Während in ganz Deutschland hunderttausende Menschen für echten Klimaschutz auf die Straße gehen, hat sich die Große Koalition in Berlin auf ein Klimapaket geeinigt. Umwelt- und Klimaschützer kritisieren, dass die Maßnahmen nicht annähernd ausreichen.
„Das ist ein Schlag ins Gesicht aller, die in dieser Stunde zu Hunderttausenden in DE für echten Klimaschutz auf die Straßen strömen!“ – so reagierte Fridays For Future Germany auf Twitter auf die ersten Meldungen zum neuen Klimapaket aus Berlin.
Insbesondere die geplante CO2-Bepreisung kritisiert die Bewegung als zu niedrig.
Das steht im Klimapaket
Das Klimapaket der Bundesregierung („Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030“), das heute vormittag nach rund 18 Stunden Beratungen beschlossen wurde, enthält über 70 Einzelmaßnahmen. Hier die wichtigsten im Überblick:
- Benzin und Diesel sollen teurer werden – und zwar durch einen CO2-Preis. Ab 2021 soll ein Festpreis auf CO2-Zertifikate gelten, der von zunächst 10 Euro pro Tonne CO2 schrittweise auf 35 Euro im Jahr 2025 steigen soll. Ab 2026 soll der Preis durch Handel gebildet werden, zunächst in einem festgelegten Korridor. Diese Zertifikate handeln die Unternehmen, die fossile Kraftstoffe vertreiben. Letztendlich bewirkt die Bepreisung, dass Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl teurer werden. Laut Spiegel Online werden Benzin und Diesel so im Jahr 2021 etwa drei Cent teurer, im Jahr 2026 dann neun bis 15 Cent.
- Um Bürger und Unternehmen zu entlasten, sollen gleichzeitig die Strompreise sinken: Die EEG-Umlage zur Förderung des Ausbaus von Erneuerbaren Energien soll ab 2021 gesenkt werden.
- Außerdem soll zur Entlastung von Pendlern die Pendlerpauschale ab 2021 leicht steigen und ab dem 21. Kilometer 35 anstatt wie derzeit pauschal 30 Cent pro Kilometer betragen.
- Zur „Vermeidung sozialer Härten bei steigenden Heizkosten“ bekommen Wohngeld-Bezieher künftig 10 Prozent mehr Wohngeld.
- Mit der Einführung einer „technologieoffenen“ steuerlichen Förderung von energetischen Gebäudesanierungen sollen die Klimaauswirkungen von Gebäuden reduziert werden.
- Der Einbau neuer Ölheizungen soll ab 2026 verboten sein; wer bestehende Ölheizungen durch klimafreundlichere ersetzt, soll öffentliche Förderungen bis zu 40 Prozent bekommen.
- Die Ladeinfrastruktur für Elektroautos soll ausgebaut werden: Bis 2030 soll es eine Million Ladepunkte geben.
- Der öffentliche Nahverkehr, Radwege und der Schienenverkehr sowie der Schienen-Güterverkehr sollen ausgebaut und modernisiert werden.
- Die Bundesregierung will Bahnfahren billiger und Fliegen teurer machen: Die sogenannte Luftverkehrsabgabe soll ab 1. Januar 2020 erhöht werden, die Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr von 19 % auf 7 % sinken. Damit soll Bahnfahren um 10 Prozent günstiger werden.
- Die Landwirtschaft bleibt im Wesentlichen erst einmal unangetastet – neben rechtlichen Änderungen zum Düngereinsatz gibt es vor allem vage Absichtserklärungen, etwa zum Ausbau der Öko-Landwirtschaft und der Emissionsminderung in der Tierhaltung.
Klimapaket: Das sind die Reaktionen
Fridays For Future kritisiert nicht nur, dass der geplante Co2-Preis zu niedrig sei, um einen echten Effekt zu haben, sondern auch dass die Maßnahme zu kompliziert sei und zu spät komme.
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Die Klimaschutz-Bewegung bemängelt außerdem, dass weder die Subventionen für fossile Energien abgeschafft würden, noch der Kohleausstieg überarbeitet wurde.
„Es ist ein schlechter Witz, wenn die Bundesregierung den Druck von #FridaysForFuture am Anfang jedes Statements lobt & uns dann Entscheidungen verkaufen möchte, mit denen unsere Zukunft weiter mit Füßen getreten wird,“ twitterte Fridays For Future.
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Spiegel Online zufolge kam Kritik auch von den Grünen: Der Vize-Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag, Oliver Krischer, soll das Klimapaket als „historische Pleite“ bezeichnet und der Koalition vorgeworfen haben, sie hätten die Dimension des Klimawandels nicht begriffen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte das Klimapaket als „desaströs“. Die vorgestellten Beschlüsse seien in keinster Weise ausreichend, um die selbst gesteckten Klimaziele der Bundesregierung zu erfüllen. „Dieses Ergebnis sorgt für Fassungslosigkeit. Seit einem Jahr wachsen die Proteste für mehr Klimaschutz – mit den heutigen Ergebnissen tritt das Klimakabinett die Forderungen der Streikenden und die Mahnungen der Wissenschaft mit Füßen,“ sagte Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH.
Auf Twitter schrieb die Umweltschutzorganisation „Das ist kein Durchbruch, das ist ein Versagen auf ganzer Linie, was das Klimakabinett da vorgelegt hat.“
Der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, sagte: „Die Große Koalition ist an ihren eigenen Zielen gescheitert. Das ist eine bittere Nachricht für das Klima und für alle Klimaschützerinnen und Klimaschützer, die heute die Straßen geflutet haben. Die Bundesregierung liefert keinen großen Wurf und keine Antwort auf die Klimakrise.“ Gleichzeitig lobt er die heutigen globalen Klimaproteste: „Das Ermutigende des heutigen Tages sind die vielen Menschen, die auf die Straße gegangen sind, besonders Dank Fridays for Future und vieler anderer. Die Bewegung ist größer denn je und sie wird nicht nachlassen.“
Greenpeace nannte das Klimapaket der Bundesregierung ein „Klimapäckchen“ und twitterte: „Ein ABSURD niedriger Co2-Preis und keine Garantie, dass Deutschland seinen Beitrag zum 1,5 °C-Ziel einhält? Das ist kein Klimaschutz“
Der Wissenschaftler Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Mitglied bei Scientists For Future, twitterte: „Meine Erwartung ans Klimakabinett waren extrem niedrig. Sie wurden nun noch massiv untertroffen. 3 Ct mehr pro Liter Sprit ab 2021 und dann gleich 5 Ct mehr Pendlerpauschale. Das rettet jetzt die Welt? Echt jetzt?“
Wie es jetzt weitergeht
Das Klimakabinett (also der Koalitionsausschuss), der heute die Klimamaßnahmen veröffentlichte, darf keine formellen Beschlüsse für die Bundesregierung fassen. Dem Klimapaket muss daher noch das Bundeskabinett zustimmen. Das soll in der nächsten regulären Sitzung des Kabinetts am kommenden Mittwoch (25.09.2019) passieren.
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, fordert „das reguläre Kabinett auf, in seiner Sitzung am kommenden Mittwoch den heute vorgestellten Vorschlägen nicht zuzustimmen – alles andere gleicht einer Bankrotterklärung an den Klimaschutz.“
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