Die Zulassung von Glyphosat wurde in der EU gerade um ein weiteres Jahr verlängert. Bis Ende 2023 bleibt der Unkrautvernichter damit erlaubt – doch die Debatte um die Gefahren des Pestizids reißt nicht ab. Dabei geht es nicht nur um unsere Gesundheit: Roundup & Co. haben ein noch viel größeres Zerstörungspotenzial.
Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat wird seit Jahren kontrovers diskutiert: Während viele Wissenschaftler:innen und Umweltschutzorganisationen davon überzeugt sind, dass der Stoff gefährlich ist und verboten gehört, sind staatliche und internationale Institutionen zurückhaltender. Was hinter der Debatte steckt und wie bedenklich Glyphosat wirklich ist, erfährst du hier.
- Was ist Glyphosat?
- Was ist das Problem mit Glyphosat?
- Roundup: Die Wunderwaffe von Monsanto
- Glyphosat und unsere Gesundheit
- Wird Glyphosat verboten?
- Was kann ich tun?
Was ist Glyphosat – was ist Roundup?
Glyphosat ist ein Unkrautvernichtungsmittel (Herbizid) – und das am häufigsten eingesetzte Pestizid weltweit. Der NABU geht von einer jährlichen Austragsmenge von rund einer Million Tonnen Glyphosat weltweit aus. In Deutschland wird es laut BUND auf 40 Prozent der Ackerfläche eingesetzt.
Der Wirkstoff, der zur Gruppe der Phosphonate zählt, ist der wichtigste Bestandteil zahlreicher Herbizid-Produkte, sowohl für den Gebrauch in der Landwirtschaft als auch im privaten Bereich.
Bei Glyphosat handelt es sich um ein sogenanntes Breitbandherbizid. Es vernichtet jede Pflanze – es sei denn, sie wurde gentechnisch so verändert, dass sie gegen das Herbizid resistent ist. Der Wirkstoff wird von den Pflanzen über die Blätter aufgenommen, gelangt dann in alle Bestandteile der Pflanze und blockiert einen essentiellen Stoffwechselprozess; die Pflanze stirbt.
Glyphosat lässt sich weder abwaschen, noch wird es anderweitig in nennenswertem Umfang abgebaut. Es reichert sich im Boden an und kann durch Verwehungen oder Auswaschungen auch in Gewässer gelangen. Laut BUND halten sich Rückstände in Futtermitteln und Lebensmitteln bis zu einem Jahr.
Der US-amerikanische Saatgut- und Herbizid-Konzern Monsanto ließ sich Glyphosat als Pflanzenvernichtungsmittel Anfang der 1970er Jahre patentieren. 1974 kam das Ackergift unter dem Namen „Roundup“ auf den Markt.
Zunächst kam es zur Behandlung der Felder vor der Aussaat zum Einsatz – in Deutschland ist das noch immer so. In den 1990er Jahren wurden gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen, die gegen das Herbizid resistent sind („Roundup Ready Crops“) – und Monsanto verkauft seitdem beides: Roundup und Roundup-resistentes Saatgut.
NEU: 2017 verlängerte die Europäische Union die Zulassung von Glyphosat um weitere fünf Jahre. Jetzt, Ende 2022, wurde die Nutzung innerhalb der EU erneut für ein weiteres Jahr bis Ende 2023 genehmigt. Eigentlich wäre die Zulassung für Glyphosat in der EU jetzt ausgelaufen. Doch die EU-Kommission braucht nach eigener Aussage mehr Zeit, um die Sicherheit des Mittels rechtssicher einschätzen zu können. Dann soll eine langfristige Entscheidung bezüglich Glyphosat getroffen werden. Die jetzige Entscheidung ist umstritten, viele Staaten hatten sich gegen eine längere Zulassung ausgesprochen.
Was ist das Problem mit Glyphosat?
Der Unkrautvernichter steht seit längerem in der Kritik, denn er birgt gleich mehrere Probleme und Risiken – für die Umwelt, die Tierwelt und für den Menschen.
