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Besuch in einer Bio-Kommune: Anders arbeiten, anders leben

Foto: Joe Derschka

Draußen riecht die Luft nach Heu und Erde, drinnen nach heißem Mittagessen: Auf dem Laakenhof in Nordrhein-Westfalen kennen die Menschen jede Kuh mit Namen, und Geld geben sie nur aus, wenn sie etwas wirklich brauchen. Doch fast wäre ihr Traum von einem nachhaltigen Leben geplatzt. 

Seit Jahrzehnten wächst der Raum, den wir benötigen: Wir leben alleine in Wohnungen, in denen früher ganze Familien gewohnt hätten. Gleichzeitig fühlen sich immer mehr Menschen einsam. Dass das nicht sein muss, beweisen die Menschen vom Laakenhof. Sie geben etwas von ihrem persönlichen Raum ab, um in einer Gemeinschaft zu leben. Ihre Utopie: ein Zusammenleben jenseits ausgedienter Strukturen.

Anders wohnen: Gemeinsam statt einsam

Auf dem Laakenhof bei Neubeckum leben die Bewohner in einer Hofgemeinschaft zusammen. (Foto: Joe Derschka)

Seit 20 Jahren gibt es den Laakenhof in der Nähe von Neubeckum, im Nordosten von Nordrhein-Westfalen zwischen Münster und Paderborn. Die Hofgemeinschaft lebt von der ökologischen Landwirtschaft. Auf den Feldern wachsen Kartoffeln, Getreide und Gemüse. Es gibt Kühe, Bienen, Hühner und natürlich einen eigenen Hofladen.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat Hilde Schiller immer wieder Menschen kommen und gehen sehen: Paare, Auszubildende, Aussteiger:innen, die in einem Bauwagen auf dem Hof leben wollten. „Momentan sind wir immer etwa 12 bis 15 Leute am Mittagstisch“, sagt die Hof-Mitgründerin. Mit ihnen teilt sie sich die Gemeinschaftsküche, die Arbeit – und das Leben.

„Es ist stressig und spannend zugleich, dass hier immer neue Leute sind“, erklärt Schiller. „Das gefällt nicht jedem.“ Viele bräuchten mehr Rückzugsraum, gerade, wenn sie kleine Kinder haben. „Der Rückzug ist wichtig, aber nicht immer möglich.“ Das Leben in der Gemeinschaft gibt Halt und fordert zugleich, immer auch ein Stück von sich herzugeben. Dennoch hat natürlich jede:r Bewohner:in sein eigenes Zimmer und seinen eigenen Besitz, auch wenn alle in eine gemeinsame Kasse wirtschaften.

Anders arbeiten: Jeder hat seinen Bereich

Auch die Arbeit ist fair geteilt. Jeder trägt im Rahmen seiner Fähigkeiten die Verantwortung für bestimmte Bereiche, die Aufgaben im Haushalt wechseln unter den Bewohner:innen ab. Täglich gibt es eine Arbeitsbesprechung, bei der die anfallenden Aufgaben verteilt werden und besprochen wird, wer heute die Schlepper, Autos und Maschinen benutzt.

Auch Familien leben in der Hofgemeinschaft. Leibliche und Pflegekinder wohnen unter einem Dach. Und nicht selten werden auch die Hofbewohner:innen außerhalb der Familie zu wichtigen Bezugspersonen, die die Kleinen ins Bett bringen, sich um sie kümmern, wenn sie die Windpocken haben, oder sie vom Kindergarten oder der Schule abholen.

Ob das Leben in der Kommune zu einem passt, muss jeder erstmal ausprobieren. Deshalb steht vor dem endgültigen Einzug immer eine Probezeit. Ein Jahr lang können Neulinge das Hofleben ausprobieren – und die Bewohner:innen schauen, ob die Chemie stimmt.

Anders entscheiden: Was wirklich wichtig ist

Wer hat arbeitet, soll es sich auch gutgehen lassen: Die Bewohner beim gemeinsamen Grillen. (Foto: Joe Derschka)

Ob jemand bleiben darf, oder man lieber getrennte Wegen gehen mag, ob nächstes Jahr Kartoffeln oder lieber Kerbelrüben auf den Feldern wachsen, oder ob Bockshornklee seinen Weg in den hauseigenen Käse finden soll: Darüber entscheiden die Hofbewohner:innen gemeinsam. Dann sitzen sie um den großen Küchentisch und diskutieren. Manchmal stundenlang. Aber es gibt immer ein Ergebnis, mit dem alle zufrieden sind.

„In unserer Kommune fallen alle Entscheidungen nach dem Konsensprinzip“, sagt Schiller. Auf dem Laakenhof haben alle eine Stimme, das bedeutet aber nicht, dass sich automatisch die Mehrheit durchsetzt. Keine:r wird einfach überstimmt, vielmehr versuchen die Bewohner:innen, Konsens herzustellen. Es gibt aber auch Entscheidungen, bei denen nicht immer alle an einem Strang ziehen müssen. Wenn es beispielsweise um die Kuhkäserei geht, müssen sich nur drei Menschen einig werden. Das gehe meist sehr viel schneller. „Dabei lernt man auch immer viel über sich selbst, ob mir etwas wirklich wichtig ist, oder ob ich mich mal raushalte“, sagt Schiller.

