Die Strompreise steigen – und plötzlich sollen auch Ökostrom und die Energiewende daran schuld sein. Aber ist das wirklich so?
Einigen scheint die aktuelle Energiekrise, die auch auf die Ökostrompreise durchschlägt, gerade recht zu sein. Hat man doch „schon immer gewusst, dass die Energiewende nicht zu machen“ sei … etc. etc.
Aber stimmt das wirklich? Liegt der Höhenflug der Strompreise wirklich an Energiewende, EEG-Umlage und CO2-Abgaben? Wir haben es uns genauer angesehen und räumen mit einigen Mythen auf.
Strompreise steigen: Was nicht die Ursachen sind…
Hier typische Argumente, die mal wieder unterwegs sind – und die weitestgehend falsch sind:
Hier typische Argumente, die mal wieder unterwegs sind – und die weitestgehend falsch sind:
„Anbieterwechsel lohnt nicht“
Das denken viele. Schätzungen gehen deshalb davon aus, dass etwa die Hälfte aller Deutschen noch nie (!) den Stromanbieter gewechselt hat. Sie beziehen ihren Strom daher weiterhin vom sogenannten „Grundversorger“.
Die Grundversorger haben folglich seit Jahrzehnten keinen Grund, günstige Strompreise oder auch Ökostrompreise anzubieten. Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dir ein Wechsel vom Grundversorger zu einem Ökostromanbieter derzeit auch noch Geld sparen wird!
„Der Preis von Ökostrom ist teurer als der von normalem Strom.“
Nein. Es gibt, wie bei konventionellem Strom auch, billige und teure Anbieter. Das hat zuweilen mehr mit Marketing zu tun als mit realen Stromkosten.
Überzeuge dich selbst auf stromvergleich.utopia.de, wo du für deine Postleitzahl zertifizierte Ökostromanbieter nach Preis sortiert angezeigt bekommst.
Hier kannst du gleich eine Postleitzahl eintragen:
„Strompreise steigen: die EEG-Umlage ist schuld!“
Das Gegenteil ist der Fall.
„Das EEG wirkt stabilisierend auf die Strompreise von Endkunden“, erklärt Achim Vogt von Prokon Regenerative Energien. „Wenn der Strompreis am Markt steigt, sinkt die EEG-Umlage, weil der Staat weniger an die Erneuerbaren auszahlen muss. Die regulierende Wirkung des EEG zeigt sich auch daran, dass die Preise in Deutschland weniger drastisch ansteigen als etwa in Frankreich oder Spanien.“
Übrigens: De facto wurde die EEG-Umlage 2021 gesenkt. Sie wird auch in diesem Jahr (voraussichtlich kommenden Freitag) weiter gesenkt werden, eben weil Strom (u.a. für Mobilität und Wärme) attraktiver werden soll – sofern es Ökostrom ist.
„Die CO2-Abgabe verteuert (Öko-)Strom!“
Nein. Denn die CO2-Bepreisung betrifft Ökostrom nicht oder bestenfalls marginal. Die CO2-Abgabe verteuert vor allem klimaschädlichen Strom, also solchen aus Kohle, Gas und Öl.
Fakt ist aber: Als Land produzieren wir immer noch knapp 52 Prozent unseres Stroms aus fossilen Energieträgern, also klimaschädlich. Hätte die Politik also einfach die Energiewende beschleunigt, statt sie auszubremsen, würden die Strompreise jetzt auch nicht steigen, erst recht nicht die Ökostrompreise.
„Ökostrom“ klingt für dich noch ungewohnt? Dann hör doch einfach mal in unseren Utopia-Podcast zum Thema Ökostrom rein:
Strompreise steigen – hier die eigentlichen Ursachen
Die wahren Gründe für steigende Preise bei Grünstrom und Graustrom sind ganz andere:
- Post-Corona-Effekte: Nach den Lockdowns (mit wenig Stromverbrauch und niedrigen Strompreisen) läuft die Weltwirtschaft wieder an – und hungert nach Strom.
- Klima-Effekte: Auch die Klimakrise wird uns hier bereits zum Verhängnis. Ein Beispiel: Verstärkte Dürre-Perioden sorgten in einigen Weltregionen offenbar bereits für weniger Strom aus Wasserkraftwerken.