Glyphosat schadet der Artenvielfalt
Glyphosathaltige Herbizide wie Monsantos Roundup töten ausnahmslos alle Pflanzen, mit denen sie in Berührung kommen. So verschwinden nicht nur im Ackerbau unerwünschte Beikräuter, sondern auch wertvolle Wildpflanzen. Weniger Wildpflanzen bedeuten weniger Lebensraum und Nahrung für Insekten. Weniger Insekten wiederum bedeuten weniger Nahrung für Vögel. So führt der Einsatz von Glyphosat mittelfristig dazu, dass die biologische Vielfalt schwindet.
Resistente Unkräuter durch Glyphosat
Je mehr glyphosathaltige Pestizide eingesetzt werden, desto größer ist das Risiko, dass die „Unkräuter“, die damit eigentlich vernichtet werden sollen, resistent gegen den Wirkstoff werden. Im Extremfall könnte Glyphosat also irgendwann gar nicht mehr wirken – und die Landwirt:innen müssten entweder auf andere, nicht weniger gefährliche Pestizide ausweichen oder die Beikräuter doch wieder mit traditionellen Verfahren behandeln. Durch die Kombination verschiedener Pestizide können „Superunkräuter“ entstehen, die gegen verschiedene Herbizide resistent sind.
Pestizide breiten sich aus
Auch wenn Glyphosat nur auf einem bestimmten Feld ausgebracht wird, lässt sich kaum vermeiden, dass Spuren auch auf benachbarte Äcker gelangen. Je nach Spritzmethode und Wind können so angrenzende Felder massiv belastet werden.
Glyphosat gelangt ins Grundwasser
Gelangt Glyphosat in Bäche, Flüsse oder das Grundwasser, gefährdet das Mittel laut BUND Wasserlebewesen. Vor allem Amphibien entwickeln sich nicht richtig, Studien zufolge sterben deshalb viele Kaulquappen. Laut Gesetz darf Glyphosat nicht ins Wasser gelangen, dies müsse bei der Anwendung sichergestellt werden. Dennoch hat beispielsweise der BUND Brandenburg das Herbizid in Kleinstgewässern neben Äckern nachgewiesen.
Roundup macht Monsanto reich und Landwirt:innen abhängig
Das vielleicht größte Problem, das Glyphosat mit sich bringt, ist die Konzentration von Macht in den Händen weniger Konzerne – allen voran Monsanto. Da Monsanto nicht nur Roundup verkauft, sondern auch das Saatgut für Pflanzen, die dagegen resistent sind („Roundup Ready Crops“), verdient der Konzern gleich doppelt. Gleichzeitig macht Monsanto mit dieser Strategie Landwirt:innen auf der ganzen Welt von sich und seinen Patenten abhängig.
Roundup: die Wunderwaffe von Monsanto
Roundup, der Glyphosat-basierte Bestseller das Saatgut-Konzerns Monsanto, ist das weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel. Es wird in großem Stil in der Landwirtschaft angewendet (zum Beispiel beim Anbau von Raps, Mais, vielen verschiedenen Getreidesorten, Soja und Baumwolle), aber auch in Grünanlagen (zum Beispiel von Städten und Kommunen) – und selbst Hobbygärtner:innen versprühen noch immer Roundup in ihren Gärten und Einfahrten.
Parallel zur „klassischen“ Unkrautbekämpfung mittels Roundup macht Monsanto vor allem gute Geschäfte mit dem Verkauf von gentechnisch verändertem Saatgut in Kombination mit Roundup. Die sogenannten „Roundup Ready Crops“ sind resistent gegen Glyphosat. Damit ist die Anwendung von Roundup auch während der Wachstumsperiode der Pflanzen möglich – alles außer den extra gezüchteten Pflanzen wird vernichtet. Das befördert Monokulturen und gefährdet die Artenvielfalt in besonderem Maße.
Monsanto macht so mit Roundup gleich doppelt Profit: mit dem Herbizid als solches und mit dem Roundup-resistenten Saatgut. Das treibt Landwirt:innen auf der ganzen Welt in die Abhängigkeit: Wenn sie Roundup verwenden oder einmal damit begonnen haben, Roundup Ready Crops zu anzubauen, sind sie quasi gezwungen, das genveränderte weiterhin Saatgut von Monsanto zu kaufen. Das Saatgut müssen sie jedes Jahr neu kaufen, denn die Pflanzen produzieren keine keimfähigen Samen. Aufgrund von versehentlichen Resistenzen von Unkräutern müssen sie die Herbizidmengen erhöhen, während ihre Erträge sinken – gerade in Entwicklungsländern führt das oft zur Verschuldung der Bauern.
