Mythen über Leder existieren viele. Diese verbergen oft, welch schädliche Konsequenzen die Produktion für Menschen, Tiere und die Umwelt hat. Wir nehmen vier Leder-Mythen unter die Lupe.
Sneaker, die Lederbezüge im Auto, eine Jacke oder das Sofa – viele Konsumgüter bestehen aus Leder, denn es gilt als robust, langlebig und wertig. Andererseits ist Leder ein tierisches Produkt, das oft mit Tierleid und Umweltverschmutzung einhergeht.
Leder ist also ein äußerst kontroverses Material. Wir haben uns vier Mythen über Leder angeschaut und klären auf, welcher Teil davon wahr ist.
1. Leder ist ein Abfallprodukt
Einer der am bekanntesten Leder-Mythen ist, dass Leder ein Abfallprodukt der Fleischindustrie sei. Viele Menschen glauben, dass Leder eine sinnvolle Nutzung von Tierhäuten ist, die ohnehin schon da sind. Doch das ist in den allermeisten Fällen ein Irrtum.
Tierhäute sind nach Fleisch das wichtigste Absatzprodukt von Schlachtbetrieben, denn die Nachfrage nach Lederprodukten ist hoch. Diese Nachfrage stärkt den Ledermarkt und damit auch die Nachfrage nach Tieren. Überwiegend stammt das Leder von Kühen, Büffeln und Kälbern. Das Leder von nicht in Deutschland heimischen Tieren wie Krokodilen, Zebras, Schlangen oder Elefanten ist besonders begehrt. Diese Tiere werden häufig illegal nur wegen ihrer Haut gejagt und getötet oder auf Farmen extra für die Fleisch- und Lederproduktion gezüchtet.
Mit dem Kauf von Lederprodukten unterstützt du also mitunter schlechte Haltungsbedingungen, Wilderei und Tierleid.
2. Leder ist ein Naturprodukt und frei von Schadstoffen
Ein weiterer Leder-Mythos besagt, dass Leder ein nachhaltiges Naturmaterial ist. Dabei entsteht Leder erst durch einen aufwendigen Prozess, der Mensch und Umwelt schaden kann.
Um Leder herzustellen, muss die Tierhaut weiterverarbeitet und durch Gerbung konserviert werden. Die Gerbung macht laut Verbraucherzentrale oft Gebrauch von schädlichen Chemikalien, wie beispielsweise Chromsalzen. Leder ist dementsprechend meist kein reines Naturprodukt.
Bei einer unsachgemäßen Gerbung mit Chrom kann das Kontaktallergen Chrom VI im fertigen Lederprodukt entstehen. Chrom VI ist akut toxisch und verursacht schwere allergische Hautreaktionen wie Schwellungen, Rötungen, Schuppen oder Bläschen. In größeren Mengen kann Chrom VI krebserregend sein.
Die Gerbung von Leder mit Chrom gefährdet daher:
- Konsument:innen, die beispielsweise mit Chrom VI verseuchte Lederschuhe tragen.
- Arbeiter:innen in Gerbereien. Oft zählen dazu Kinder.
- Menschen, die in der Nähe von Gerbereien leben.
- die Umwelt und darin lebende Tiere
Aufgrund der extrem niedrigen Löhne in Bangladesch und anderen Ländern des Globalen Südens beziehen viele Hersteller:innen aus Deutschland und Europa ihr Leder aus dortigen Gerbereien. Vor Ort sind die Arbeitsbedingungen oft schlecht: Die Arbeiter:innen gerben ohne Schutzkleidung und gefährden somit ihre Gesundheit. Der Stundenlohn liegt laut dem ZDF bei neun Cent pro Stunde.
Aufgrund schlechter oder fehlender Umweltkontrollen und unsachgemäßer Entsorgung gelangen die Chemikalien in der Nähe der Gerbereien in den Boden und in das Grundwasser. Das vergiftet nicht nur die Umwelt, sondern hat auch gesundheitliche Folgen für die dort lebende Bevölkerung.
Um derartige Folgen der Lederproduktion einzudämmen, dürfen in der EU Lederprodukte nur maximal drei Milligramm Chrom VI pro Kilogramm enthalten.
Die bessere Alternative, wenn es tierisches Leder sein soll: pflanzlich gegerbtes Leder. Mehr dazu hier: Echtes Leder, pflanzlich gegerbtes Leder, Bio-Leder – das steckt dahinter.
