Das Ackersyndikat: Gemeingut statt Privateigentum Von Jasmin Artelt Kategorien: Umweltschutz Stand: 21. November 2021, 20:00 Uhr Foto: CC0 / Pixabay / 12019 Das Ackersyndikat ist ein Verein mit dem Hauptziel, Land und Höfe dem kapitalistischen Markt zu entziehen. Landwirtschaftliche Flächen sollen denen gehören, die sie ökologisch bewirtschaften und nicht zum Spekulationsobjekt werden. Warum braucht es das Ackersyndikat? Der erst frisch gegründete Solidarverbund ist aus dem Mietshäusersyndikat (MHS) und dem Netzwerk „Solidarische Landwirtschaft“ entstanden. Im November 2020 wurde der Verein Ackersyndikat e.V von zehn Mitgleidern beider Vereine gegründet. Der Hintergrund der zu diesem Projekt führte ist folgender: Kleine Landwirt:innen können sich durch die Spekulation mit Ackerland dieses kaum noch leisten. Unternehmer hingegen wollen ihr Vermögen mit dieser wertstabilen Anlage sichern und es durch teureren Verkauf vermehren. Im Zeitraum von 2005 bis 2019 haben sich die Kaufwerte landwirtschaftlicher Grundstücke in Deutschland fast verdreifacht, von 10 Tausend Euro pro Hektar 2005 auf circa 26 Tausend heute – im Westen Deutschlands teilweise sogar über 40 Tausend. Oft werden die aufgekauften Flächen für großindustrielle Landwirtschaft verwendet, als Platz für Windparks eingesetzt oder gar versiegelt. Somit werden kaufbare, fruchtbare Böden immer mehr zur Seltenheit. Wer eine umwelt- und sozialverträgliche Landwirtschaft betreiben will, für den ist es kaum möglich, erworbene Flächen zu refinanzieren. Hier kommt das Ackersyndikat ins Spiel. Sie wollen mithilfe ihrer solidarischen Struktur landwirtschaftliche Flächen dem Kapitalmarkt entziehen und sie dauerhaft als Gemeingut bewahren. Was genau ist das Ackersyndikat und wie funktioniert es? Beim Ackersyndikat wird gemeinsam ein Finanzierungsmodell geplant. (Foto: CC0 / Pixabay / StockSnap) Das Ackersyndikat ist ein dezentraler Solidarverbund von selbstorganisierten Höfen in ganz Deutschland. Es ist ein gelebtes Beispiel für Ernährungssouveränität. Das Ackersyndikat ist angelehnt an die bereits erfolgsbringende Herangehensweise des Mietshäusersyndikats und möchte das System auf Acker- und Waldland übertragen. Hier erklären wir dir kurz die Vorgehensweise, wenn ein Projekt gegründet und Teil der Solidargemeinschaft des Ackersyndikats wird: Als Gruppe mit deiner Projektidee lernst du das Ackersyndikat kennen. Dieses stellt eine:n Berater:in zur Verfügung, welche:r die Schnittstelle der Kommunikation zwischen Projekt und Ackersyndikat darstellt. Gemeinsam konkretisiert ihr die Pläne. Du und deine Gruppe erhaltet Finanzierungspläne und Unterstützung in Form von einem großen Erfahrungsschatz und dem Know-How aus der Solidargemeinschaft. Die Vernetzung mit anderen Hofprojekten ist hierbei äußerst hilfreich. Das Ackersyndikat erwirbt Anteile und wird einer der Gesellschafter am Projekt. Es hat somit Mitspracherecht, wenn es um den Verkauf geht. Der Verkauf wird durch das Ackersyndikat immer abgelehnt. Somit ist das Ackerland/der Hof gesichert und steht Menschen zur Verfügung, die es sinnvoll nutzen wollen. Ansonsten hat das Ackersyndikat kein Mitspracherecht auf dem Hof und lässt den Hofnutzer:innen ihre Selbstbestimmung. Höchstens würde es sich noch einmischen, wenn geplant wird, die Wirtschaftsweise von biologisch wieder auf konventionell umzustellen. Es bietet eine Begleitung des Hofprojektes, steht bei Fragen zur Seite und kann auch in Krisenzeiten unterstützend wirken. Vorteile: Du erhältst einen Zuschuss zum Startkapital aus dem Solidarverbund. Beratung, Vertragsvorlagen, ein erprobtes Konzept und die geballte Expertise der Solidargemeinschaft geben dir eine gute Startgrundlage. Die Struktur des Ackersyndikats gibt auch finanziell schwächeren Projektgründer eine Chance. Im Gegensatz zur Mitgliedschaft in Genossenschaften haben die Hofnutzer:innen viel Autonomie. Der Verkauf der Flächen ist langfristig ausgeschlossen und es wird darauf geachtet, dass nachhaltig gewirtschaftet wird. Nachteile: Das Ackersyndikat ist noch in der Entstehung, auch wenn es aus dem erfolgreichen MHS hervorgeht. Das könnte für manche Hofprojekte, die darüber nachdenken Teil dessen zu werden, Unsicherheit bedeuten. Besitz auf diese Art und Weise neu zu denken ist nicht etwas für jeden. Wenn du Privatbesitz vorziehst und dir die Möglichkeit behalten möchtest, erworbenes Land verkaufen oder direkt vererben zu können, dann ist das Ackersyndikat eher nichts für dich. Die Ziele des Ackersyndikats Das Ackersyndikat setzt sich für Umweltschutz und ökologische Landwirtschaft ein. (Foto: CC0 / Pixabay / KRiemer) Das Ackersyndikat hat sich hohe und dennoch notwendige Ziele auf die Fahne geschrieben, die für eine zukunftsweisende Transformation im Umgang mit unserem Grund und Boden stehen. Eine ökologische und sozial