Der sehr sehenswerte Dokumentarfilm „Monsanto, mit Gift und Genen“ (2007) beschäftigt sich mit den zweifelhaften Machenschaften von Monsanto – auch in Bezug auf Roundup.
Monsanto selbst behauptet bis heute, dass Roundup und Glyphosat für den Menschen und die Umwelt unbedenklich seien:
„Comprehensive toxicological studies […] demonstrated that glyphosate poses no unreasonable risk to people, the environment, or pets when used as directed on the label.“
(„Umfassende toxikologische Studien haben […] gezeigt, dass Glyphosat kein unangemessenes Risiko für Menschen, die Umwelt oder Haustiere birgt, wenn es gemäß der Anweisungen auf dem Etikett verwendet wird.“)
Glyphosat und unsere Gesundheit
Gelangt Glyphosat in den menschlichen Körper?
Ja. Verschiedene Studien konnten bereits Rückstände des Herbizids im menschlichen Körper feststellen – und zwar sowohl bei Menschen, die dem Stoff beruflich ausgesetzt sind als auch bei eigentlich „Unbeteiligten“.
Laut BUND lassen sich bei rund 70 Prozent der Deutschen Rückstände von Glyphosat im Urin nachweisen. Bei einer Stichproben-Untersuchung 2013 war etwa die Hälfte der städtischen Bevölkerung aus insgesamt 18 EU-Staaten damit belastet.
Eine weitere Untersuchung der Heinrich Böll Stiftung fand sogar bei rund 75 Prozent der Probanden eine Glyphosat-Belastung von mindestens 0,5 Nanogramm pro Milliliter im Urin (Grenzwert für Trinkwasser: 0,1 ng/ml). Insgesamt konnte die Studie bei 99,6 Prozent, d.h. so gut wie allen untersuchten Personen, Rückstände nachweisen. Untersucht wurden dabei über 2000 Deutsche aus allen Teilen des Landes.
In einer Langzeitstudie konnte das Umweltbundesamt (UBA) nachweisen, dass die Belastung mit Glyphosat in den vergangenen 15 Jahren (bis 2015) deutlich gestiegen ist.
Auch in verschiedenen Produkten, mit denen wir regelmäßig in Berührung kommen, werden immer wieder Rückstände von Glyphosat gefunden: Zum Beispiel in Brot und Brötchen, in Haferflocken, in Bier und sogar in Damenhygieneprodukten.
Ist Glyphosat krebserregend?
Das Unkrautvernichtungsmittel steht im Verdacht, das Hormonsystem zu beeinflussen und so möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Glyphosat bzw. glyphosathaltige Pestizide ungeborene Kinder schädigen und zu Missbildungen führen können.
Glyphosat steht darüber hinaus seit Jahren unter dem Verdacht, Krebs auslösen zu können. In Laborversuchen wirkte der Stoff genotoxisch, d.h. er hemmt Funktionen der Zellen und begünstigt Mutationen. In Gegenden mit hohem Glyphosateinsatz wurden zudem besonders hohe Krebsraten beobachtet.
Epidemiologische Studien aus Kanada, den USA und Schweden weisen darauf hin, dass Menschen, die Glyphosat ausgesetzt sind, ein höheres Risiko haben, an Lymphdrüsenkrebs (Non-Hodgkin-Lymphomen) zu erkranken.
Auch in Tierversuchen mit Mäusen und Ratten zeigte sich ein Anstieg an bösartigen Tumoren nach dem Kontakt mit dem Wirkstoff.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Pestizid im März 2015 offiziell als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Damit steht Glyphosat auf der zweithöchsten Gefahrenstufe (2A). Auch Schädigungen des Erbguts sind laut IARC nicht auszuschließen.
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) dagegen bewerten Glyphosat nicht als gesundheitsgefährdend bzw. krebeserregend. Die Grundlagen dieser Einschätzungen sind allerdings mindestens zweifelhaft: Im Juli 2015 stellte sich heraus, dass das BfR seine „wissenschaftliche“ Einschätzung teils auf Leserbriefe stützte, die von Monsanto-Mitarbeitenden stammten. Auch die ECHA führte keine eigene Forschung durch – und im März 2017 wurde bekannt, dass Monsanto teils gezielt Einfluss auf Studien nimmt.