Anders aufziehen: Artgerecht bis in den Tod

Für die Laakenhof-Bewohner hat artgerechte Tierhaltung Priorität. (Foto: Joe Derschka)

Manche Themen kommen immer wieder auf den Tisch. Vor allem die Kälbchen-Frage: Wiederholt haben die Laakenhof-Bewohner:innen in den letzten Jahren diskutiert, ob ihre Kühe noch Nachwuchs austragen sollten. Auf dem Laakenhof leben gerade einmal 12 Kühe. Das reicht, um Joghurt und Käse für den Hof und für den Markt herzustellen. Und um immer guten Dünger zu haben: direkt aus der Kuh.

Doch damit die Kühe Milch geben, müssen Sie jedes Jahr Nachwuchs zur Welt bringen. Und auch in der Kommune werden aus Kälbchen irgendwann Mettwürste. „Sonst würde es unsere Kuhherde nicht geben“, erklärt Schiller die Entscheidung. Ein Leben zu beenden erschien den Menschen auf dem Laakenhof besser, als es erst gar nicht entstehen zu lassen.

Auf dem Laakenhof kennen die Menschen jedes Tier beim Namen. Die Kälbchen dürfen in den wichtigen ersten Wochen bei ihren Müttern auf der Weide stehen und sich von ihnen das Fell lecken lassen. „Wir hatten einfach kein gutes Gefühl dabei, die Kälber nach drei Tagen von ihren Müttern zu trennen“, erzählt Schiller. Wenn die Kühe gemolken werden, dürfen die Kälbchen dabei sein und trinken. Schließlich ist es ihre Milch. Die Kälbchen werden auf der Wiese geboren und leben dort, bis sie von den Hofbewohner:innen zur Hausschlachterei im Nachbarort begleitet werden.

Anders wirtschaften: Ein Konto für eine grüne Zukunft

Gemeinschaft statt Profit: Die Bewohner kennen jedes Tier beim Namen. (Ines Eckermann)

Auch wenn es um Geld geht, gehen die Laakenhof-Bewohner:innen bewusst andere Wege: Alle Einnahmen landen auf einem gemeinsamen Konto, und jeder nimmt sich, was er glaubt, zu brauchen. „Wir wissen alle, dass wir nicht viel verprassen können“, sagt Schiller. „Aber Menschen, die unheimlich viel konsumieren wollen, kommen eh nicht her.“ Wenn sich die Bewohner:innen etwas nicht leisten können, dann benötigen sie es in den meisten Fällen auch nicht.

Deshalb kaufen sie auch ihre Trecker am liebsten gebraucht und in bar. Schwere High-Tech-Traktoren lehnen die Hofbewohner:innen ab: Denn die wuchtigen Riesenlandmaschinen erdrücken den Boden mit ihrem Gewicht förmlich. Stattdessen machen sie vieles von Hand und ackern sich noch selbst durch Erde und Felder. Auf dem Laakenhof ist vieles möglich, dass sich manch andere:r nicht traut.

Anders arbeiten: Eine freiere Zeiteinteilung

Ökologische Landwirtschaft bedeutet auch, in den Feldern selbst Hand anzulegen. (Foto: Joe Derschka)

Dazu gehört die Möglichkeit, Urlaub zu machen oder in Teilzeit zu arbeiten. Längst lebt der Laakenhof eine ländliche Utopie. “Ein Bauer in der Nachbarschaft wundert sich manchmal, wenn ich bei ihm vorbeiradel: ‚Hast du schon wieder frei?‘, fragt er dann”, erzählt Hilde. Da sie sich das Melken mit zwei anderen Hofbewohner:innen teilt, muss sie nur jeden dritten Sonntag die Milchkannen füllen. Manchmal muss man sich einfach nur trauen – auch wenn es um die eigene Freizeit geht.

„Heute ist öko nicht mehr so eine Spinnerei wie noch vor 20 Jahren“, sagt Schiller. Und doch schmeckt nicht jeder und jedem die neue Art zu leben und zu wirtschaften: Vor ein paar Jahren beschloss der Eigentümer des Hofs, den Pachtvertrag 2020 auslaufen zu lassen. Die Bio-Bauern-Kommune des Laakenhofs stand nach 20 Jahren nachhaltiger Landwirtschaft vor dem Aus.

Obwohl Kunden und Anwohner protestierten, blieb der Pächter bei seiner Entscheidung. „Das war schon recht hart“, sagt Schiller. Zwar mussten sich die Hofbewohner:innen 2020 von ihrem gewohnten Acker machen, haben aber schnell einen neuen Hof in der Nähe gefunden, der ihnen eine nachhaltige Perspektive bietet. Die Gemeinschaft konnte bestehen bleiben.

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