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Tiefseebergbau: Die Gier der Menschheit hat den Meeresgrund erreicht

Tiefseebergbau Massivsulfide Schwarzer Raucher
Foto: © GEOMAR (CC BY 4.0)

Viele Rohstoffe, die wir zum Beispiel für unsere Smartphones brauchen, werden bald knapp. Die Hersteller suchen deshalb nach neuen Rohstoffquellen – fündig werden sie in der Tiefsee. Der kommerzielle Tiefseebergbau soll 2019 beginnen – die Auswirkungen auf das Ökosystem Meer sind wahrscheinlich fatal.

Auf dem Meeresboden in Tiefen von 1.500 bis 5.000 Metern befinden sich unermessliche Schätze in Form von mineralischen Rohstoffen: Manganknollen und Mangankrusten beispielsweise mit ihrem hohen Gehalt an Kobalt, Kupfer und Nickel. Außerdem Massivsulfide, die Buntmetalle wie Kupfer, Zink und Blei, aber auch Seltene Erden sowie Edelmetalle wie Gold und Silber enthalten.

Diese Rohstoffe werden für zahlreiche industriell gefertigte Produkte unseres täglichen Gebrauchs verwendet, zum Beispiel für Elektroautos, Windkraftanlagen, Handys, Glasfaserkabel, Legierungen und sonstige Elektronik.

So funktioniert Tiefseebergbau

Beim Tiefseebergbau werden anders als beim Bergbau an Land keine Löcher gebohrt und Schächte ausgehoben, sondern der Meeresboden wird umgepflügt. Diese Arbeit erledigen speziell dafür angefertigte Maschinen mit Walzen und schneckenförmigen Schrauben an der oberen Schicht des Meeresbodens.

Die freigelegten Manganknollen werden dann mit ferngesteuerten Sammlern „geerntet“, das heißt aufgesammelt oder wie beim Staubsaugen aufgesaugt und auf ein Produktionsschiff an der Meeresoberfläche gebracht. Auf dem Schiff werden die Erze entwässert, zwischengelagert und später auf Transportschiffe befördert.

Tiefseebergbau Manganknollen
Manganknollen am Meeresboden. (Foto: © ROV KIEL 6000, GEOMAR (CC BY 4.0))

Manganknollen liegen frei am Meeresboden herum. Massivsulfide sind dagegen an Gestein gebunden. Man findet Letztere an „Schwarzen Rauchern“, das sind schwefelhaltige Öffnungen, die wie Vulkane in Miniaturform aussehen. Die Massivsulfide müssen hier zuerst mit Maschinen aus dem Gestein gebrochen werden, bevor sie eingesammelt werden können. Das erschwert ihren Abbau.

Tiefseebergbau Massivsulfide Schwarzer Raucher
Schwarzer Raucher (Foto: © GEOMAR (CC BY 4.0) )

Grundsätzlich sind die technischen Herausforderungen für den Tiefseebergbau sehr groß: Es ist dunkel, der Druck ist sehr hoch und die Temperaturen sind niedrig. Darüber hinaus ist die für den Tiefseebergbau erforderliche Technik sehr teuer. Aber wenn der Weltmarktpreis für knappe Ressourcen steigt, wird sich das Engagement in diesem Bereich auch finanziell lohnen.

Welche Folgen hat der Tiefseebergbau für Mensch und Tier?

Schaut man sich die Maschinen zur Ernte von Manganknollen in der Tiefsee an, wird deutlich, wieso der Tiefseebergbau problematisch sein kann: Der Meeresboden wird durch Kettenfahrzeuge aufgewühlt. Die Geräte erzeugen Lärm, Licht und Vibrationen in sonst ruhigen und dunklen Regionen. Außerdem werden durch die Abbaugeräte Sedimentpartikel aufgewirbelt und es entstehen bodennahe Trübewolken, die am Meeresboden lebende Organismen wie Schwämme, Muscheln, Seesterne und Bakterien zerstören.

Das mit den Manganknollen aufgesaugte Wasser wird zurückgeleitet. Damit gelangen die Trübewolken auch in obere Wasserschichten, wo sie Ökosysteme stören: Die enthaltenen Schadstoffe wie Schwermetalle werden von der Meeresströmungen weitergetragen und gelangen in sauerstoff- und fischreichere Wasserregionen, beeinträchtigen dort die Lebewesen und gelangen letztendlich auch in unsere Nahrungskette.

Bis heute kann das Ausmaß der Umweltschäden am Meeresboden, die Abbaugeräte beim Tiefseebergbau verursachen, nicht kalkuliert werden. Die Tiefsee, ihre Lebewesen und die Auswirkungen der eingesetzten Technologie sind dafür noch viel zu wenig erforscht.

So viel ist aber aus Expeditionen mittlerweile bekannt: In den oberen fünf bis zehn Zentimetern des Meeresbodens leben viele Organismen. Bekannt ist auch, dass eine Wiederbesiedlung von abgebauter Fläche viele Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte dauern würde.

Tiefseebergbau Massivsulfide Schwarzer Raucher
Schwarzer Raucher und Meerestiere. (ROV KIEL 6000, GEOMAR (CC BY 4.0))

Was ist weltweit in Sachen Tiefseebergbau geplant?

