Hinter Smartphone, Notebook, Tablet, Fernseher und andere Elektronik stehen auch Kriege, Kinderarbeit, Umweltzerstörung – nachhaltig ist das nicht. Eine aktuelle Greenpeace-Studie beschreibt Probleme, benennt Vorreiter und schwarze Schafe unter den Herstellern.
In der Studie Green Gadgets: Designing the Future hat sich Greenpeace mit den sozialen und ökologischen Folgen des Elektronikbooms auseinandergesetzt. Es zeigt sich, dass die Materialien moderner Elektrogeräte oft gewaltige Wegstrecken zurücklegen und daher nicht nachhaltig sind: Von afrikanischen Minen über chinesische Fabriken bis zu europäischen Wohnzimmern und der Zerlegung der Geräte in Afrika oder Asien.
Die Grundlage aller elektronischen Geräte bilden die Rohstoffe. Für die Herstellung werden unter anderem Zinn, Tantal, Wolfram und auch Gold benötigt. Die stammen oft aus Ländern mit schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Umweltstandards. Im Kongo wurde mit dem Verkauf solcher Erze über viele Jahre ein Bürgerkrieg finanziert. Der Abbau geht außerdem mit schwerwiegenden Umweltfolgen und teilweise auch mit Kinderarbeit einher, wie das Beispiel Indonesien zeigt. Nachhaltig? Null.
Viele Hersteller wie HP, Apple oder Philips setzen daher heute auf Rohstoffe aus konfliktfreien Regionen. So entziehen sie immerhin den Kriegsparteien Geld für Waffen und Munition. Andere Unternehmen wie etwa Sharp haben laut Studie in diesem Bereich bislang aber kaum wirksame Maßnahmen unternommen. Immerhin gibt es beim Zinnbergbau in Indonesien erste Fortschritte. Hier sorgen zum Beispiel Dell und Toshiba heute für mehr Transparenz. Zu einer Verbesserung der Situation hat das bislang aber wenig beigetragen. Nachhaltig ist man dort weiterhin nicht.
Effizientere Geräte, abere schmutzige Produktion
Bei der Energieeffizienz von Elektronik gab es in den vergangenen Jahren spürbare Fortschritte. Besonders Fernseher verbrauchen heute immer weniger Strom (siehe auch: energieeffiziente LED-Fernseher). Auch der Ersatz von PCs durch sparsamere Laptops oder Tablets hat dazu beigetragen, die pro Gerät verursachten Abgase zu reduzieren. Ihre Nachhaltigkeit verbessert sich – scheinbar. Denn zugleich werden immer mehr von ihnen verkauft. Nachhaltig ist hier nur die Klimabelastung durch die Elektronikindustrie.
Für die gesamte Klimabilanz der Elektronik ist aber vor allem ihre Produktion entscheidend. Beispielsweise entstehen bei Handys drei Fünftel der CO2-Emissionen während der Herstellung. Verantwortlich dafür sind besonders die Zulieferbetriebe aus China, die Strom überwiegend aus Kohlekraftwerken beziehen. Auf diese Weise trägt auch in Europa verkaufte Elektronik massiv zur Luftverschmutzung am anderen Ende der Welt bei, selbst wenn wir sie hier schön nachhaltig mit Ökostrom betreiben.
Immerhin: Lenovo und Huawei haben mittlerweile immerhin begonnen, vor Ort in Solarenergie zu investieren. Apple setzt schon länger umfassend auf erneuerbare Energien.
Giftiger Schrott, nichts ist da nachhaltig
Ein weiteres Problem des Elektronikbooms liegt in der rasant wachsenden Müllproduktion. 2012 wurden weltweit bereits rund 50 Millionen Tonnen Elektronikschrott produziert. Fünf Jahre später dürfte die Menge auf über 65 Millionen Tonnen wachsen, so die Studie. Trotz Fortschritten bei Rücknahme und Recycling landen viele Altgeräte noch immer wenig nachhaltig in den Hinterhöfen Afrikas oder Asiens. Dort werden sie mit primitiven Mitteln ausgeschlachtet, teilweise von Kindern (siehe Kinder auf der Müllhalde). Brom oder die Weichmacher im PVC schädigen dabei sowohl die Gesundheit der Arbeiter als auch die Umwelt.
Apple und Nokia haben diese Stoffe mittlerweile konsequent aus der Produktion ihrer Geräte verbannt. Auch bei der Rücknahme von Altgeräten sind die beiden Firmen führend. In der Fernsehsparte spielt Phillips eine Vorreiterrolle, dank des ersten komplett Brom- und PVC-freien Fernsehers (Econova LED-TV). Panasonic kommt bei Greenpeace durchweg nicht gut weg, Sony schneidet nur bei den Handys gut ab. In den Computern und Fernsehern des Konzerns stecken die Gefahrenstoffe aber weiterhin.
