Die Bioökonomie ersetzt fossile durch nachwachsende Rohstoffe und gilt deshalb als wichtiger Baustein einer nachhaltigen Wirtschaft. Wir erklären dir, was eine Bioökonomie ausmacht.
Bioökonomie – auch biobasierte Wirtschaft genannt – umfasst alle Teile von Wirtschaft und Industrie, die mit nachwachsenden biologischen Rohstoffen zu tun haben. Zu diesem weiten Feld gehören unter anderem:
- Land- und Forstwirtschaft
- Fischfang und -zucht
- Energiewirtschaft
- Nahrungsmittelindustrie
- Biotechnologie
- Chemieindustrie
- Textilindustrie
- Papierindustrie
All diese Sektoren nutzen in irgendeiner Weise nachwachsende Rohstoffe wie Pflanzen, Mikroorganismen oder Tiere.
Welches Potential hat die Bioökonomie?
Die Bundesregierung beschreibt in ihrer „Nationalen Politikstrategie Bioökonomie„, welche Chancen sie in der biobasierten Wirtschaft sieht. Heutzutage basieren weite Teile unserer Wirtschaft auf fossilen Rohstoffen wie Erdöl – es dient beispielsweise als Energieträger und als Grundlage für viele Chemikalien und Kunststoffe. Die erdölbasierte Wirtschaft gerät jedoch zunehmend an ihre Grenzen:
- Klimawandel und Umweltzerstörung schreiten voran.
- Fossile Rohstoffe sind endlich und sie kommen nicht in allen Staaten gleichermaßen vor. Folglich existieren viele Abhängigkeiten.
Die Bioökonomie soll helfen, diese Probleme zu lösen, da sie ohne fossile Rohstoffe auskommt. Die Bundesregierung hofft darüber hinaus, dass Deutschland eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet einnehmen kann und davon wirtschaftlich profitiert. Das Ziel ist letztendlich, eine „Green Economy“ zu errichten, in der klima- und umweltfreundliches Wirtschaftswachstum möglich ist.
Beispiele für Bausteine einer Bioökonomie
Wie oben beschrieben, gehören altbekannte Wirtschaftszweige wie Land- und Forstwirtschaft zur Bioökonomie. Auch Biogasanlagen und Bioplastik sind dir sicher schon begegnet. In der Bioökonomie spielt aber auch die Erforschung neuer Anwendungsgebiete eine wichtige Rolle. Hier sind einige Beispiele, wie sich nachwachsende Rohstoffe noch einsetzen lassen:
- Enzyme sorgen im menschlichen Körper dafür, dass zahlreiche chemische Reaktionen ablaufen können – sie wirken als Katalysatoren. Diese Eigenschaft kann sich aber auch die Industrie zunutze machen. Beispielsweise können bestimmte Enzyme bei der Herstellung und dem Abbau von Bioplastik helfen. Gegenüber herkömmlichen chemischen Katalysatoren haben biologische Katalysatoren den Vorteil, dass sie bei niedrigeren Temperaturen und niedrigem Druck arbeiten können. So lässt sich Energie einsparen.
- Aus den proteinreichen Resten der Rapsölerzeugung lassen sich beispielsweise Verpackungsmaterialien oder Isolierschaum herstellen.
- Insekten werden als Nahrungsquelle für Menschen und Tiere immer interessanter. In der Tierhaltung können sie zum Beispiel eine nachhaltigere Alternative zu Fischmehl oder Soja sein – Insekten verbrauchen kaum Ressourcen, benötigen wenig Platz und sind sehr proteinreich. Zudem enthalten sie Fette, die zum Teil erdölbasierte Fette ersetzen könnten. Beispielsweise ließe sich aus den Fetten von Insekten Kettenöl für Fahrräder herstellen.
Laut der „Nationalen Politikstrategie Bioökonomie“ spielen in der Bioökonomie auch Kreisläufe eine wichtige Rolle. Abfälle sollen so effizient wie möglich genutzt werden – auch sektorübergreifend. Ein Beispiel wären die oben erwähnten Abfälle der Rapsölerzeugung, die als Rohstoff für Verpackungsmaterialien dienen können. Mehr zum Thema Kreislaufwirtschaft erfährst du hier: Kreislaufwirtschaft: Das steckt dahinter.
