Der seit Jahren niedrige Milchpreis ist ein Problem, das wissen alle. Doch woran liegt’s – und was kann der Einzelne tun? Utopia gibt konkrete Empfehlungen für faire Milch.
Der Deutsche trinkt durchschnittlich 50 Liter Milch pro Jahr, knapp 60.000 Milchbauern mit insgesamt vier Millionen Milchkühen produzieren sie. Im Jahr 2020 exportierte Deutschland insgesamt rund 2,1 Millionen Tonnen Milch. Die meisten Milchexporte aus Deutschland gingen an die Niederlande, Italien und China. Kurz: Milch ist wichtig, der Milchpreis erst recht.
Das Problem: faire Milch – oder niedriger Milchpreis.
Der Milchpreis ist seit Jahren Jahren niedrig, die Milchbauern unter Druck. Im Jahr 2020 lag der durchschnittliche Milchpreis in Deutschland bei einer Höhe von 32,84 Cent je Kilo konventionell erzeugte Milch, für Bio-Milch bei 48,29 Cent je Kilo (Quelle: Milcherzeugerverband Bayern).
Die Landwirte gehen immer wieder auf die Straße, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Ihre Forderung: 15 Cent mehr für den Liter Milch. Nach Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverbandes, eine illusorische Forderung.
Bei Niedrigpreisen und gleichzeitig explodierenden Ausgaben für Futter, Kraftstoff, Strom und Gas können die Landwirte keine faire Milch produzieren. Die Folge ist schlechtere Milch: Billigeres Futter, mehr Turbo-Kühe, weniger Bemühungen in Sachen Tierwohl, geringere Hygiene, sinkende Gehälter.
Wer ist schuld am niedrigen Milchpreis?
Wir alle. Die Tiefpreis-Logik vieler Discounter (nicht aller, und nicht nur dieser). Die Schnäppchenmentalität von uns Verbrauchern. Die Bauern anderer Länder, die auf den EU- oder Weltmarkt drängen und den Milchpreis drücken – dank geringerer Produktionskosten als in Deutschland. Die sinkende Nachfrage im Ausland. Und dass „faire Milch“ einfach noch kein etablierter Begriff ist.
Die bessere Milch: Bio- und faire Milch
Vieles lässt sich nicht einfach ändern. Als Verbraucher kannst du dich aber für einen besseren Milchpreis einsetzen – und zum Beispiel Bio-Milch und faire Milch kaufen. Das gilt aber auch für andere Produkte: So braucht man für ein Kilo Butter etwa 20 Liter Milch – auch hier entscheidet man sich also besser nicht für das Billigpreis-Produkt.
Faire Milch kaufen: So geht’s
Bio-Milch mit Naturland Fair-Siegel
Das Siegel „Naturland Fair“ steht für einen gezahlten Milchpreis, der deutlich über den aktuellen Dumping-Preisen liegt. Weil es vom Bio-Anbauverband Naturland stammt, ist Naturland Fair zugleich ein sehr hochwertiges Bio-Siegel, strenger als das EU-Bio-Siegel (Vergleich als PDF hier). Fairtrade-Produkte wie etwa Gepa-Schokolade verwenden Naturland-Fair-Milch als Zutat.
Das Naturland-Fair-Siegel auf Milch tragen zum Beispiel einige Bio-Produkte der Molkerei Berchtesgadener Land, die im süddeutschen Raum weit verbreitet sind. Fair meint hier konkret (Stand August 2021): Für konventionelle Milch zahlt die Molkerei 44,6 Cent pro Liter, für Milch von Demeter-Betrieben 56,92 Cent pro Liter – während der Abnahmepreis der Discounter gerade auf unter 20 Cent pro Liter gesunken ist.
Bio-Milch von Alnatura und aus kleinen Molkereien
Auch Alnatura setzt sich seit vielen Jahren für faire Preise für die Milchbauern ein. Das Biomilch-Sortiment mit fairen Milchpreisen umfasst Frischmilch, Süßrahmbutter, Saure Sahne, Schlagsahne, Crème fraîche und Schmand.
In Hessen bemüht sich die Upländer Bauern-Molkerei (Bio-Anbauverband Bioland) um faire Milch. Sie fing schon 2002 an, einen freiwilligen Aufschlag für Bio-Milch zu zahlen, dies transparent darzustellen und die Verbraucher dadurch einzubinden. Der Erfolg war groß und die Nachfrage stieg, statt wie bei höheren Preis oft beobachtbar zu sinken.
Auch die Söbbeke Pauls Molkerei darf hier genannt werden, die ohnehin versucht, nachhaltiger zu arbeiten, die einen Verhaltenskodex (PDF) besitzt und nach den Bioanbauverband-Richtlinien arbeitet.
Faire Milch: in immer mehr Supermärkten erhältlich
Die zwei bekanntesten Initiativen für faire Milch sind Die faire Milch und Sternenfair.
Bei Sternenfair erhalten die Landwirte für jeden Liter einen festen Preis, unabhängig von Preisschwankungen im Markt. „Wir garantieren 40 Cent für jeden verkauften Liter Milch unter der Marke Sternenfair„, so Jakob Niedermaier, Geschäftsführer der MVS Milchvermarktungs-GmbH, die hinter Sternenfair steht. „Bei uns kann man sicher sein, dass dieses Geld auch bei den Landwirten ankommt.“
Um Milch als „Sternenfair“ verkaufen zu können, müssen die Bauern sinnvolle Auflagen erfüllen, etwa besseres Futter verwenden und auf Gentechnik verzichten, aber auch Nachhaltigkeitskriterien erfüllen (PDF). Sternenfair will außerdem bienenfreundlich sein. Und: „Glyphosat ist bei unseren Landwirten verboten“, so Niedermaier.
Sternenfair-Milch gibt es bei Rewe, HIT und Kaufland, hier gibt’s eine Händlersuche.
Auch „Die faire Milch“ engagiert sich für faire Milchpreise und zahlt 45 Cent pro Liter konventionelle Milch, 58 Cent für Bio-Milch. Zudem verzichtet die Initiative auf Gentechnik im Futter und auf Futtermittel aus Übersee. Am Programm der fairen Milch nehmen sowohl konventionelle Landwirt:innen als auch Bio-Betriebe teil.
Die Produktpalette umfasst im Bio-Bereich frische Weidemilch (mit Bioland-Siegel), im konventionellen Bereich neben drei Sorten haltbarer Milch auch drei Sorten Käse, Schokomilch und einen Likör. Erhältlich ist „Die faire Milch“ bei Edeka und Rewe, aber auch in vielen Hofläden und Direktvermarkter:innen.
Ganze 58 Cent pro Liter erhalten die Milchbauern bei der Verbrauchermilch von „Du bist hier der Chef!“.
Bio: Faire Milch der Anbauverbände
Bio-Milch sorgt generell für einen besseren Umgang mit Milchkühen, denn Bio-Tierhaltung ist tierfreundlicher, umwelt-, ressourcen- und klimaschonender und meist auch für den Verbraucher gesünder als die konventionelle Landwirtschaft.
Noch besser als Milch mit dem grünen EU-Bio-Siegel ist Bio-Milch von Bio-Anbauverbänden wie Demeter, Naturland, Bioland. Deren meist strengeren Regelungen sehen zum Beispiel vor, dass ein größerer Teil des Tierfutters aus Bio-Anbau stammen muss und zugleich auch aus regionalem Anbau, was letztlich für mehr Nachhaltigkeit sorgt.
Bio-Milch ist nicht automatisch faire Milch, aber sie wird oft fairer gehandelt als konventionelle.
Milchautomaten und Milchtankstellen
Eine spannende Sache sind auch Milchautomaten, die es in immer mehr Supermärkten und Hofläden gibt. Die Kund:innen können hier frische Milch aus der Region in vorhandene Glasflaschen oder eigene Behälter zapfen.
Die Website milchtankstellen.com listet fast 250 Milchtankstellen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Diese Google-Map zeigt Milch-Automaten um München.
Sind Discounter immer schlecht?
Aber auch bei Discountern kann man Milch etwas besser einkaufen: Einfach nicht die billigste nehmen! Nach eigenem Bekunden zahlen einige Discounter höhere Preise bei speziellen Warengruppen. Bei Netto sind das beispielsweise die Produkte mit dem „Ein Herz für Erzeuger“-Logo.
Was können wir gegen niedrige Milchpreise tun?
Es bleibt die Verbrauchermacht. Wenn alle Konsument:innen aufhören würden, stets die billigste Milch zu kaufen, sondern anfangen, Bio-Milch und faire Milch zu erfragen, dann würde die konventionelle Milch – im Idealfall – auch nicht mehr verkauft und produziert werden. Wir alle müssten also eigentlich nur bessere Milch kaufen (und zwar in Maßen) und damit den Bauern einen Anreiz bieten, auf nachhaltigere Produktionsweisen und Tierhaltungsformen umzusteigen. Bevor wir uns darüber beklagen, dass da sowieso nicht alle mitmachen, könnten wir einfach mal damit anfangen und mit gutem Beispiel voran gehen.
Utopia empfiehlt: Keine billige, konventionell produzierte Milch zu kaufen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Besser ist: regional produzierte Bio-Milch – möglichst von Mitgliedern namhafter Bio-Verbände wie Demeter, Bioland oder Naturland. Noch besser wäre natürlich der Verzicht auf tierische Milch und ein Umstieg auf pflanzliche Alternativen.
- Du willst auf Milch verzichten? Hier die besten Alternativen zu Milch!
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