Das Dilemma des strategischen Konsumenten
Von einer solchen Studie erhofft man sich natürlich Antworten auf die Frage: Was kann ich überhaupt nachhaltig kaufen? Schließlich nutzen auch viele User von Utopia.de zum Lesen Smartphone oder Tablet. Es ist also keineswegs so, dass der Elektronikbesitz ein totales Tabu ist. Vielmehr blenden wir das Problem beim Kauf wohl einfach aus – weil wir gar nicht anders können, solange keine wirklichen Alternativen existieren. Ausgehend von der Studie kann man immerhin das Folgende sagen.
Weniger Polyvinylchlorid (PVC)
Der von Apple, Samsung und Nokia beherrschte Handy-Markt ist mittlerweile zu mehr als 50% frei von Polyvinylchlorid (PVC) und bromierten Flammschutzmitteln, den gefährlichsten Chemikalien.
Doch die Marktanteile ändern sich, extrem günstige Geräte von Herstellern wie Huawei, Xiaomi und Micromax drängen auf den Markt. Bei vielen Billig-Mobiltelefonen muss man davon ausgehen, dass ihre Hersteller nicht genug um die Reduktion gefährlicher Substanzen bemüht sind.
Apple wird besser, Amazon/Microsoft nicht
Apple hat im Hinblick auf umweltfreundliche Produktion viele Konkurrenten abgehängt und bemüht sich um die giftfreie Produktion sowie eine Verringerung des Energieverbrauchs. Selbst die Kabel sind inzwischen giftfrei, die Recyclingrate erreicht in einigen Sparten 85 Prozent. Ausgehend davon kann man von Apple-Produkten am wenigsten abraten. Grün und nachhaltig ist Apple deswegen noch lange nicht, man denke nur an die fest verbauten Akkus.
Unternehmen wie Amazon und Microsoft drängen verstärkt auf den Markt und haben frühere Bemühungen zum Teil eingestellt (Microsoft) oder agieren aus Greenpeace-Sicht intransparent (Amazon). Sie gehören zu den Unternehmen, deren Bemühungen eher enttäuschen.
Traditionelle Markenhersteller besser
Lenovo, Philips und Toshiba sind weiterhin bemüht. Giftstoffe aus allen ihren Produkten zu verbannen. Philips, Dell und HP bemühen sich um bessere Rückgabemöglichkeiten und Recyclingverfahren. Sony und HP bemühen sich um Transparenz bei der Verwendung gefährlicher Stoffe in der Lieferkette.
Spezielle Hersteller wie iameco sind zu klein, um in diesem Report aufgeführt zu sein, doch immerhin konnte das Tablet das Europäische Umweltzeichen (die Euroblume) ergattern.
Allgemein entpuppt sich Elektronik als wenig nachhaltig und die Gemengelage ist undurchschaubar, auch für die Marktteilnehmer.
So hat Apple offenbar Probleme, in Indien und Südkorea eine Genehmigung für seine giftfreien Kabel zu erhalten. In der EU haben Apple, HP, Dell und Acer ihre Lobbyarbeit erhöht – aber nicht etwa für Gifte, sondern tatsächlich gegen sie, um so auch Konkurrenten zu giftfreier Produktion zu zwingen. Allerdings geht der Report davon aus, dass sich wegen träger legislativer Prozesse vor 2018 nichts bewegen wird.
Smartphone- und Tablet-Kauf nachhaltig?
Am Ende bleiben die folgenden Ratschläge, wenn der Kauf ein bisschen nachhaltig sein soll:
- Das nachhaltigste Gerät ist das, das nicht gekauft wird.
- Jedes Gerät verbessert seine Ökobilanz dadurch, das man es möglichst lange verwendet. Sinnvoll ist also, Smartphones und Tablets so lange wie möglich zu benutzen und schonend zu behandeln.
- Wer ein Gerät benötigt, sollte auch dem Gebrauchtmarkt eine Chance geben, über den sich die Lebensdauer aller Geräte verlängern lässt – siehe unsere Bestenliste Gebrauchtkauf-Portale.
- Steht ein Handy-Neukauf an, ist das Fairphone 2 wegen seiner Langlebigkeit und Reparierbarkeit eine interessante Option.
- Wenn ein Gerät das Ende seiner Lebenszeit erreicht hat, bemühe dich um eine fachgerechte Entsorgung (siehe Elektroschrott).
- Übrigens auch gut für die Umwelt: Den Stromanbieter wechseln – natürlich zu einem Ökostromanbieter.
rk/aw
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