Die „Nationale Politikstrategie Bioökonomie“
2013 hat die Bundesregierung die bereits verlinkte „Nationale Politikstrategie Bioökonomie“ beschlossen. Eine Forschungsstrategie Bioökonomie gibt es bereits seit 2010. Beteiligt sind vor allem das federführende Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Sie unterstützen von 2020 bis 2024 mit 3,6 Milliarden Euro Bioökonomieprojekte und -maßnahmen. Seit Dezember 2020 gibt es außerdem einen Bioökonomierat, der die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Strategie berät.
Übrigens: Das Wissenschaftsjahr 2020/21 hat ebenfalls die Bioökonomie zum Thema.
Die Bioökonomiestrategie gibt zunächst Bedingungen vor, unter denen sich der Wandel zur biobasierten Wirtschaft vollziehen soll:
- Die Ernährungssicherheit (in Deutschland, aber auch global) hat oberste Priorität. Dies zu formulieren ist wichtig, denn nachwachsende Rohstoffe haben ein entscheidendes Problem: Die meisten von ihnen verbrauchen Flächen, auf denen beispielsweise auch Nahrungsmittel wachsen könnten. So ergeben sich Zielkonflikte.
- Zudem spielen Klima- und Umweltschutz, aber auch Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Rolle.
Aus den Zielen und Bedingungen leitet die Strategie Maßnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern ab. Beispielsweise werden für eine Bioökonomie viele qualifizierte Fachkräfte benötigt und die Land- und Forstwirtschaft müssen effizienter und nachhaltiger werden.
Wie weit ist die Bioökonomie in Deutschland und der Welt?
Der Fortschrittsbericht von 2016 zeigt, wie weit die Umsetzung der Bioökonomiestrategie bis dahin gekommen ist. Der Bericht stellt unter anderem fest, dass die biobasierte Wirtschaft ein wichtiger Teil der gesamten deutschen Wirtschaft ist – mehr als zwölf Prozent der Beschäftigten arbeiteten 2010 in diesem Bereich. Allerdings machen klassische Bioökonomiezweige wie die Landwirtschaft oder die Papierindustrie nach wie vor den größten Teil der biobasierten Wirtschaft aus. Neuere Bereiche wie die Biotechnologie spielen noch keine große Rolle.
Auf der einen Seite haben neben Deutschland auch viele andere Staaten die Vorteile der Bioökonomie erkannt, so der Bericht. Auf der anderen Seite ist der Umbau der Wirtschaft ein komplexer und langsamer Prozess, der zusätzlich durch die relativ niedrigen Preise fossiler Rohstoffe gebremst wird.
Kritik an der Bioökonomie
Es ist bereits angeklungen: Auch in einer Bioökonomie ergeben sich grundlegende Zielkonflikte – insbesondere, weil die Anbauflächen für Pflanzen endlich sind. Dies ist einer der Gründe, weshalb Umweltorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) die Ökonomiestrategie kritisieren. Die weiteren Kritikpunkte lauten:
- Falls Deutschland den eigenen Flächennutzungskonflikt zu lösen versucht, indem es Rohstoffe aus anderen Ländern importiert, verschärfen sich dort die Landnutzungskonflikte.
- In der Bioökonomiestrategie spielt die Intensivierung von Land- und Forstwirtschaft eine wichtige Rolle, um die Konflikte zu entschärfen. Der BUND bezweifelt, dass dies umwelt- und klimafreundlich funktioniert. Zudem soll dem BUND zufolge in diesem Zusammenhang auch Gentechnik eine wichtige Rolle spielen. Das lehnt die Umweltorganisation ebenfalls ab.
- Der BUND stellt die grundsätzliche Leitidee der „Green Economy“ – die Kopplung von Wirtschaftswachstum und ökologischer Nachhaltigkeit – infrage.
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