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Miesmuscheln essen? Warum du genau hinschauen solltest

Miesmuscheln: Wann kann man sie verzehren?
Fotos: CC0 Public Domain / Unsplash - Shapelined, ut/lr

Spaghetti mit Muscheln oder frische „Cozze“ – diese beliebten Gerichte stehen etwa im Sommerurlaub am Mittelmeer auf vielen Speisekarten. Doch kann man bei Miesmuscheln beruhigt zugreifen oder sollte man besser auf die Delikatesse verzichten? Utopia hat bei einem Experten für Meeresschutz nachgefragt.

„Moules Frites“ in Frankreich oder Muscheln „buzara“ in Kroatien und Italien: Miesmuscheln werden im Mittelmeerraum und anderen Küstengebieten als Delikatesse angeboten. Doch werden Muscheln überfischt oder kann ich sie aus ökologischer Sicht genießen? Utopia hat nachgeforscht.

Nicht vegan: Muscheln sind Weichtiere

Muscheln werden zwar als „Meeresfrüchte“ bezeichnet, doch es handelt sich dabei keineswegs um Obst oder Pflanzen. Miesmuscheln, auch Pfahlmuscheln oder Blaumuscheln genannt, zählen wie Tintenfische zu den Weichtieren. Sie übernehmen eine wichtige ökologische Funktion in den Meeren: Muscheln filtern Schadstoffe aus dem Wasser. Veganer:innen und Vegetarier:innen verzichten auf den Verzehr von Miesmuscheln.

Menschen, die hin und wieder Fisch und Meerestiere essen, schätzen den salzigen Geschmack und die Nährstoffe von Muscheln. Laut Hamburger Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ) enthalten 100 Gramm Miesmuscheln über 80 Prozent Wasser und knapp zehn Gramm Eiweiß. Auch die Mineralstoffe Natrium und Kalium stecken in den Muscheln, ebenso Phosphor und Eisen. Muscheln liefern wie Fisch wertvolle Omega-3-Fettsäuren.

Wasserfilter Miesmuschel: Wo leben Muscheln?

Miesmuscheln – genauer die gemeine Miesmuschel (Mytilus edulis) – sind laut WWF weit verbreitet an den Küsten des Nordatlantiks, ebenso in der Nordsee und dort besonders im Wattenmeer. Doch Miesmuscheln werden auch in Aquakulturen fast überall im Mittelmeer gezüchtet, etwa in Italien, Frankreich und Spanien. Diese Miesmuscheln bezeichnet man als die Mittelmeer Miesmuschel (Mytilus galloprovincialis).

Sollte man noch Muscheln essen?

Der Fischratgeber der Verbraucherzentralen rät vom Konsum von wildgefangenen Miesmuscheln ab, von den gezüchteten Miesmuscheln aus Aquakultur nicht. Laut WWF Fischratgeber kannst du Miesmuscheln aus weltweiten Fanggebieten essen, unter der Voraussetzung, dass es sich um eine Aquakultur mit Leinenkultur handelt oder mit dem Naturschutz vereinbarte Regeln bestehen.

Wir haben bei Dr. Philipp Kanstinger nachgefragt, was das im Detail bedeutet und worauf man als Konsument:in genau achten sollte. Er ist Referent für die Seafood-Zertifizierung bei WWF Deutschland.

Darf man im Mittelmeerurlaub Miesmuscheln essen?

Wer im Urlaub in Frankreich oder Italien Miesmuscheln aus regionaler Fischerei auf der Speisekarte sieht, darf nach Einschätzung des WWF-Experten zugreifen. Im Mittelmeer werden Miesmuscheln an Pfahlkulturen oder Langleinenkulturen gezüchtet. Dabei hängen die Tiere an Netzen oder Seilen im Wasser. Diese Fangmethoden haben kaum schädliche Auswirkungen auf den Meeresboden.

