Als Great Resignation wird eine Welle freiwilliger Kündigungen bezeichnet, die seit 2021 den Arbeitsmarkt der USA trifft. Aber auch in Deutschland steigt die Kündigungsbereitschaft. Ist das die Chance für eine bessere Arbeitswelt?
Für viele Menschen hielt die Corona-Pandemie berufliche Strapazen, Kurzarbeit oder sogar Jobverlust bereit. Sie gerieten dadurch in plötzliche Geldnot, sorgten sich wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz um ihre Gesundheit und litten unter Überarbeitung. Diese Erfahrungen ließen viele Berufstätige ihren Job hinterfragen – und daraufhin stiegen Kündigungsbereitschaft und der Wille zum Jobwechsel.
So erfasst die USA vor dem Hintergrund der Corona-Krise schon seit Anfang 2021 eine Welle an freiwilligen Kündigungen: die sogenannte „Great Resignation“ (deutsch: das „Große Kündigen“). Fast 57 Millionen Berufstätige gaben zwischen Januar 2021 und Februar 2022 ihren Job auf. Die Kündigungsrate stieg mitunter auf über drei Prozent – das ist der höchste Wert seit Beginn der Messung im Jahr 2011.
Inzwischen soll die Great Resignation auch Deutschland erreicht haben. Die Wirtschaftswoche berichtet, dass laut dem Gallup Engagement Index die Bereitschaft zum Jobwechsel unter deutschen Beschäftigten noch nie so hoch gewesen sei wie derzeit. Demnach plane jede:r vierte Beschäftigte, in einem Jahr nicht mehr bei ihrem oder seinem derzeitigen Arbeitgeber zu sein.
In der Great Resignation steckt dabei das Potential, mehr als ein vorübergehender Trend während einer Krise zu sein. Arbeitgeber:innen können aus den Gründen für die Kündigungsbereitschaft ihrer Arbeitnehmer:innen lernen, wie sie ihre Arbeitsbedingungen verbessern können.
Was ist die Great Resignation?
Bereits Anfang Mai 2021 war erstmalig die Rede von der Great Resignation. Der Begriff geht zurück auf den Arbeitspsychologen Anthony Klotz, der damit eine Entwicklung des amerikanischen Arbeitsmarkts für das zweite Pandemiejahr prognostizierte. Im ersten Jahr hätten sich die Kündigungen aufgestaut. Grund sei, dass Menschen sich in ungewissen Zeiten – wie während des Höhepunkts der Pandemie – eher für Stabilität entscheiden und daher an ihrem Arbeitsplatz bleiben.
Doch als das Gröbste überstanden war, begannen viele Berufstätige, zu hinterfragen, wo, wie und was sie arbeiten. Die Pandemie förderte einerseits Probleme am Arbeitsplatz, wie mangelnde Wertschätzung und Unterstützung durch Arbeitgebende, zutage. Andererseits gestaltete sie den Arbeitsalltag für viele positiv um, zum Beispiel durch flexiblere Arbeitszeiten und Möglichkeiten zum Home Office. Die Distanz zum gewohnten Arbeitsumfeld brachte für viele auch die Erkenntnis, dass sie ihren Lebenssinn woanders als im Job suchen möchten, zum Beispiel in einem erfüllenden Hobby.
Arbeitnehmer:innen erkannten also, was ihnen im Job (und im Privatleben) wichtig ist und wie sie arbeiten möchten. Für Klotz geht es daher bei der Great Resignation „nicht nur darum, einen neuen Job zu finden oder aus dem Berufsleben auszuscheiden, es geht darum, die Kontrolle über sein Arbeits- und Privatleben zu übernehmen“.
Seit Anfang 2021 hat dies eine Rekordzahl von Menschen getan und daher gekündigt. Und die Great Resignation soll sich auch in 2022 fortsetzen: Laut einer der größten Umfragen unter Arbeitnehmer:innen weltweit plant jede:r fünfte von ihnen, ihren oder seinen Arbeitsplatz im Jahr 2022 zu kündigen. In Deutschland ist die Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer:innen inzwischen sogar höher als in den Vereinigten Staaten, wie der Gallup Engagement Index zeigt. Demnach sind 14 Prozent der Deutschen aktiv auf der Suche nach einem neuen Job, in den USA sind es hingegen nur zehn Prozent.
Ist es wirklich eine Great Resignation?
Expert:innen sind sich einig, dass die Pandemie zu massiven Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt geführt hat. Doch manche schlagen eine andere Bezeichnung als Great Resignation dafür vor, denn diese sei zu kurz gegriffen.
So weist Chris Adcock, Geschäftsführer einer Personalvermittlung, daraufhin, dass sich die derzeitige Situation eben nicht nur durch massenhaftes Kündigen auszeichne. Man könne erkennen, dass Menschen, die gekündigt haben, sich nun nach anderen Möglichkeiten umschauen, aber noch nichts Konkretes unternehmen. Das Interesse von Arbeitgeber:innen an neuem Personal sei zurzeit noch höher als das Interesse der Menschen an neuen Arbeitsstellen. Das zeigt sich an den vielen unbesetzten Stellen. Adcock nennt diese Situation ein „Great Flirt„: man liebäugelt mit verschiedenen Optionen, will sich aber noch nicht festlegen.
Andere Expert:innen verweisen darauf, dass die Great Resignation gar nicht so einmalig ist, wie viele annehmen. Der Wirtschaftswissenschaftler Bart Hobijn konnte alleine für das 20. Jahrhundert sechs Episoden ausmachen, in denen Arbeitnehmer:innen ihren Arbeitsplatz in ähnlichem Umfang verließen – und zwar alle während eines Beschäftigungsbooms wie dem, den wir derzeit erleben.
Hobijn sieht statt einer Great Resignation eher eine „Great Renegotiation“ (deutsch: „Große Neuverhandlung“), die sich aus dem gleichzeitigen Auftreten vieler Kündigungen und vieler Stellenangebote ergibt. Als die Pandemie begann, so erklärt Hobijn, kam es zu einer vorübergehenden Entlassungswelle. Danach begannen die Arbeitgebenden viele freie Stellen auszuschreiben, um die Belegschaft aufzustocken und so die wieder gestiegene Nachfragen nach ihren Waren und Dienstleistungen befriedigen zu können.
Solche freien Stellen ziehen aber nicht nur Personen an, die bereits gekündigt haben, sondern auch berufstätige Personen. Diese Berufstätigen, die woanders ein besseres Angebot vorfinden, kündigen entweder ihre derzeitige Stelle oder verhandeln mit ihren derzeitigen Arbeitgebenden über bessere Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsbedingungen.
Maßnahmen gegen die Great Resignation
Die Great Resignation hat die Kräfteverhältnisse in der Arbeitswelt verändert. Viele offene Stellen und viele Arbeitnehmer:innen, die offen für berufliche Veränderungen sind, bedeuten, dass es die Unternehmen sind, die sich nun bemühen müssen – und zwar um ein attraktives Arbeitsumfeld, mit dem sie Jobsuchende von sich überzeugen und ihre Belegschaft zum Bleiben bewegen können.
Es lohnt sich, bei der Unternehmensumgestaltung vor allem die Generation der Millennials in Betracht zu ziehen. Denn Millennials sind besonders jobwechselwillig, wie laut der Deutschen Unternehmer-Plattform für Digitalisierung und Nachhaltigkeit eine Umfrage zeigt. Knapp 60 Prozent von ihnen beschäftigen sich mit dem Gedanken, innerhalb des nächsten Jahres die Arbeit zu wechseln. Diese Gruppe nennt als Hauptgründe für ihre Kündigungsbereitschaft:
- fehlende Wertschätzung und Anerkennung der Leistung durch Arbeitgeber:in
- fehlende Möglichkeiten zur Karriereentwicklung
- ein stressiges Arbeitsumfeld
Mehr zu den Arbeitseinstellungen von Generation Y and Z kannst du im unserem Beitrag Generation Z: Lieber ohne Arbeit als unglücklich im Job nachlesen.
Unternehmen sind also gefragt, an der Beseitigung dieser Gründe zu arbeiten, um ihre Angestellten zu halten. Konkret könnten laut der Website Personal-Wissen.de folgende drei Maßnahmen helfen, um die sogenannte „Mitarbeiter:innenbindung“ zu erhöhen.
- Stärkung des „Wir“-Gefühls: Arbeitgeber:innen sollten sich darum bemühen, dass sich das Personal zum Unternehmen zugehörig fühlt und in Abläufe mit einbezogen wird (Stichwort: Holokratie). Dazu kann das Unternehmen die Mitarbeitenden regelmäßig zu ihren Meinungen und Bedürfnissen befragen, Teambuilding ermöglichen und die Arbeitnehmer:innen an Erfolgen teilhaben lassen.
- Vermittlung von Wertschätzung: Viele Arbeitnehmer:innen haben während der Pandemie gekündigt, weil sie zu wenig Unterstützung und Wertschätzung am Arbeitsplatz erfahren haben. Unternehmen sollten also ein wertschätzendes Arbeitsumfeld schaffen. Das gelingt, indem sie persönliche Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, flexibles und mobiles Arbeiten ermöglichen und geeignete Arbeitsräume mit guter Ausstattung bereitstellen.
- Wertschätzender Führungsstil: Vorgesetzte tragen maßgeblich zu einem positiven Arbeitsklima bei – wenn sie wissen, wie man allen Mitarbeitenden deutlich macht, dass sie vollwertige Teammitglieder sind. Solches Wissen lässt sich beispielsweise in Coachings vermitteln.
Neben einer wertschätzenden Unternehmenskultur ist laut einer Befragung aber auch ein faires Gehalt ein wichtiger Faktor am Arbeitsplatz. Daher kann eine für alle Teammitglieder nachvollziehbare Gehaltsstruktur die Mitarbeiter:innenbindung erhöhen. Da man in der derzeitigen Situation als Arbeitnehmer:in in einer unüblich starken Machtposition ist, sind die Aussichten auf eine Gehaltserhöhung zudem vielversprechend, wenn man über den Lohn verhandeln möchte.
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