Wird Glyphosat verboten?
Nach monatelangen Diskussionen und zahlreichen gescheiterten Abstimmungen entschieden die EU-Staaten Ende November 2017, Glyphosat für weitere fünf Jahre zuzulassen. Diese Zulassung läuft am 15. Dezember 2022 aus, die nationalen Zulassungsbescheide ein Jahr später.
Gerade hat die EU die Erlaubnis von Glyphosat um ein weiteres Jahr bis Ende 2023 verlängert. Die EU-Kommission brauche nach eigener Aussage mehr Zeit, um das Mittel rechtssicher einschätzen zu können. Dann will die EU eine langfristige Entscheidung bezüglich Glyphosat treffen. Die jetzige Entscheidung ist umstritten, viele Staaten hatten sich gegen eine längere Zulassung ausgesprochen.
Nationale Verbote sind aus europarechtlichen Gründen jedoch schwierig. Einige Länder beschränken aber bereits den Einsatz: In Frankreich müssen Privatpersonen und Kommunen auf den Einsatz von Glyphosat verzichten. Auch in den Niederlanden ist es Privatpersonen verboten, Roundup zu verwenden. In der Schweiz gelten Anwendungsverbote für bestimmte Orte (zum Beispiel rund um oberirdische Gewässer, an Waldrändern, auf Terrassen und Dächern und an Böschungen).
Auch in Deutschland gibt es bereits vereinzelte Beschränkungen: Die Stadt Dachau hat Glyphosat auf städtischen Ackerflächen schon 2017 verboten. Dresden hat das Unkrautvernichtungsmittel immerhin aus Parks, Spielplätzen, Friedhöfen und Straßenrändern verbannt. Eine Reihe von Baumärkten in Deutschland verzichtet seit Jahren auf den Verkauf von glyphosathaltigen Pestiziden, darunter die Baumarktketten Toom und Obi.
Im September 2019 beschloss die deutsche Bundesregierung den Einsatz von Glyphosat ab 1. Januar 2024 zu verbieten – und schon vorher deutlich zu reduzieren. So ist es seit September 2021 verboten, Glyphosat im Haus- und Kleingartenbereich zu benutzen sowie auf Flächen, die von der Allgemeinheit genutzt werden.
Was kann ich tun, damit Glyphosat verschwindet?
- Bleib auf dem Laufenden: Umweltschutzverbände und Kampagnenorganisationen protestieren regelmäßig gegen den Einsatz von gefährlichen Pestiziden. Mach mit – je mehr Menschen sich den Petitionen und Protesten anschließen, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt das Thema und desto wahrscheinlicher wird ein EU-weites Verbot.
- Kauf Bio: Bio-Ware darf nicht mit synthetischen Pestiziden behandelt werden, also auch nicht mit Glyphosat. Je mehr Bio-Lebensmittel wir kaufen, desto lauter das Signal an die Landwirtschaft, dass wir gesunde, unbehandelte Produkte aus nachhaltigem Anbau wollen!
Tipps: Unkraut bekämpfen ohne Roundup
- Unkraut erkennen: Nicht alles, was rund um deine Blumen- oder Gemüsebeete wächst, ist Unkraut. Informiere dich über die einzelnen Pflanzen, bevor du einfach alles vernichtest. Lies auch: 10 Unkräuter, die man essen kann
- Unkraut jäten: Die effektivste und umweltschonendste Methode ist immer noch, unerwünschte Pflanzen von Hand zu entfernen.
- Mulchen: Mulch aus Holzschnipseln verhindert, dass Unkraut im Beet austreiben kann.
- Hausmittel verwenden: bestimmte Pflanzenjauchen oder sogar Essig helfen unter Umständen genauso gut gegen Schädlinge wie Roundup. Lies dazu: Brennesseljauche selber machen und Kaliumdünger anwenden und selber machen
- Naturnaher Garten: Je wilder und blühender ein Garten aussieht, desto mehr hilft er Insekten, Vögeln und anderen Kleintieren wie Igeln.
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