Dabei ist es aus ökologischer Sicht wichtig, zwischen angelegten Aquakulturen und wild gefangenen Muscheln zu unterscheiden: Sobald die Jungmuscheln für die gezüchteten Muschelkulturen wild geerntet werden, gilt die WWF-Empfehlung nur noch bedingt. Für die Ernte dieser wilden Jungmuscheln gebe es nach Auskunft von Philipp Kanstinger bisher keine festgelegten Regeln wie etwa Fangquoten oder ausgewiesene Gebiete. Für Verbraucher:innen ist es leider unmöglich, nachzuvollziehen, woher die Jungmuscheln stammen. Dies bleibt für den Experten ein Manko bei der ansonsten nachhaltigen Muschelzucht im Mittelmeer.

Sind Muscheln aus Deutschland empfehlenswert?

Im Gegensatz zum Mittelmeer werden die Muscheln in der Nordsee hauptsächlich in Bodenkulturen gezüchtet und mit sogenannten Dredgen, eine Art Grundschleppnetz, bearbeitet. Dabei werden laut WWF Metallkörbe oder Netzsäcke über den Meeresboden gezogen. Die Folge: Der Boden wird umgepflügt und beschädigt. Auch Fische landen als Beifang in den Dredgen.

Die in den deutschen Gewässern seltener vorkommenden Langleinen sind umweltfreundlicher. In Schutzgebieten wie dem Wattenmeer können aber auch sie zu Problemen führen. Für Muschelfans bedeutet das konkret: Der WWF empfiehlt bei deutschen Muscheln nur MSC-zertifizierte Miesmuscheln aus Schleswig-Holstein. Die Miesmuscheln aus dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer werden aus Sicht der Umweltschutzorganisation trotz MSC-Siegel nicht nachhaltig gefischt.

Muscheln nur in Monaten mit „R“ essen?

Eine Regel hält sich beim Verzehr von Muscheln hartnäckig: Muscheln sollte man nur in Monaten mit einem „R“ im Namen kaufen und essen. Woher kommt das, haben Miesmuscheln nur von September bis April Saison?

Grundsätzlich kannst du das gesamte Jahr über Muscheln essen. Doch Miesmuscheln ernähren sich von Algen. In den Sommermonaten kommt es zur Algenblüte und damit zu Giftstoffen in den Muscheln, denn einige Algenarten bilden dann giftige Substanzen. Nach einigen Wochen scheiden die Muscheln die Giftstoffe aber wieder aus. Laut Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) können sie dann ab Herbst bedenkenlos verzehrt werden. Ein weiterer Grund, der gegen den Verzehr von Muscheln im Sommer spricht: Die Qualität der Muscheln ist zu dieser Zeit schlechter als in den kalten Monaten, da die Muscheln laichen.

Dr. Kanstinger vom WWF schließt sich dieser Einschränkung nicht an. Da die Muscheln auf Algentoxine getestet werden, könne man sie auch im Sommer, zum Beispiel im August, essen.

Fazit: Muscheln nur ab und zu genießen

Miesmuscheln beugen der Überdüngung der Meere vor: Sie filtern Algen aus dem Wasser und nutzen sie zum Wachstum. Ernten die Fischer:innen die Muscheln ab, holen sie wiederum diese überschüssige Biomasse aus dem Wasser.

Für Menschen, die auf tierische Produkte verzichten, kommt der Verzehr von Muscheln nicht infrage. Wer Meerestiere grundsätzlich gerne verspeist, darf in Maßen – etwa im Urlaub am Mittelmeer – zu Muscheln greifen. Dr. Kanstinger vom WWF bekräftigt: „Wenn man es richtig macht, hat die Muschelzucht einen positiven ökologischen Effekt. Da Muscheln nicht gefüttert werden müssen, sind sie empfehlenswerter als Aquakulturarten für beispielsweise Zuchtlachs oder Garnelen.“

An deutschen Küsten können frische Austern eine gute Alternative zu Miesmuscheln sein. Die Austernzucht hat laut WWF nur geringe Auswirkungen auf das maritime Ökosystem.

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