen zu verteilen.

Der Begriff „White Saviorism“ wurde vor allem in Bezug auf Freiwilligenarbeit und NGOs geprägt: Junge Menschen – meist aus Europa oder den USA – reisen nach dem Schulabschluss in Länder des globalen Südens, um dort etwas für den guten Zweck zu tun. Sie geben Englischunterricht oder arbeiten in einem Waisenhaus. Was nicht fehlen darf: Bilder von ihrem Aufenthalt.

Am beliebtesten ist dabei das Foto der weißen Person inmitten einer Gruppe Schwarzer Kinder – oder leidende Kinder. Nach drei Wochen kommen die Jugendlichen mit dem Gefühl nach Hause, die Welt ein Stückchen besser gemacht zu haben – und mit jeder Menge stereotyper Bilder. Völlig unhinterfragt ist dabei die Annahme, dass ein im Grunde unqualifizierter Jugendlicher die Kinder in einer Schule oder einem Waisenhaus besser unterrichten kann, als die Lehrer und Lehrerinnen vor Ort.

Mehr zum White Savior Komplex in einem Youtube-Video: 

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Bestimmt hatte Giesinger gute Absichten: Sie bringt mit dem Start-up „Lycka“ 2020 eine Eissorte auf den Markt, deren Erlöse Projekte in Malawi unterstützen sollen – daher auch die Reise in das Land. Natürlich muss sie dafür auch Bilder und Videos machen, um die Aktion zu bewerben. Aber das Model hätte dabei sensibler vorgehen sollen. Ob gewollt oder nicht, Giesinger verbreitet mit ihren Aufnahmen Stereotype, die letztendlich eine rassistische Grundannahme implizieren: Die armen, unfähigen Afrikaner, die vom weißen Wohltäter gerettet werden müssen, weil der es vermeintlich besser kann.

„Aber wer profitiert eigentlich wirklich, wenn weiße Europäer*innen von dannen ziehen mit dem Anspruch, die Welt zu verbessern?“, schreibt die Autorin Fabienne Sand. „Vor allem erst einmal die weißen Westler*innen. Die kriegen ein gutes Gefühl, ein spannenden Lebenslauf und Likes bei Instagram.“

Stefanie Giesinger hat allein auf Instagram 3,7 Millionen Menschen – wenn sie etwas über ihre sozialen Netzwerke verbreitet, hat das eine Wirkung. Das Model hat auf Instagram erklärt, die Kritik gehört und verstanden zu haben. „Wir werden noch feinfühliger in der Art und Weise sein, wie wir unsere Arbeit in Malawi zeigen.“

Wer vermeiden will, im Urlaub oder bei der Freiwilligenarbeit stereotype Bilder zu reproduzieren, findet Tipps hierfür in einem hilfreichen Social-Media-Guide der NGO Radi-Aid.

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