3. Die Gerbung ist nur mit Chemikalien möglich
Zu den Leder-Mythen gehört ebenso die Annahme, dass die Ledergerbung nur mit Chemikalien wie Chrom möglich sei. Dabei kamen ursprünglich ausschließlich Pflanzen zur Gerbung zum Einsatz.
Man nutzte dazu Tannine, die in Pflanzenteilen wie Kastanien- oder Eichenholz vorkommen. Die pflanzliche Gerbung hinterlässt keine Giftstoffe im fertigen Lederprodukt und ist schonender für die Umwelt und sicherer für die Verbraucher:innen.
Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich dann jedoch aus kommerziellen Gründen die Methode des Chromgerbens durch. Das Gerben mit Chrom geht schneller und produziert im Allgemeinen elastischeres, wasserabweisendes und hitzebeständiges Leder. Pflanzlich gegerbtes Leder bringt je nach der Pflanze, deren Gerbstoffe genutzt wurden, unterschiedliche Eigenschaften mit. Es hat allgemein jedoch den Nachteil, dass es kaum wasserabweisend oder lichtbeständig ist.
Dennoch gerben einige Produzenten ihr Leder aus den genannten Vorteilen für Umwelt und Mensch pflanzlich. Beim Kauf solcher Lederprodukte bieten dir das Naturleder-Siegel des Internationalen Verbandes für Naturtextilwirtschaft oder der Leather Standard-Siegel von Oeko-Tex Orientierung.
4. „Made in Italy“ kennzeichnet europäisches Leder
Lederprodukte mit der Kennzeichnung „Made in Italy“ stehen für vermeintlich hohe Qualität. Doch es handelt sich um einen Leder-Mythos, dass diese Kennzeichnung für ein rein italienisches Produkt steht.
„Made in Italy“ meint lediglich, dass das fertige Lederprodukt, beispielsweise eine Handtasche, in Italien gefertigt wurde. Das Leder hingegen kommt nicht zwingend aus Italien. Denn häufig beziehen europäische Produzenten ihr Leder laut ZDF aufgrund der hohen Nachfrage und der günstigen Konditionen aus Nahost oder Asien.
Beachte beim Kauf von Lederprodukten, dass Hersteller laut ZDF nicht dazu verpflichtet sind, auf ihren Lederprodukten die Herkunft des Leders oder die Tierart, von dem das Leder stammt, zu kennzeichnen. Eine Rückverfolgung ist also kaum möglich. Das bedeutet, dass du dir selten sicher sein kannst, wo das Leder für deine Sneaker oder deine Lederjacke herkommt.
Fall nicht auf die Mythen rund um Leder herein
Viele Leder-Mythen verschleiern, dass Leder keineswegs ein ethisch und ökologisch unbedenkliches Material ist. Tatsächlich steht der Konsum von Leder nämlich oft in Zusammenhang mit Massentierhaltung, gefährlichen Arbeitsbedingungen für Arbeiter:innen in Gerbereien, Umweltschäden durch die unsachgemäße Entsorgung von Chemikalien sowie gesundheitlichen Risiken für Arbeiter:innen und Konsument:innen.
Um dies nicht zu unterstützen, kannst du Produkte aus zertifiziertem Leder kaufen. Achte daher auf das Naturleder-Siegel oder das Leather Standard-Siegel.
Ganz ohne Tierleid geht es aber nur, wenn du ganz auf Produkte aus tierischem Leder verzichtest. Es gibt inzwischen zahlreiche vegane Alternativen, auf die du zurückgreifen kannst. Beachte jedoch: Veganes Leder ist nicht automatisch nachhaltig. Häufig besteht dieses aus Kunststoff, welches wiederum auf Erdöl basiert. Dessen Förderung ist schädlich für das Klima und die Umwelt.
Mittlerweile gibt es jedoch zahlreiche innovative Lederarten, die weder Tieren noch der Umwelt schaden. Einen Überblick bekommst du hier: 10 vegane Leder-Sorten, die du kennen solltest
Auch Secondhand-Leder ist eine nachhaltigere Möglichkeit. So sparst du Ressourcen und verhinderst womöglich, dass Lederprodukte weggeschmissen werden. Hier bekommst du Tipps: Second-Hand-Kleidung kaufen: Hier wirst du online und offline fündig
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Überarbeitet von Lena Kirchner
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