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Dieter Nuhr vs. Greta – 3. Akt: „Das muss ja mal jemand sagen dürfen“

Dieter Nuhr Greta Kritik
Foto: Screenshot YouTube / Comedy & Satire im Ersten

Comedian Dieter Nuhr hat in seiner Sendung gegen Greta Thunberg und Fridays For Future ausgeteilt. Wir würden die Sache nun gern ruhen lassen – aber jetzt hat sich Nuhr in zwei Interviews erneut gerechtfertigt. Wir erklären, warum er inhaltlich falsch liegt.

Es geht in die nächste Runde: Dieter Nuhr hat viele Menschen mit seinen Äußerungen über Greta Thunberg verärgert – und sich anschließend in seiner Sendung „Nuhr im Ersten“ verteidigt, indem er noch einmal nachlegte. Im Zentrum der Witzeleien standen Bemerkungen wie „Ich bin gespannt, was Greta macht, wenn es kalt wird. Heizen kann es ja wohl nicht sein.“

Den bisherigen Verlauf der Debatte könnt ihr hier nachlesen:

Nun hat sich der Komiker erneut zum „Greta-Gate“ geäußert: am 9. Oktober im Gespräch mit Michael Bröcker beim Podcast des Journalisten und Buchautoren Gabor Steingart sowie in einem Interview mit dem „Merkur“. Dabei gibt er sich nach wie vor überzeugt, dass der Witz eigentlich gut war – und nur schlecht wird, wenn man ihn erklären muss. Im Podcast sagt Nuhr, der Shitstorm habe ihn „in der Massivität überrascht“.

Greta sei die „momentan wahrscheinlich mächtigste Frau der Welt“

Von seinen Kritikern, insbesondere von der Presse, fühlt er sich offenbar ungerecht behandelt. Nuhr klagt, es gehe nicht darum „zu argumentieren, sondern zu etikettieren“ und erklärt: „Das heißt, man sagt nicht, das war falsch, weil… Sondern man etikettiert den anderen als rechts, links, homophob, frauenfeindlich, was halt so anliegt. Das ist idiotisch, ist aber die unfaire Form der Auseinandersetzung, auch im Journalismus heute.“

Wir wählen die „faire Form“ und kritisieren hier seine neuesten Aussagen inhaltlich.

Ihre Aufgabe: Politiker an ihre Aufgabe zu erinnern

Erstens: In beiden Gesprächen bezeichnet Nuhr Greta Thunberg als die „momentan wahrscheinlich mächtigste Frau der Welt.“ Sie kontrolliere weite Teile der Massenmedien und spreche auf höchster Ebene mit den Staatschefs der Welt. Daher argumentiert der Komiker, er dürfe sie sehr wohl kritisieren, obwohl sie erst 16 Jahre alt ist. Sonst „(…) soll sie zu Hause bleiben und warten, bis sie volljährig ist und soll dann mit ihrem Protest anfangen.“

Lieber Dieter, das war falsch, weil du sowohl Greta als auch die anderen Jugendlichen, die sich für „Fridays for Future“ engagieren, mit deinen Witzen klein gemacht und belächelt hast. Du hast dafür ihr Alter als wesentlichen Grund dafür gesehen, ihnen zu unterstellen, sie könnten die Folgen ihrer Forderungen noch nicht begreifen. Auch eine 16-Jährige darf durchaus kritisiert werden, wenn sie eine so wichtige Rolle in der Welt spielt wie Greta Thunberg – aber dann doch bitte auch mit demselben Anspruch wie wenn du eine Erwachsene kritisieren würdest.

Im Übrigen haben viele Kritiker betont, dass Satire sich gegen die Mächtigen richten sollte, nicht gegen die Schwachen. Das „schwach“ ist hierbei aber (zumeist) nicht so zu verstehen, dass sie schwach sind, weil es sich um Minderjährige handelt – sondern um diejenigen, die nicht in der Position sind, selbst politische Entscheidungen zu treffen.

Ja, die Klimaschutzbewegung wird immer größer und ja, Greta Thunberg bewegt viel und spricht mit den Mächtigen dieser Welt – aber letztlich verstehen Fridays For Future und Greta ihre Aufgabe darin, ein Sprachrohr der Wissenschaft zu sein und die Mächtigen dieser Welt an ihre Aufgabe zu erinnern: jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, um den Klimawandel noch zu stoppen.

CO2-Emissionen: Nuhr bringt die Bezugsgrößen durcheinander

Zweitens: Der Komiker verteidigt seinen Witz, er würde jetzt das Zimmer seiner Tochter nicht mehr heizen, damit, dass dies den „zentralen Konflikt offenbare“: dass die Jugendlichen nicht beurteilen könnten, was die Umsetzung ihrer Forderungen für sie persönlich heißen würde. „Ein Drittel unserer Emissionen entstehen durch Wohnen, sprich Warmwasser und Heizung“, sagt Nuhr im „Merkur“.

Lieber Dieter, das war falsch, weil Fridays for Future gar nicht fordert, dass wir nicht mehr heizen – sondern zum Beispiel, dass wir bis 2030 aus der Kohle aussteigen und bis 2035 auf erneuerbare Energien umstellen. (Hier kannst du die Forderungen noch einmal nachlesen.)

Darüber hinaus teilt das Umweltbundesamt auf Nachfrage von Utopia mit: „Hier gehen zwei Bezugsgrößen durcheinander: Die Zahl, die Herr Nuhr nennt, passt, wenn man sich auf den CO2-Ausstoß durch Konsum bezieht – davon wird ca. 1/3 durch Wohnen (Warmwasser, Heizung, Strom) ausgemacht.“ Aktuell seien die Haushalte aber – bezogen auf den gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands – mit nur ca. 10% der CO2-Emissionen in der Statistik geführt, „wobei man genau darauf achten muss, ob es sich dabei nur um direkte Emissionen aus den Haushalten handelt oder auch die indirekten enthalten sind, die z.B. in Kraftwerken entstehen.“

Mehr dazu: CO2-Ausstoß bei Wohnung, Ernährung & Verkehr: Wo verbrauchst du wie viel?

Natürlich ist es mehr als sinnvoll, den persönlichen CO2-Fußabdruck zu verringern, indem wir richtig heizen – das ist sogar eine der wichtigsten Stellschrauben, mit denen wir persönlich zum Klimaschutz beitragen können. Sich aber gerade an diesem Aspekt „festzubeißen“, wenn es um eine direkte Kritik an Fridays For Future geht, ist mindestens irritierend.

Greta Thunberg
Greta Thunberg – laut Nuhr momentan die mächtigste Frau der Welt (Foto: © Utopia / Vipasana Roy)

Auflösung der Welthandelsordnung und Dritter Weltkrieg?

Drittens: Dieter Nuhr betont, dass er die Klimaschutzbewegung eigentlich gut findet. „Wir reden seit 40 Jahren über Klimawandel, da muss jetzt langsam was passieren. Da müssen Innovationen her.“ Greta und die anderen Jugendlichen wollten jedoch „unsere Wirtschaftsordnung umkrempeln“, was der Komiker für „irreal“ und sehr gefährlich hält. Er führt aus: „Die Forderungen der Bewegung laufen darauf hinaus, dass wir die Welthandelsordnung auflösen. Und wenn das passiert, dann haben wir nicht Millionen, sondern Milliarden Tote. Und das läuft auf einen dritten Weltkrieg hinaus.“

Wenn verlangt werde, dass wir keine Flugzeuge und Frachtschiffe mehr benutzen, seien wir in einer weltpolitischen Situation, wo Milliarden Menschen sterben. „Weil dann die Handelswege zusammenbrechen. Weil die Wirtschaftsordnung zusammenbricht. Weil gerade in den Schwellenländern Menschen aus dem Produktionsprozess rausfallen und zwar in riesigen Massen.“ Nuhr meint: „Und das muss ja mal irgendjemand auch mal sagen dürfen.“

Lieber Dieter, das war falsch, weil Fridays For Future niemals behauptet hat, den Welthandel abschaffen zu wollen und Frachtschiffe aus dem Verkehr zu ziehen. In Hamburg hatten Vertreter von Fridays For Future zum Beispiel konkret gefordert, dass ab 2035 nur noch klimaneutrale Schiffe abgefertigt werden sollen. Auch das ist sicherlich ein ehrgeiziges Ziel, von Nuhrs unterstellter Radikalität aber weit entfernt. Auch kann keine Rede davon sein, den Flugverkehr vollständig abzuschaffen – Klimaschützer fordern „nur“, dass Fliegen teurer wird oder dass Flüge innerhalb Deutschlands verboten werden.

Ein Schreckensszenario verhindert, dass jetzt etwas getan wird

In ihrer Rede beim UN-Klimagipfel sprach Greta zwar vom „Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum“ – das muss aber nicht bedeuten, dass das bestehende System aus ihrer Sicht von heute auf morgen außer Kraft gesetzt werden soll. Vielmehr geht es darum, in Zukunft so zu wirtschaften, dass sowohl der Mensch, als auch die Umwelt und das Klima davon profitieren.

Schlussendlich ist die Argumentation schwierig, dass mehr Klimaschutz den sogenannten Schwellenländern schade – denn zum einen sollen vor allem die Industrieländer in die Pflicht genommen werden, ihren CO2-Ausstoß zu verringern. Zum anderen sind es die Schwellenländer, die am stärksten unter dem Klimawandel leiden. Plakativ gesagt: Es nützt auch kein tolles Wirtschaftssystem, wenn die Länder untergehen oder durch Hitze und extreme Wetterlagen Anbauflächen verlieren.

Das gezeichnete Schreckensszenario für die Zukunft mit „Millionen“ oder „Milliarden“ Toten (woher stammen diese Zahlen?) bewirkt lediglich, dass man jetzt zu verhindern sucht, dass überhaupt etwas getan wird. Und das ist genau die Botschaft, die wir im Moment überhaupt nicht brauchen können.

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