Am Wochenende hat Greta Thunberg ein Foto aus einem überfüllten Zug in Deutschland gepostet – und damit für Spott im Netz gesorgt. Die Deutsche Bahn reagierte mit unbeholfenen Tweets und auch Greta meldete sich nochmal zu Wort. Was nach einem witzigen Vorfall klingt, ist auf mehreren Ebenen bedenklich.
Die UN-Klimakonferenz ist vorbei und Greta Thunberg ist auf dem Weg nach Hause. Zwischen Madrid und Stockholm liegen mehr als 3.000 Kilometer, die Greta nicht mit dem Flugzeug zurücklegen will. Stattdessen fährt sie mit dem Zug und öffentlichen Verkehrsmitteln.
Am Wochenende durchquerte Greta Deutschland. Vom Zug aus postete sie ein Foto, in dem man sie auf dem Boden sitzend neben ihrem Gepäck sieht. „Ich reise gerade mit überfüllten Zügen durch Deutschland“, schrieb sie dazu. Vor allem deutsche Nutzer amüsierten sich über das Bild – jeder der häufiger mit der Bahn fährt, weiß wie es ist, in vollen Zügen auf dem Boden zu sitzen.
Die Deutsche Bahn reagiert defensiv
Die Deutsche Bahn fand Gretas Tweet allerdings nicht lustig – und schickte mehrere eigene Tweets hinterher. Am Anfang war der Ton noch versöhnlich: „Wir wünschen #Greta eine gute Heimfahrt. Und arbeiten weiter hart an mehr Zügen, Verbindungen und Sitzplätzen.“
Später bedankte sich die Deutsche Bahn dafür, dass Greta im ICE unterwegs war, der mit „100 Prozent Ökostrom“ betrieben wurde. Sie fügte aber noch eine Bemerkung hinzu: „Noch schöner wäre es gewesen, wenn Du zusätzlich auch berichtet hättest, wie freundlich und kompetent Du von unserem Team an Deinem Sitzplatz in der Ersten Klasse betreut worden bist.“
Greta Thunberg liefert eine Erklärung
Auf Twitter sorgten die Tweets für Diskussionen. Die einen warfen Greta vor, das Bild von ihrer Zugfahrt auf dem Boden nur gestellt zu haben. Die anderen ärgerten sich über die defensive Reaktion der Deutschen Bahn. Zahlreiche Medien berichteten über den „Tweetstorm“, auch die internationale Presse. Die amerikanische Boulevardzeitung „New York Post“ schrieb, dass die Deutsche Bahn Greta vorwerfe, zu lügen.
Die Aufregung um ihr Bild veranlasste Greta dazu, einen erklärenden Tweet nachzuliefern: Ihr Zug aus Basel sei aus dem Verkehr gezogen worden, weshalb sie in zwei Zügen auf dem Boden saß. Nach Göttingen habe sie einen Sitzplatz bekommen. „Das ist natürlich kein Problem und ich habe nie gesagt, dass es eines wäre. Überfüllte Züge sind ein gutes Zeichen, weil das bedeutet, dass die Nachfrage nach Zugfahrten hoch ist.“ Die Deutsche Bahn schrieb daraufhin nichts mehr.
Nachdem die Debatte am Montag anhielt, äußerte sich Greta am Abend erneut: „Die Medien sind überraschenderweise mehr an den Zugreisen einer Teenagerin interessiert als an der Tatsache dass #COP gescheitert ist. Aber da die Verschwörungstheorien Überhand nehmen: Hier ist, was passiert ist…“ Dazu retweetete sie den Beitrag einer Journalistin, die im selben Zug wie Greta gereist war. Sie veröffentlichte ein Video von einem überfüllten Zug – man sieht Greta und andere Passagiere in den Fluren auf dem Boden sitzen.
Was regt uns auf – und was nicht?
Die Deutsche Bahn hätte die unverhoffte Aufmerksamkeit für sich nutzen können – wenn sie sich eine clevere Antwort auf Gretas Tweet überlegt hätte. Greta Thunberg ist immerhin eine große Befürworterin von Zugreisen. Stattdessen entschied sich das Social-Media-Team der DB für eine Mischung aus krampfhafter Eigenwerbung und einer passiv-aggressiven Botschaft an Greta. Das Ergebnis: Gretas Kritiker*innen fühlten sich mal wieder bestätigt: Greta Thunberg schauspielert nur. Dabei hatte Greta eben nur einen Teil ihrer Reise auf Twitter und Instagram gepostet.
Fragwürdig ist aber nicht nur das Verhalten der Deutschen Bahn, sondern dass das Thema überhaupt für so viel Aufregung im Netz und in den Medien sorgte. Der kurze Wortwechsel zwischen Greta und der Deutschen Bahn hat vor allem in Deutschland mehr Emotionen geweckt als ein viel wichtigeres Thema: das Ende der UN-Klimakonferenz.
Die Konferenz – auf der auch Greta sprach – ging nahezu ergebnislos zu Ende. Nach knapp zwei Wochen Verhandlungen einigten sich die Staaten nur auf einen Minimal-Kompromiss, wichtige Themen vertagten sie auf den nächsten Klimagipfel im kommenden Jahr. Effektive und vor allem verbindliche Maßnahmen für stärkeren Klimaschutz wurden nicht beschlossen. Saß Greta nun auf dem Boden oder nicht? Dass sich viel mehr Menschen für diese Frage interessierten als für die gescheiterte Klimakonferenz, sagt viel über unsere Gesellschaft aus – und erklärt womöglich auch, warum wir im Klimaschutz nur so langsam vorankommen.
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