Wenn die Strompreise steigen, fragen viele nach dem Warum. Dann werden gerne auch mal Ökostrom und Energiewende als Gründe angeführt. Aber ist das wirklich so?
Im Juli 2025 stiegen die Strompreise für Haushalte in Deutschland leicht an: Der durchschnittliche Preis für Neukunden lag im Juli bei rund 27,3 Cent pro Kilowattstunde und damit um etwa 0,3 Cent höher als im Vormonat Juni. Auch Bestandskunden zahlen mit durchschnittlich 35,2 Cent pro Kilowattstunde weiterhin deutlich mehr als vor der Energiekrise, obwohl im Jahresvergleich aber von einem leichten Rückgang profitieren (strom-report.com).
Steigende Strompreise sind auf regionale Unterschiede bei den Netzentgelten, gestiegene Umlagen und weiterhin volatile Großhandelspreise zurückzuführen. Doch geht es um steigende Strompreise, geraten immer wieder auch Ökostrom und Energiewende ins Visier der Kritik.
Doch in welchen Ausmaß tragen Erneuerbare Energien tatsächlich zu steigenden Strompreisen bei – und was sind die wahren Ursachen?
Strompreise steigen: Was nicht die Ursachen sind…
Viele Argumente zu steigenden Strompreisen sind erschreckend falsch:
Mythos 1: „Ökostrom macht Strom teuer.“
Nein.
Ökostrom kostet aktuell im Juli 2025 etwa gleich viel wie Standardstrom und ist meist sogar günstiger als beispielsweise Strom von beliebten Grundversorgern wie etwa den Stadtwerken. Beachte dazu auch unseren Ökostrom-Preisvergleich mit eindeutigem Strompreis-Sieger.
Ein Blick auf die Stromgestehungskosten (also die reinen Erzeugungskosten) entkräftet die Annahme, dass Ökostrom die steigenden Strompreise verursacht:
- PV-Freiflächenanlagen: 4,1-9,2 Cent/kWh (die günstigste Technik überhaupt)
- Onshore-Wind: 3,94-8,29 Cent/kWh
- Offshore-Wind: 7,23-12,13 Cent/kWh
Im Vergleich dazu: Kernkraft kann bis zu 49 Cent/kWh kosten (die völlig unabschätzbaren Folgekosten nicht einberechnet, die künftige Generationen zahlen werden), und neue konventionelle Kraftwerke kommen nicht unter 7,5 Cent/kWh. Klassische fossile Kohle- und Gaskraftwerke liegen aktuell durchschnittlich bei 21,8 bzw. 24 Cent/kWh, so das Fraunhofer ISE.
Wahr ist also: Steigende Strompreise haben nichts mit Ökostrom zu tun. Der wahre Preistreiber bei Strom sind seit Jahren die Preise für fossiles Gas.
Mythos 2: „Der Preis von Ökostrom ist teurer als der von normalem Strom.“
Nein.
Es gibt, wie bei konventionellem Strom auch, billige und teure Anbieter. Das hat zuweilen mehr mit Vermarktung zu tun als mit realen Stromproduktionskosten.
Überzeuge dich selbst auf stromvergleich.utopia.de, wo du für deine Postleitzahl zertifizierte Ökostromanbieter nach Preis sortiert angezeigt bekommst:
Mythos 3: „Die EEG-Umlage treibt die Strompreise in die Höhe!“
Nein.
Die Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)-Umlage wurde am 1. Juli 2022 zunächst auf 0 Cent pro Kilowattstunde gesenkt und hatte es damit schon schwierig, überhaupt etwas am Strompreis zu ändern. Zum 1. Januar 2023 wurde sie vollständig abgeschafft.
Die Abschaffung der EEG-Umlage sollte die Stromkund:innen eigentlich entlasten. Dass die Strompreise dennoch hoch blieben oder weiter stiegen, zeigt, dass nicht die EEG-Umlage, sondern andere, weitaus größere Faktoren die Treiber für steigende Energiepreise sind.
Wahr ist also: Die EEG-Umlage hat nichts mit steigenden Strompreisen zu tun.
Mythos 4: „Die CO2-Abgabe macht Ökostrom teuer!“
Nein. Die CO2-Bepreisung betrifft Ökostrom nicht oder nur marginal, da Ökostrom ja weitaus geringere CO2-Emissionen verursacht.
Wahr ist: Die CO2-Bepreisung verteuert klimaschädlichen Strom aus Kohle, Gas und Öl. Wäre die Energiewende konsequenter und schneller vorangetrieben worden, wären wir heute weniger abhängig von den Preisen fossiler Energieträger, die durch die CO2-Abgabe verteuert werden und so die fossilen Strompreise steigen lassen.
Wahr ist also: Mit mehr Ökostrom gäbe es weniger steigende Strompreise.
Mythos 5: „Deutschland ist wegen der Energiewende ein Sonderfall mit extrem hohen Strompreisen.“
Nein.
Das ein spezielles Märchen, das gerne so tut, als wäre Deutschland Ökoweltmeister und würde quasi im Alleingang die Energiewende der Welt schultern. Ist aber nicht so: Vergleicht man beispielsweise den Ausbau in China, Deutschland und den USA, liegt China mit 25% Zuwachs bei den EE vorn, gefolgt von Deutschland mit 12% und einer mit 9% kam schlechteren USA (2024). Fun Fact: Ausgerechnet Texas führt beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
Steuern, Abgaben und Netzentgelte machen in Deutschland rund 50% des Strompreises aus, übrigens auch der Ökostrompreise. Hier liegen die Hebel, um Strom billiger zu machen. Zuletzt trieben vor allem steigende Netzentgelte die Strompreise in einigen Regionen Deutschlands (bundesnetzagentur), sie machen fast ein Drittel des Strompreises aus.
Wahr ist: Hätte man früher in die Modernisierung der Stromnetze investiert, würden Strompreise weniger steigen.
Mythos 6: „Erneuerbare Energien sind nicht grundlastfähig und brauchen teure Backup-Kraftwerke.“
Jein.
Wind- und Sonnenenergie sind nicht grundlastfähig, Wasserkraft und Geothermie können es hingegen sehr wohl sein. Doch nur weil fossile Kraftwerke grundlastfähig sind, wurde die deutsche Strom-Infrastruktur in der Vergangenheit auf grundlastfähige Kraftwerke ausgelegt.
Die sogenannte „Grundlastfähigkeit“ ist in Wirklichkeit einfach nur ein Konzept von Gestern. Das Konzept von Morgen setzt auf Flexibilität:
- Intelligente Netze und Digitalisierung: Die Vernetzung und Steuerung erleichtern den Ausgleich von Schwankungen.
- Speichertechnologien: Batteriegroßspeicher, Pumpspeicherkraftwerke, Wasserstoffspeicher werden immer effizienter und günstiger und gleichen Dunkelflauten und Hellbrisen aus.
- Sektorenkopplung: Überschüssiger Ökostrom kann zur Wärmeerzeugung (Wärmepumpen) oder für Elektromobilität genutzt werden, was das System flexibler macht.
- Flexibilität der Verbraucher:innen: Stromverbrauch wird zunehmend an die Erzeugung angepasst (dynamische Tarife seit 2025 Standard).
Und selbst wenn die teuren, grundlastfähigen Kraftwerke noch eine Weile notwendig sind, so heißt das nicht, das alle Kraftwerke grundlastfähig sein müssen.
Wahr ist: Eine Studie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften kam 2024 zu dem Schluss, dass „eine sichere Energieversorgung auch ohne Grundlastkraftwerke möglich“ sei (Quelle).
Mythos 7: „Ich kann nichts gegen steigende Strompreise tun“
Doch, kannst du.
Du kannst zum Beispiel den Stromanbieter wechseln.
Etwa die Hälfte aller Deutschen hat noch nie den Stromanbieter:innen gewechselt und bezieht ihren Strom teuer vom sogenannten Grundversorger. Doch genau hier liegt riesiges Sparpotenzial, um deine Strompreise zu senken! Ein Wechsel von der Grundversorgung kann für Familien mit 5.000 kWh Verbrauch nach einigen Schätzungen mehr als 900 Euro pro Jahr sparen (Quelle).
Wahr ist also: Ein Wechsel zu einem Ökostromanbieter kann bares Geld sparen.
„Ökostrom“ klingt für dich noch ungewohnt? Dann hör doch einfach mal in unseren Utopia-Podcast zum Thema Ökostrom rein:
Strompreise steigen – hier die eigentlichen Ursachen
Die eigentlichen Ursachen für steigende Strompreise bei Grünstrom & Graustrom sind vielfältig und komplex, oft international und marktgetrieben. Sie zeigen vor allem die Risiken einer zu großen Abhängigkeit und die Notwendigkeit, die Stromproduktion zu modernisieren.
Explodierende Gaspreise und das Merit-Order-Prinzip im europäischen Strommarkt
Der mit Abstand größte Preistreiber sind die globalen und europäischen Gaspreise. Die europäischen Gaspreise sind 2025 im Vergleich zum Vorjahr um 50% gestiegen. Seit dem 1. Januar 2025 fließt zudem kein russisches Gas mehr über die Ukraine (was 5% der EU-Einfuhren betrifft), was die Preise am ersten Handelstag auf 51 Euro/MWh klettern ließ – den höchsten Stand seit Oktober 2023.
„Preistreiber der aktuellen Entwicklung sind die fossilen Brennstoffe“, begründete Tim Loppe von Naturstrom die extrem steigenden Strompreise im Jahr 2021. „Besonders die Großhandelspreise für Erdgas sind in die Höhe geschossen. Da Gas nicht nur zum Heizen, sondern auch zur Stromerzeugung in Gaskraftwerken genutzt wird, treibt der Anstieg des Gaspreises auch die Börsenstrompreise.“ (und damit auch die Ökostrompreise).
Das Problem ist bis heute geblieben: Im europäischen Strommarkt wird der Preis nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip bestimmt. Das bedeutet: Das jeweils teuerste Kraftwerk, das zur Deckung der aktuellen Nachfrage benötigt wird – oft ein Gaskraftwerk – bestimmt den Börsenstrompreis für alle Stromarten, auch für den viel günstiger erzeugten Wind- oder Solarstrom. Steigen die Gaspreise, steigen automatisch die Großhandelspreise für Strom.
Dies ist oft der Hauptgrund, warum Strompreise steigen.
Internationale geopolitische Verflechtungen und Angebotsknappheit
Die Abhängigkeit von Gasimporten, insbesondere aus unsicheren Regionen wie Russland, machte Europa extrem anfällig für politische Spannungen und Spekulationen. Lieferkürzungen oder die Angst davor ließen die Gaspreise und damit die Energiepreise explodieren.
Das alles unterstreicht die Notwendigkeit einer nationalen und europäischen Energieautonomie durch erneuerbare Energien, um zukünftige steigende Strompreise durch geopolitische Konflikte zu vermeiden.
Verschleppte Energiewende und Infrastrukturdefizite
Der Ausstieg aus Atom- und Kohlekraftwerken ist eine Notwendigkeit. Doch die Politik hat den Umbau der Energiewirtschaft auf nachhaltige Energieerzeugung und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu lange verzögert und behindert. Zudem hinkt der Netzausbau dem Bedarf hinterher, was den Transport von Strom erschwert und verteuert.
Diese Versäumnisse haben Deutschland die Möglichkeit genommen, die aktuellen Entwicklungen rechtzeitig abzufedern und resilienter zu sein. Hätten wir früher und konsequenter auf Ökostrom gesetzt, wären wir heute wesentlich widerstandsfähiger gegenüber externen Schocks und hätten stabilere Strompreise.
Höhere Kosten für CO2-Zertifikate
Der Preis für CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandel ist gestiegen. Dies verteuert die Produktion von Strom aus Kohle und Gas und soll Anreize für den Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen schaffen. Während dies eine gewünschte Lenkungswirkung hat, trägt es kurzfristig zu höheren Kosten für konventionellen Strom bei und somit zu insgesamt steigenden Strompreisen.
Klima-Effekte und extreme Wetterereignisse
Während einige die Klimakrise noch immer leugnen, hat diese längst Auswirkungen auf Lieferketten, Produktionsstandorte und damit unternehmerische Sicherheit. Klimarisiken beeinflussen auch die Energieerzeugung: Verstärkte Dürreperioden führen beispielsweise zu weniger Strom aus Wasserkraftwerken oder beeinträchtigen die Kühlung von konventionellen Kraftwerken, was deren Leistung reduziert. Niedrige Wasserstände erschweren auch den Transport von Kohle auf Flüssen. Extreme Wetterereignisse können auch die Netzinfrastruktur belasten und die Versorgungssicherheit beeinflussen, was wiederum zu höheren Strompreisen führen kann.
Netzentgelte
Die Netzentgelte, die Kosten für den Transport und die Verteilung des Stroms, sind ein relevanter Bestandteil des Strompreises. Während sie 2025 bundesweit durchschnittlich sanken, siegen sie regional in einigen Gegenden auch an (z.B. Berlin, Hamburg). Die Übertragungsnetzbetreiber:innen haben ihre Netzentgelte zudem erhöht. Diese Kosten sind notwendig für die Modernisierung der Stromnetze und tragen regional unterschiedlich ebenfalls zu steigenden Strompreisen bei.
Allgemeine Inflation und steigende Betriebskosten
Die hohe Inflationsrate in vielen Wirtschaftsbereichen beeinflusst auch die Energiebranche. Höhere Kosten für Personal, Wartung, Material und Investitionen wirken sich auf die Betriebskosten aller Kraftwerke aus – und damit auch auf die Strompreise.
Mehr Ökostrom reduziert Strompreise
Die Situation am Energiemarkt bleibt dynamisch, kurzfristig können Strompreise weiterhin mal steigen, mal sinken. Langfristig muss Deutschland aber maximal unabhängig von fossilen Brennstoffen werden. Sie sind es, wegen der die Energiepreise steigen, zudem schaden dem Klima und machen uns von einigen wenigen Lieferstaaten abhängig.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist die nachhaltige Lösung. Neue Solar- und Windparks produzieren Strom längst günstiger als neue Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke. Sie machen uns nicht nur klimafreundlicher, sondern vor allem auch widerstandsfähiger und unabhängiger gegenüber globalen Energiepreis-Schwankungen und geopolitischen Krisen. Dies ist der beste Weg, um Strompreise zu stabilisieren und langfristig zu senken.
Ein wichtiger Schritt, um die Energiewende voranzutreiben, sich von fossilen Brennstoffen zu lösen und langfristig zur Stabilisierung der Strompreise beizutragen und das Klima zu schützen, ist auch dein Wechsel zu Ökostrom.
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