Damit sich nicht jede Nation an dem Meeresreichtum frei bedient, erlässt die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) der Vereinten Nationen Regeln zum Schutz der Meeresumwelt und des menschlichen Lebens im Zusammenhang mit der Nutzung des Meeresbodens. Mit ihren „Mining Codes“ formuliert sie Regelungen für den Abbau von Manganknollen, Massivsulfiden und Erzkrusten, die auch konkrete Umweltanforderungen beinhalten.

Außerdem vergibt die Organisation Lizenzen für Exploration und Exploitation, also für Erkundung und Abbau, und zwar an Regierungen, nicht an Unternehmen. Die Regierungen übertragen die Rechte dann weiter – an wen, liegt in ihrer Hand.

Seit 2001 hat die IMB 27 Explorationslizenzen mit Laufzeiten von 15 Jahren für den Pazifik, den Indischen Ozean und den Atlantik verteilt. Davon sind 17 für die Erkundung von Manganknollen (je 75.000 km²), vier für die Erkundung von Mangankrusten (je 3.000 km²) und sechs für die Exploration von Massivsulfiden (je 10.000 km²) vorgesehen.

Deutschland verfügt über zwei dieser Lizenzen: seit 2006 über eine für Manganknollen im Pazifischen Ozean (75.000 km²) zwischen Hawaii und Mexiko und seit 2014 über eine für Massivsulfide im Indischen Ozean südöstlich von Madagaskar (10.000 km²).

Plastik Plastiktüte Tiefsee Boden Ozean
Die IMB vergibt Lizenzen für den Tiefsee-Bergbau. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay)

Problematisch dabei: Die IMB kann nur solche Gebiete überwachen, die außerhalb der 200-Meilen-Zone (in Ausnahmefällen 350-Meilen-Zone) liegen, also ab 200 Seemeilen vom Festland entfernt. Diese sogenannten Aereas gehören der internationalen Gemeinschaft und damit zum von den Vereinten Nationen beschlossenen „Erbe der Menschheit“ – und unterliegen strengen Abbau- und Umweltregularien.

Alle Gebiete innerhalb der 200-Meilen-Zone, der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone, liegen dagegen in nationalen Hoheitsgebieten. Dort verfügen die Küstenländer über uneingeschränkte wirtschaftliche Nutzungsrechte, sie unterliegen nicht den internationalen Regeln. Es ist also fraglich, ob sie sich an den international festgelegten Umweltstandards orientieren werden.

Erstes kommerzielles Tiefseebergbauprojekt beginnt 2019

Und so nimmt die Entwicklung des Tiefseebergbaus ihren Lauf. Bereits im Jahr 2011 erhielt die kanadische Firma Nautilus Minerals in der Ausschließlichen Wirtschaftszone vor Papua-Neuguinea die erste Lizenz zum Abbau von marinen mineralischen Ressourcen. Mit Seebergen, Korallen, Meeresschildkröten, Thunfisch und Walen ist dieses Gebiet im Korallendreieck eine der artenreichsten Meeresregionen der Welt. Rund 130 Millionen Menschen sind dort in ihrer Existenz abhängig von den intakten Ökosystemen. Sie betreiben Kleinfischerei und nutzen die Meeresressourcen.

Das vor Papua-Neuguinea geplante Tiefseebergbau-Projekt, genannt Solwara1, ist das erste kommerzielle Tiefseebergbauprojekt zum Abbau von sulfidhaltigem Gestein in der Tiefsee. Im Herbst 2019 soll dieses Projekt starten. Abnehmer der geförderten Metalle wird eine chinesische Firma sein, die gerade ein entsprechendes Produktionsschiff baut. Solwara1 werden weitere Projekte folgen.

Was können wir tun, um das Ökosystem Tiefsee zu erhalten?

Meere schützen Fische
Der Tiefseebergbau kann zur Gefahr für die Meerestiere werden. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / PublicDomainPictures)

Mit unserem Konsumverhalten tragen wir als Verbraucher mit dazu bei, dass immer mehr Rohstoffquellen gesucht und erforscht und die Rohstoffe abgebaut und verarbeitet werden. Denn unser Verbrauch an Rohstoffen ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen.

Schmeißen wir weniger weg und wird mehr wiederverwertet, sinkt auch der Bedarf an neuen Rohstoffquellen. Und letztendlich steht beim Kauf eines jeden Produkts die Frage im Raum: Brauche ich das wirklich? Und wenn ja, kann ich es gebraucht kaufen? Oder gibt es eine nachhaltigere Alternative?

Die deutsche Bundesregierung hat in den vergangenen drei Jahrzehnten über deutsche Forschungseinrichtungen einen dreistelligen Millionenbetrag in die Erforschung der Tiefsee und ihrer Ökosysteme gesteckt, doch noch immer gibt es große Wissenslücken. Viele Funktionen, Zusammenhänge und Organismen in der Tiefsee verstehen wir heute noch gar nicht. Die Folgen unseres unbedachten Eingriffs könnten daher katastrophal sein.

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