verantwortliche Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen soll jetzt und auch in Zukunft gewährleistet werden können. Das Ackersyndikat möchte Alternativen in ländliche Regionen bringen und dort für nachhaltige Wirtschaftsweisen sensibilisieren. Denn im urbanen Raum gibt es bisher mehr Projekte in diese Richtung als auf dem Land. Das Potential von alternativen Besitzstrukturen, wie das Gemeineigentum, soll aufgezeigt und entwickelt werden. Das Ackersyndikat möchte sich dem Höfesterben in Deutschland entgegenstellen. Hofübergaben sind ein komplizierter und oft nervenaufreibender Prozess. Auch hier möchte das Ackersyndikat unterstützen. Es werden „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“ im Verein verfolgt: zum Beispiel die Förderung von Bildung, des Umweltschutzes und Tierschutzes. Weiterhin zielt das Ackersyndikat ab auf die „Unterstützung basisdemokratischer und konsensorientierter (…) Entscheidungsfindung und Strukturen.“ Alle Zwecke des Vereins sind nachzulesen in der Satzung des Ackersyndikats. Das Ackersyndikat als Weiterentwicklung des Mietshäusersyndikats Das Ackersyndikat hilft beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen. (Foto: CC0 / Pixabay / StockSnap) Mit seinen bisher mehr als 160 selbstorganisierten Hausprojekten ist das MHS ein erfolgreiches Netzwerk, welches für bezahlbaren Wohnraum sorgt. Doch warum können Höfe und landwirtschaftliche Flächen nicht im Rahmen des MHS in Gemeingut übergehen? Es gibt verschiedene Gründe, warum die Neugründung des Ackersyndikats nötig war. Es gab viele Anfragen von SoLaWis (Solidarische Landwirtschaft), die beim MHS eingegangen sind. Sie konnten in diesem Rahmen nicht unterstützt werden, unter anderem wegen rechtlichen Hintergründen: Im Grundstücksverkehrsgesetz ist geregelt, dass der Kauf von Höfen durch Nichtlandwirt:innen unterbunden ist. Also kann nicht jeder Land kaufen, auch wenn er darauf eine nachhaltige Bewirtschaftung plant. Land- und forstwirtschaftliche Flächen werden in Deutschland rechtlich anders gehandhabt als Mietobjekte. Zum anderen gibt es auch finanzielle Gründe: Ein guter Geldfluss, den es bei den Projekten des MHS gibt, ist in der Landwirtschaft durch zu geringe Erträge sehr schwer zu erreichen. Gründe des Zeit- und Kraftaufwands: Das Ackersyndikat hat eine aktivere Rolle bei der Neuverpachtung der landwirtschaftlichen Flächen als bei einem Hausprojekt des MHS. Bei Höfen gibt es oft nur eine:n Pächter:in, im Gegensatz zur Vielzahl von Mieter:innen in einem Wohnprojekt. Die Rolle des Ackersyndikats wird daher über die Wächter- und Vernetzungsinstitution hinausgehen. Die Unterschiede und die Abspaltung des Ackersyndikats vom MHS ist mehr Mittel zum Zweck als alles andere. Das Ackersyndikat sieht sich als Schwesterorganisation vom MHS und ist ihm mit seinen Zielen sehr verbunden. Weitere Informationen und Beteiligung am Ackersyndikat Es braucht Unterstützung und die Zusammenarbeit von vielen Leuten, damit ein Projekt Wirklichkeit wird. (Foto: CC0 / Pixabay / Alexas_Fotos) Nach dem aktuellen Stand (November 2021) gibt es unter anderem folgende Entwicklungen beim Ackersyndikat: Erste Projekte haben sich gemeldet und werden beraten. Es wurden bereits Finanzierungspläne ausgearbeitet, mit denen sich die wirtschaftliche Machbarkeit von Projekten abklären lässt. Das Mietshäusersyndikat unterstützt das Ackersyndikat in seinen Anfängen mit einem Gesellschafter:innen-Anteil finanziell mit einer Beteiligungseinlage. Das Ackersyndikat befindet sich in der Aufbauphase und braucht noch allerhand Unterstützung. Das Projekt lebt davon, dass Menschen gemeinsam aktiv werden und etwas Gutes tun wollen. Du kannst dich als aktives Mitglied oder Fördermitglied einbringen. Im Rahmen des Ackersyndikats kannst du ehrenamtlich Projekte beraten, die rechtliche Struktur weiter ausarbeiten oder dich an Öffentlichkeitsarbeit beteiligen. Auch finanzielle Mittel sind unabdringbar um das Ackersyndikat zu erhalten und mehr Land als Gemeingut zu sichern. Das geht über die oben genannten Direktkredite oder einfache Spenden. Hast du ein Hof-Projekt oder planst in Zukunft eines, das in den Rahmen des Ackersyndikats passt? Dann melde dich bei ihnen um Teil der Solidargemeinschaft werden zu können. Es finden regelmäßige Kennenlerntreffen statt, bei denen man die Akteure des Vereins begegnen und seine Fragen mitbringen kann. Die genauen Termine und weitere Informationen findest du auf der Internetseite des Ackersyndikats. Weiterlesen auf Utopia.de: Land Grabbing verständlich erklärt: Wie Konzerne Land rauben Agrarökologie: Landwirtschaft der Zukunft? Besuch in einer Bio-Kommune: Anders arbeiten, anders leben ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 11 0 Vielen Dank für deine Stimme! Verwandte Themen: Gewusst wie Landwirtschaft HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: