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Gemeinwohl-Ökonomie: weltfremd oder zukunftsweisend?

Gemeinwohl-Ökonomie
Foto: Damien Kuhn - unsplash, Public Domain

Die Gemeinwohl-Ökonomie bietet eine verlockende Alternative zur kapitalistischen Marktwirtschaft: Geld und Märkte sollen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Es geht nicht mehr um Wirtschaftswachstum, sondern um die stetige Erhöhung des Gemeinwohls.

Die globale Wirtschaft ist auf grenzenloses Wachstum ausgerichtet. Unternehmen sind gezwungen, immer größere Gewinne zu erzielen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dafür müssen sie möglichst billig produzieren, meist auf Kosten der Umwelt und der Lebensqualität. Geldgier und Profit stehen im Mittelpunkt des derzeitigen ökonomischen Systems, und dabei bleiben mehr und mehr Menschen auf der Strecke.

Kein Wunder, dass die allgemeine Unzufriedenheit wächst – ebenso wie der Wille zur Veränderung. So wünschen sich 88 Prozent aller Deutschen und 90 Prozent aller Österreicher laut einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung eine „neue Wirtschaftsordnung“.

Gemeinwohl-Ökonomie: zum Wohle der Allgemeinheit

Der österreichische Philologe Christian Felber hat dazu einen umfassenden Lösungsansatz gefunden und 2010 die Reformbewegung „Gemeinwohl-Ökonomie“ (GWÖ) ins Leben gerufen. Ziel seines „entwicklungsoffenen“ Veränderungsprozesses ist es, das Wohlergehen des Menschen wieder mehr in den Mittelpunkt ökonomischen Handelns zu rücken.

Als Grundlage dienen Werte, die auch in zwischenmenschlichen Beziehungen von Vorteil sind, wie Ehrlichkeit, Kooperation, Solidarität, Wertschätzung und Vertrauen. Unternehmen sollen einander in Zukunft unterstützen, statt zu konkurrieren. Ziel jedes ökonomischen Handelns ist nicht mehr die Gewinnmaximierung, sondern die Steigerung des Allgemeinwohls.

Aber wie bringt man Konzerne dazu, ihre wirtschaftliche Ausrichtung komplett auf den Kopf zu stellen?

Gemeinwohl-Ökonomie - Christian Felber
Christian Felber: „Wirtschaft demokratisch verändern — Eine andere Ökonomie ist möglich!“ (Foto: © José Luis Roca)

Felber will den Unternehmen Anreize bieten, ethisch und nachhaltig zu handeln, indem er sie etwa mit Steuervorteilen und günstigen Krediten belohnt. Erfolg wird in einer Gemeinswohl-Ökonomie nicht länger am finanziellen Gewinn gemessen, sondern an den Zielen (Bedürfnisbefriedigung, Verbesserung der Lebensqualität, allgemeines Wohl etc.), die sich ein Unternehmen steckt.

In basisdemokratischen Prozessen soll definiert werden, was das Gemeinwohl fördert und wie es gemessen sowie unterstützt werden kann. Ein Punktesystem – die sogenannte Gemeinwohl-Bilanz – zeigt dann an, wie erfolgreich ein Betrieb diesen Anliegen nachkommt. Auf diese Art lassen sich unterschiedlichste Unternehmen und Produkte transparent machen und miteinander vergleichen.

Kooperation und Solidarität statt Konkurrenz und Profit

Gemeinwohl-Ökonomie - Logo
Logo (© Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie)

Natürlich löst ein Modell wie das der Gemeinwohl-Ökonomie Kontroversen aus. Kritiker bezeichnen Felber – in Anlehnung an seinen Nebenberuf als zeitgenössischer Tänzer – nicht nur als „Traumtänzer“, sondern auch als „Anarchomarxisten“, „neokommunistischen Pseudoökonomen“ oder ganz einfach „weltfremd“. In der österreichischen Tageszeitung Die Presse hieß es: „Angesichts der Fülle an demokratischen Institutionen, die Felber zur Bändigung des Kapitalismus erfindet, wird einem angst und bange.“

Wirtschaftsexperten warnen vor den tiefgreifenden Veränderungen, die mit einer Etablierung der Gemeinwohl-Ökonomie einhergehen würden. Sie befürchten enorme Kosten durch bürokratischen Aufwand, die Abwanderung von Unternehmen, der Verlust von Wohlstand und vor allem – so Mag. Karin Steigenberger von der Österreichischen Wirtschaftskammer – „erhebliche Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheiten von Individuen bzw. Unternehmen, bis hin zu Enteignungen.“

Gemeinwohl-Ökonomie, die Alternative zur Marktwirtschaft

Christian Felber betont im Gegenzug immer wieder, dass die Gemeinwohl-Ökonomie bisher nur ein Konzept sei, das von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam weitergedacht werden soll. Das stimmt viele optimistisch: Bislang haben sich 2.000 Unternehmen – darunter auch namhafte wie Sonnentor, Grüne Erde, Soulbottles, der Ökostromanbieter Polarstern, die taz, Bioland, die Sparda Bank München und Vaude –, 200 Vereine, 20 Gemeinden und mehr als 7.000 Privatpersonen der Bewegung angeschlossen.

„Die rasche Verbreitung der Idee zeigt die Sehnsucht der Bevölkerung nach einem neuen, ethischen Wirtschaftssystem, das uns Menschen und dem Gemeinwohl dient“, sagt Kuno Haas, Geschäftsführer von Grüne Erde. „Das öffnet den Blick für die Zukunft und zeigt, wohin die Reise gehen soll.“

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