- Internationale politische Verflechtungen: „Weltweit steigt die Nachfrage nach Gasprodukten, insbesondere aus China. Die wiederum haben Schwierigkeiten mit Kohlelieferungen aus Australien“, sagt Achim Vogt von Prokon Regenerative Energien. „Das führt dazu, dass die Gaslieferungen nach Europa reduziert sind, somit ist also weniger Angebot da. Das bedeutet, dass der Gaspreis deutlich ansteigt.“ Und: Offen will darüber niemand reden, aber natürlich sorgt auch Russlands Spiel mit Nord Stream 2 für steigende Gaspreise.
- Explodierende Gaspreise: „Preistreiber der aktuellen Entwicklung sind die fossilen Brennstoffe„, bestätigt Tim Loppe von Naturstrom. „Besonders die Großhandelspreise für Erdgas sind in die Höhe geschossen. Da Gas nicht nur zum Heizen, sondern auch zur Stromerzeugung in Gaskraftwerken genutzt wird, treibt der Anstieg des Gaspreises auch die Börsenstrompreise.“
- Verschleppte Energiewende: Das Abschalten der umweltschädlichen Atom- und Kohle-Kraftwerke wird die Verfügbarkeit der Ware Strom weiter verringern. Das wussten alle. Dennoch hat die Politik den Umbau der Energiewirtschaft auf nachhaltige Energiegewinnung verschleppt. Sie hat uns als Land damit der Möglichkeit beraubt, die Preisentwicklung rechtzeitig aufzufangen.
Vereinfacht gesagt: Hätten wir früher und konsequenter auf Ökostrom umgestellt, hätten wir das ganze Problem nicht. „Wäre der Ausbau der Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren nicht so langsam gewesen, dann hätten Preiserhöhungen bei den fossilen Energieträgern einen viel geringeren Einfluss auf die Energiemarkt- und damit auf die Verbraucherpreise“, bestätigte uns auch Christopher Holzem, Energiewende-Botschafter bei den Bürgerwerken.
Werden Ökostrompreise wieder sinken?
Der Preis ist heiß – jedenfalls zur Zeit. „Aktuell zeigen die Marktdaten, dass wir in den kommenden Monaten mit Spotmarkt-Preisen auf Allzeit-Hoch-Niveau rechnen müssen“, so Christopher Holzem von den Bürgerwerken.
Aber es soll sich auch wieder bessern: „Aktuell gehen wir davon aus, dass sich die angespannte Preissituation nach dem Winter ab April 2022 wieder entspannt.“ Allerdings sei es wahrscheinlich, dass die Energiebeschaffungskosten trotzdem auf einem höheren Niveau als Anfang 2020 liegen werden.
Mehr Ökostrom reduziert Strompreise
„Die hohen Strompreise, die wir jetzt erleben, beruhen auch auf dem Versagen der scheidenden Bundesregierung, die den Erneuerbaren-Ausbau zu lange behindert hat“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand beim Ökostromanbieter Green Planet Energy. Der Stromanbieter gab eine Studie in Auftrag, deren Analyse zeigen sollte jetzt, was getan werden müsste, um auf Dauer die Preise stabil zu halten oder gar senken zu können. Das Ergebnis: Mehr Ökostrom würde die Strompreise reduzieren.
„Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass wir in Deutschland unbedingt unabhängiger werden müssen von fossilen Brennstoffen. Sie schaden dem Klima, schwanken stark im Preis und kommen nicht zuletzt häufig aus wenigen Staaten, denen wir uns ohne Not ein Stück weit ausliefern“, so Naturstrom-Sprecher Tim Loppe. „Die Lösung ist ganz klar der schnellere Ausbau der Erneuerbaren Energien. Neue Solar- und Windparks produzieren Strom längst günstiger als neue Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke.“
Ähnlich sieht das Achim Vogt von Prokon Regenerative Energien: „Die Lösung ist der Ausbau der Erneuerbaren im Land und die deutliche Vereinfachung bzw. Verkürzung von Genehmigungsverfahren für die Errichtung von Anlagen für Erneuerbare Energie. Aktuell liegen wir bei sechs Jahren durchschnittlich. Das muss schneller gehen!“
Bei Polarstern sieht man immerhin Licht am Horizont: „Eine seriöse Einschätzung zum Ende der Entwicklung ist schwer. Keiner hat derartige Preissteigerungen vorhergesehen“, so Polarstern-Sprecherin Anna Zipse. „Was wir beobachten ist, dass die Panik durch die steigenden Kosten nachlässt und auch die extremen Ausschläge bei den Preisen in der Energiebeschaffung zurückgegangen sind. Das ist eine Momentaufnahme.“
Ergo: Sinnvoll für alle ist jetzt, genauso wie schon in den letzten Jahren: zu Ökostrom wechseln.
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